Mascha Drost: Generalstabsmäßig hatte Pina Bausch alles geplant, was mit ihrer Arbeit zusammenhing, nur eines hatte sie vergessen, vielleicht verdrängt: die Frage, wie sollte es ohne sie weitergehen. Mit dieser Frage sind jetzt andere beschäftigt - seit gut einem Jahr, seit die Tänzerin und Choreografin unvermittelt starb. "Wir sind jetzt Pina", hatte der Tänzer und Choreograf Dominique Mercy nach ihrem Tod gesagt, und meinte damit die Tänzer, ihre engsten Vertrauten. Das allerdings dürfte weniger als realistische denn als eine verzweifelt-hoffnungsvolle Ansage im Angesicht der großen unheimlichen Lehre zu werten sein, die Pina Bausch hinterlassen hat. Wie geht es nach einem Jahr weiter, was ist in der Zwischenzeit passiert? Um diese Fragen zu beantworten, ist jetzt Wiebke Hüster ins Studio gekommen. Frau Hüster, blicken wir trotzdem noch mal ganz kurz zurück: Wie steht denn die Kompanie da, ein Jahr nach dem Tod von Pina Bausch, künstlerisch und finanziell?
Wiebke Hüster: Ich glaube, dass die Kompanie eigentlich sehr gut dasteht, weil sie mit Dominique Mercy - das war ja sozusagen der älteste Mitstreiter an Pina Bauschs Seite, der hat ja ganz, ganz früh schon in Wuppertal für sie getanzt - eigentlich einen sehr, sehr guten, ruhigen, besonnenen, künstlerisch einfach hundertprozentig integren Direktor gefunden hat und mit Robert Sturm, einem Dramaturgen, an seiner Seite sicherlich auch einen Berater in allen anderen wissenschaftlichen, dramaturgischen, künstlerischen Fragen gefunden hat. Das ist also nicht das Problem. Noch besteht die Kompanie auch ja zu großen Teilen aus Tänzern, die Pina Bausch noch sehr gut gekannt haben, mit ihr geprobt haben, von ihr unterrichtet wurden, in ihrer Trainingsmethode ausgebildet wurden zum Teil. Das alles macht, dass das Werk natürlich auch ein Jahr nach ihrem Tod unvermindert authentisch aussieht, davon muss man ausgehen. Das Interessante, was jetzt passiert ist, dass man jetzt überlegt, was wird mit dem Nachlass von Pina Bausch geschehen. Das ist wirklich erstaunlich, denn der enthält Produktionsmaterialien zu mehr als 46 Stücken.
Drost: Das ist das Archiv, was der Stiftungsrat, das Konzept, gerade vorgestellt hat?
Hüster: Genau. Die Pina-Bausch-Stiftung, deren Vorstand eben aus ihrem Sohn Salomon Bausch und ihrem Ehemann Ronald Kay besteht, diese Stiftung hat jetzt ein Konzept vorgelegt für ein Archiv, und das soll eben in Wuppertal seine Heimat finden. Das sollen möglichst die Stadt, das Land und der Bund finanzieren. Und hier sollen eben diese Materialien, wie ich gerade sagte, zu 46 Stücken insgesamt, 7500 Videos, Regiebücher, Bühnenbilder, bis hin zu den Kostümen, den technischen Anweisungen, all den Büchern, die sie gefüllt hat, mit Notizen über all die Vorschläge, die ihre Tänzer eben immer beigetragen haben zu diesen Stücken, das soll jetzt eben jetzt zusammengeführt werden und zugänglich und nutzbar für die Öffentlichkeit gemacht werden.
Drost: Das ist ja das ganze Vermächtnis Pina Bauschs, was dann in diesem Archiv lagern wird. Kann man aber trotzdem das Werk von ihr, das ja was unheimlich Flüchtiges ist, der Tanz, trotzdem konservieren, ist das überhaupt möglich?
Hüster: Ja, das ist eben so eigenartig, denn es sind ja keine reinen Tanzstücke, das ist ja Tanztheater. Und das bedeutet, dass es so ein bisschen so ist, als würden Sie versuchen, eine Inszenierung von Fritz Kortner zu retten über Jahrzehnte und Jahrzehnte. Fritz Kortner ist längst tot, dann sterben seine Schauspieler, ja, Sie wollen das trotzdem nach wie vor. Da sehen sie schon die Problematik. Natürlich klingt ein Tänzer nie wie der andere. Wenn er spricht, wenn er tanzt, sieht er auch nie aus wie der andere. Wie authentisch ist das dann noch? Gleichwohl glaube ich, dass man den Versuch couragiert, wie das hier unternommen wird, angehen muss, denn sonst würde dieses Werk ja sozusagen ganz von der Welt verschwinden. Und das wäre natürlich unendlich schade, wenn man bedenkt, welchen Einfluss das auf so viele Theaterregisseure, Opernregisseure und alle möglichen anderen Künstler gehabt hat.
Drost: Aber muss nicht auch trotzdem jeder Nachfolger scheitern, denn ohne das Herz, das Hirn, ohne Pina Bausch, dieser Kompanie kann das doch gar nicht weitergehen?
