Hohe, weiße Räume. In massiven Metallregale stehen kleine Pflanzen: Salat, Tomaten, Basilikum. In den Brutregalen werden sie von oben mit speziellen LED-Leuchten angestrahlt. Die Kombination von rotem und blauem Licht ist sehr gut für das Wachstum der Pflanzen, sagt Gus van der Feltz gegen die laute Lüftungsanlage im Versuchslabor.
Gus van der Feltz arbeitet für den niederländischen Elektronikkonzern Philips in Eindhoven. Er ist Direktor der Sparte "Cityfarming", also Landwirtschaft in der Stadt. Hier im Labor wachsen Pflanzen statt in der Erde, auf Mineralwolle, mit Wasser, dem Nährstoffe zugefügt werden, unter künstlichem Licht. Die Lichtkombination bestimmt, wie die Pflanzen wachsen und welchen Geschmack sie am Ende haben, sagt van der Feltz.
Gleichbleibende Qualität durch "Cityfarming"
Im Jahr 2050 werden voraussichtlich neun Milliarden Menschen auf der Erde leben – das wären zweieinhalb Milliarden mehr als jetzt. Die allermeisten von ihnen werden in Städten wohnen. Gebraucht wird also mehr Nahrung ohne lange Transportwege, argumentieren die Befürworter des "Cityfarmings". Zusätzlich zur herkömmlichen Landwirtschaft sollen Pflanzen also platzsparend in Regalen angebaut werden. Durch die Klimatisierung verbrauchen sie deutlich weniger Wasser als draußen auf dem Feld, sind keiner Umweltverschmutzung ausgesetzt und werden nicht mit Pestiziden besprüht, weil keine Schädlinge in die fensterlosen Räume gelangen. "Cityfarming" ermöglicht eine gleichbleibend hohe Qualität in einer abgeschlossenen Umgebung, meint der Mann von Philips.
Landwirtschaft wird zur Hightech-Fabrikation
Der Bauern wird zum Technologen. Landwirtschaft zur Hightech-Fabrikation. Kunden der LED-Pflanzen gibt es bereits: Sie kommen vor allem aus Japan, den USA und aus Großbritannien. Einen bestimmten Hinweis auf der Verpackung brauchen die Pflanzen aus dem Brutregal übrigens nicht, denn sie gelten nicht als gesundheitsgefährdend. Langzeitstudien gibt es allerdings kaum, weil die Technologie noch recht neu ist. Eine Tomate, die nie die Sonne gesehen hat, die keine Erde kennt: Was hat die noch mit Natur zu tun? Sehr viel, meint Gus van der Feltz, wenn die Samen und Pflanzen nicht glücklich wären, würden sie nicht wachsen.
Gerichte aus künstlichem Fleisch im virtuellen Restaurant
Essen der anderen Art bietet auch "Bistro in vitro" – ein virtuelles Restaurant. Hier gibt es verschiedene Gerichte, die allesamt aus künstlichem Fleisch bestehen. "Bistro in vitro" ist ein Projekt, um die Diskussion über Kunstfleisch anzuregen, sagt Miterfinder Tim Hoogesteger.
Hackfleisch aus der Petrischale ist schon jetzt Wirklichkeit. Vor knapp drei Jahren hatte ein niederländischer Professor der Universität Maastricht den ersten Burger gebraten, der aus Stammzellen einer Kuh gewonnen wurde. Damals kostete diese Bulette 250.000 Euro. Es wird erwartet, dass ein Kilo künstliches Fleisch in den kommenden fünf Jahren nur noch 65 Euro kosten wird, meint Tim Hoogesteger.
Viele Menschen wollen Fleisch essen
Die Weltbevölkerung wächst und viele Menschen wollen Fleisch essen. Die heutige Fleischproduktion sei nicht nachhaltig. Sie brauche viel Weideland, Futter und Wasser. Künstliches Fleisch könnte eine Lösung sein, meint Tim Hoogesteger, denn man müsse nicht alle die Tiere erst züchten und töten, bevor man sie essen könne. Man könne das Fleisch in einem Labor heranzüchten, und die Tiere weiter leben lassen.
Hackfleisch aus der Petrischale und Gemüse aus dem Brutregal: Die Herstellung unseres Essens wird sich in Zukunft möglicherweise verändern. Nicht heute. Nicht morgen. Aber voraussichtlich übermorgen.