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Zukunft Frauenfußball
Wie der Frauenfußball sichtbarer und marktfähig werden kann

Am Ende der Womens Week beim DFB - einer Woche mit dem Fokus auf den Frauenfußball - gab es vor dem erstmals ausverkauften Pokalfinale im Rheinenergie-Stadion in Köln eine Diskussionsrunde: Mit welcher Strategie soll die Zukunft des Frauenfußballs gestaltet werden?

Von Jessica Sturmberg |
Das DFB-Pokalfinale der Frauen zwischen Wolfsburg und Freiburg fand erstmals vor ausverkaufter Kulisse im Rheinenergie-Stadion in Köln statt.
Das DFB-Pokalfinale der Frauen zwischen Wolfsburg und Freiburg fand erstmals vor ausverkaufter Kulisse im Rheinenergie-Stadion in Köln statt. (Jessica Sturmberg / Dlf)
„Es war wirklich ein Wahnsinnsgefühl, dass auch so viele Fans aus Freiburg mitgereist sind. So macht Fußballspielen Spaß.“
„Der erste Eindruck war, wir kommen raus zum Warm-Up und werden dort schon gefeiert und jeder wusste, wir haben hier heute richtig, richtig viele Menschen hinter uns.“
Freiburgs Torschützin Janina Minge und Trainerin Theresa Merk schwärmten nach dem Spiel über die Stimmung im mit 44.808 Zuschauerinnen und Zuschauern ausverkauften Kölner Stadion. Auch Wolfsburgs Trainer Tommy Stroot zeigte sich beeindruckt:
„Super, war eine tolle Stimmung. Ich hab’s extrem genossen vor der Atmosphäre hier.“
Die Fans der Freiburgerinnen im ausverkauften Rheinenergie-Stadion beim Pokalfinale VfL Wolfsburg gegen SC Freiburg 2023.
Die Fans der Freiburgerinnen im ausverkauften Rheinenergie-Stadion beim Pokalfinale. (Jessica Sturmberg / Dlf)
Alle Tickets, die der DFB in den Verkauf gegeben hatte, waren verkauft worden. Der Frauenfußball wurde ausgiebig gefeiert. Auf unterschiedliche Weise: Da waren die vielen Fußballbegeisterten, die bei diesem Highlight dabei sein wollten, Familien, Kinder, die ihre Vorbilder sehen wollten. Und da waren auch die Fans der beiden Teams, VfL Wolfsburg und SC Freiburg, die ihrerseits die Fankultur ins Stadion brachten.
Was Fangesänge und Choreographien anging, waren es vor allem die Freiburger Fans, die als Einheit auftraten, lautstark sangen und bis zum Schluss für eine Final-Atmosphäre sorgten.

Ärger über den DFB bei den Freiburger Fans

Eigentlich hatten sie neben Fahnen und Konfetti noch viel mehr geplant, Choreographien mit Kreppbändern, Konfetti-Kanonen und Spruchbändern. Doch der DFB habe diese verboten und damit eine aktive Fankultur fast unmöglich gemacht, heißt es in einem kritischen Blog-Eintrag der Freiburger Fanszene und so erklären sich DFB-kritische Rufe während des Spiels aus dem Freiburger Block.

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Die Auseinandersetzung damit, wer da eigentlich ins Stadion kommt, wie der Umgang mit dem Publikum bei Spielen der Frauen sein sollte, und nicht mehr nur der Blick auf die Zahl an sich, macht die nächste Stufe deutlich und ist Ausdruck einer Entwicklung, die Holger Blask, Geschäftsführer der DFB GmbH so beschreibt:
„Die dynamischst wachsende Sportart in Deutschland ist gerade der Frauenfußball, wenn wir uns die Zahlen angucken."
Vereine und Verband melden Rekordzuschauerzahlen, der Fußball der Frauen ist sichtbarer geworden in den Medien und in der Gesellschaft. In diesen Tagen kommt dann sofort auch wieder die Frage auf, was ist mit der Weltmeisterschaft in zwei Monaten, wann klärt sich, ob sie im deutschen Fernsehen zu sehen sein wird?