Hüster: Das Entscheidende, was eben fehlt, ist natürlich jemand, der neue Stücke schafft für diese Kompanie, und man sagt ja immer, das ist das Schönste und das Wichtigste für Tänzer, dass jemand da ist, der mit ihnen arbeitet und neue Stücke für sie schafft. Ich glaube, dass in diesem Archiv sozusagen der Nukleus zu diesem Gedanken enthalten ist. Da will man nämlich eine Künstlerwohnung einrichten in diesem Archiv und man möchte eben auch Choreografen ermöglichen, sich dort zu erproben. Und ich glaube ganz fest, dass das Tanztheater Wuppertal irgendwann sich öffnen werden muss anderen Künstlern, anderen Choreografen gegenüber. Und warum nicht? Warum soll nicht jemand kommen wie Alain Platel, wie Sidi Larbi Cherkaoui, der eben anknüpfend sozusagen an Metastück über das Erbe von Pina Bausch, warum nicht?
Wiebke Hüster: Ich glaube, dass die Kompanie eigentlich sehr gut dasteht, weil sie mit Dominique Mercy - das war ja sozusagen der älteste Mitstreiter an Pina Bauschs Seite, der hat ja ganz, ganz früh schon in Wuppertal für sie getanzt - eigentlich einen sehr, sehr guten, ruhigen, besonnenen, künstlerisch einfach hundertprozentig integren Direktor gefunden hat und mit Robert Sturm, einem Dramaturgen, an seiner Seite sicherlich auch einen Berater in allen anderen wissenschaftlichen, dramaturgischen, künstlerischen Fragen gefunden hat. Das ist also nicht das Problem. Noch besteht die Kompanie auch ja zu großen Teilen aus Tänzern, die Pina Bausch noch sehr gut gekannt haben, mit ihr geprobt haben, von ihr unterrichtet wurden, in ihrer Trainingsmethode ausgebildet wurden zum Teil. Das alles macht, dass das Werk natürlich auch ein Jahr nach ihrem Tod unvermindert authentisch aussieht, davon muss man ausgehen. Das Interessante, was jetzt passiert ist, dass man jetzt überlegt, was wird mit dem Nachlass von Pina Bausch geschehen. Das ist wirklich erstaunlich, denn der enthält Produktionsmaterialien zu mehr als 46 Stücken.
Drost: Das ist das Archiv, was der Stiftungsrat, das Konzept, gerade vorgestellt hat?
Hüster: Genau. Die Pina-Bausch-Stiftung, deren Vorstand eben aus ihrem Sohn Salomon Bausch und ihrem Ehemann Ronald Kay besteht, diese Stiftung hat jetzt ein Konzept vorgelegt für ein Archiv, und das soll eben in Wuppertal seine Heimat finden. Das sollen möglichst die Stadt, das Land und der Bund finanzieren. Und hier sollen eben diese Materialien, wie ich gerade sagte, zu 46 Stücken insgesamt, 7500 Videos, Regiebücher, Bühnenbilder, bis hin zu den Kostümen, den technischen Anweisungen, all den Büchern, die sie gefüllt hat, mit Notizen über all die Vorschläge, die ihre Tänzer eben immer beigetragen haben zu diesen Stücken, das soll jetzt eben jetzt zusammengeführt werden und zugänglich und nutzbar für die Öffentlichkeit gemacht werden.
Drost: Das ist ja das ganze Vermächtnis Pina Bauschs, was dann in diesem Archiv lagern wird. Kann man aber trotzdem das Werk von ihr, das ja was unheimlich Flüchtiges ist, der Tanz, trotzdem konservieren, ist das überhaupt möglich?
Hüster: Ja, das ist eben so eigenartig, denn es sind ja keine reinen Tanzstücke, das ist ja Tanztheater. Und das bedeutet, dass es so ein bisschen so ist, als würden Sie versuchen, eine Inszenierung von Fritz Kortner zu retten über Jahrzehnte und Jahrzehnte. Fritz Kortner ist längst tot, dann sterben seine Schauspieler, ja, Sie wollen das trotzdem nach wie vor. Da sehen sie schon die Problematik. Natürlich klingt ein Tänzer nie wie der andere. Wenn er spricht, wenn er tanzt, sieht er auch nie aus wie der andere. Wie authentisch ist das dann noch? Gleichwohl glaube ich, dass man den Versuch couragiert, wie das hier unternommen wird, angehen muss, denn sonst würde dieses Werk ja sozusagen ganz von der Welt verschwinden. Und das wäre natürlich unendlich schade, wenn man bedenkt, welchen Einfluss das auf so viele Theaterregisseure, Opernregisseure und alle möglichen anderen Künstler gehabt hat.
Drost: Aber muss nicht auch trotzdem jeder Nachfolger scheitern, denn ohne das Herz, das Hirn, ohne Pina Bausch, dieser Kompanie kann das doch gar nicht weitergehen?
Hüster: Das Entscheidende, was eben fehlt, ist natürlich jemand, der neue Stücke schafft für diese Kompanie, und man sagt ja immer, das ist das Schönste und das Wichtigste für Tänzer, dass jemand da ist, der mit ihnen arbeitet und neue Stücke für sie schafft. Ich glaube, dass in diesem Archiv sozusagen der Nukleus zu diesem Gedanken enthalten ist. Da will man nämlich eine Künstlerwohnung einrichten in diesem Archiv und man möchte eben auch Choreografen ermöglichen, sich dort zu erproben. Und ich glaube ganz fest, dass das Tanztheater Wuppertal irgendwann sich öffnen werden muss anderen Künstlern, anderen Choreografen gegenüber. Und warum nicht? Warum soll nicht jemand kommen wie Alain Platel, wie Sidi Larbi Cherkaoui, der eben anknüpfend sozusagen an Metastück über das Erbe von Pina Bausch, warum nicht?