Planungsunsicherheit bei ARD und ZDF

ARD Sportkoordinator Axel Balkausky und ZDF-Sportchef Yorck Polus können aktuell keinen neuen Verhandlungsstand mit der FIFA melden, aber die Dramatik der Planungsunsicherheit für die beiden Sender deutlich machen: 
„Wir bereiten uns natürlich vor, das löst übrigens auch Kosten aus, wir können ja nicht bis eine Woche vorher alles warmhalten, Studios, Menschen, wir brauchen viele Menschen, die das umsetzen können. Wir haben viel Fazilitäten vorgehalten. Die sind natürlich auch hier, wir werden jetzt nicht innerhalb von wenigen Wochen alles Mögliche nach Australien und Neuseeland transportieren können, aber wir behalten uns die Möglichkeiten auch vor, um entsprechend reagieren zu können.“
„Es gibt eine Liste mit Deadlines, die wir ausgearbeitet haben, und unsere Produktion sitzt uns nicht nur im Nacken, sondern sie haut von hinten immer drauf, weil für die ist das eine richtige Katastrophe.“

WM-Übertragung mit nachhaltiger Bedeutung für den Frauenfußball

Eine Katastrophe wäre es auch für den sich gerade im Aufschwung befindenden Fußball der Frauen. Eine Weltmeisterschaft, die erstmals nicht im deutschen Fernsehen zu sehen wäre, gerade jetzt in dieser Phase? Was das aus Vereinssicht bedeuten würde, macht der Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt, Axel Hellmann, deutlich:
„Das ist für uns in der Wertbildung total entscheidend, weil Spielerinnen gezeigt werden, sie werden auch bundesweit größer gemacht, als sie es in der Vergangenheit waren und das ist für uns im Rückfluss – ich schaue jetzt einfach mal ökonomisch auf das Thema – von zentraler Bedeutung, dass wir Persönlichkeiten haben, dass wir Gesichter haben, dass wir erfolgreiche Sportlerinnen haben, die man in der Qualität, in dem Einsatz, in der Begeisterung ihrer Arbeit tagtäglich zeigt, das ist total entscheidend für die Wertbildung, langfristige Wertbildung im Clubfußball.“
Auf dem FF27-Forum befassten sich Axel Hellmann (Vorstandssprecher Eintracht Frankfurt), Holger Blask (Geschäftsführer DFB GmbH & Co KG), DFB Generalsekretärin Heike Ullrich, ZDF-Sportchef Yorck Polus und ARD Sportkoordinator Axel Balkausky mit der Entwicklung des Frauenfußballs.
Auf dem FF27-Forum befassten sich Axel Hellmann (Vorstandssprecher Eintracht Frankfurt), Holger Blask (Geschäftsführer DFB GmbH & Co KG), DFB Generalsekretärin Heike Ullrich, ZDF-Sportchef Yorck Polus und ARD Sportkoordinator Axel Balkausky mit der Entwicklung des Frauenfußballs. (Jessica Sturmberg / Dlf)
Diese langfristiges Betrachtung brauche es auch noch, denn bei alle Euphorie, sagt Hellmann, …
„… muss ich schon ein bisschen Wasser in den Wein kippen, weil die Gesamtheit des Produkts, die wir im Moment schaffen, ist noch nicht marktfähig. Das ist ein Zuschussgeschäft. Es wird gefördert, es wird investiert, wir haben aber kein klares Zielbild, wo rein wir eigentlich investieren.“

Frauenfußball für eigene Marktfähigkeit fördern

Das Ziel von Eintracht Frankfurt sei, einen Beitrag dazu zu leisten, dass es eine eigene reife Industrie werde. Und Hellmann kann auch benennen, was sein Verein wiederum nicht wolle,
„dass es das Spiegelbild der Männertabelle bei den Frauen ist immer am Ende der Saison, was immer bedeutet, dass es keine reife, unabhängige Industrie sein kann, sondern dass alle Volatilitäten und strategischen Entscheidungen des Männerfußballs zwangsläufig auf den Frauenfußball und die Entwicklung enorme Auswirkungen haben.“
So sei er auch dafür, dass Traditionsvereine wie Turbine Potsdam nicht untergehen und diese Standorte gestützt würden, um die gewachsene Kultur zu erhalten.
Es ist gerade eine sehr dynamische, aber auch sensible Phase, in der sich der Frauenfußball bewegt: Zwischen gesellschaftlicher Anerkennung, stark gestiegenem Interesse, nahbarem Fußball, den die Spielerinnen bieten, aber ebenso wirtschaftlichen Potenzialen, die einige wie FIFA-Chef Infantino für sich darin sehen.
Der ganz eigene Charakter könnte darin bestehen, dass Mindestlohn und Deckelung bei den Spielerinnen gleichermaßen eingeführt werden, die Bedingungen für alle Spielerinnen verbessert werden, aber auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer. Indem die Infrastruktur den gestiegenen Zuschauerzahlen angepasst wird. Und wie sich eine eigene Fankultur ausprägen lässt.