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Zukunftsforum mit Joachim Gauck
Junger Blick auf Deutschland

"Wie soll unser Land einmal aussehen?", fragte Bundespräsident Joachim Gauck zu Beginn seiner Amtszeit vor vier Jahren vor der Bundesversammlung. Jetzt hat er sich mit 100 Jugendlichen im Schloss Bellevue getroffen, um über diese Frage zu diskutieren. Von ihren Ideen und Visionen war Gauck beeindruckt.

Von Azadê Peşmen |
    Bundespräsident Joachim Gauck spricht auf Zukunftsforum "#DE2036".
    Bundespräsident Joachim Gauck spricht auf Zukunftsforum "#DE2036". (dpa/ picture alliance/ Wolfgang Kumm)
    Die Amtszeit des Bundespräsidenten Joachim Gauck neigt sich dem Ende zu. In seiner Antrittsrede vor der Bundesversammlung fragte er vor vier Jahren:
    "Wie soll es denn nun aussehen, dieses Land, zu dem unsere Kinder und Enkel einmal sagen sollen: Unser Land."
    Politikverdrossenheit früh entgegenwirken
    Um Antworten auf diese Frage zu finden, hat er 100 Jugendliche ins Schloss Bellevue eingeladen. Die 15-25-Jährigen haben zu Themen wie Bildung und soziale Gerechtigkeit Thesen herausgearbeitet, die sie dem Bundespräsidenten vorstellen. Lehramtsstudentin Meltem Adal sitzt für die Gruppe Demokratie, Teilhabe und Engagement auf dem Podium und findet, dass man Politikverdrossenheit am Besten schon in der Schule vorbeugt:
    "Wir sagen aber, wir wollen Politikunterricht schon von klein auf, bereits in der Grundschule können sie demokratisch agieren, die wählen Klassensprecher, die werden schon mit demokratischen Strukturen vertraut gemacht und das man das auf der weiterführenden Schule auch wirklich weiter führt. Das von Klasse fünf an, das den mitgegeben wird. Nicht nur dieses "Wie funktioniert Demokratie", sondern wie funktioniere ich in der Demokratie, was kann ich da tun, von klein auf."
    Die Themen auf dem Podium gehen aber über den nationalstaatlichen Rahmen hinaus. Die Europäische Union mit ihrer Freizügigkeit und der Möglichkeit in unterschiedliche Länder zu reisen und dort auch zu arbeiten, ist für viele der Jugendlichen selbstverständlich. Der Moderator Michel Abdollahi fasst die These der Gruppe "Europa und Deutschlands Rolle in der Welt" zusammen:
    "Da müssen Sie jetzt tapfer sein, bei der These : 2036 ist Deutschland kein souveräner Staat mehr, die EU ist es."
    "Also in unserer Gruppe wurde diese These kontrovers diskutiert. Einerseits gab es eine sehr visionäre Perspektive, die gesagt hat, das ist etwas ganz tolles, um der Freizügigkeit hinterherzugehen, mit einem weiteren Schritt, indem man sagt, man weitet soziale Systeme aus, dass man zum Beispiel nach einer Tätigkeit in Deutschland, einer Tätigkeit in Spanien, sich nicht mehr entscheiden muss, in welches Sozialsystem zahlt man ein, sondern man hat quasi eine große Einheit innerhalb von Europa".
    Bundespräsident Joachim Gauck gemeinsam mit Jugendlichen auf Zukunftsforum "#DE2036".
    Bundespräsident Joachim Gauck auf Zukunftsforum "#DE2036". (Deutschlandradio/Azadê Peşmen)
    Beeindruckt von Visionen der Jugendlichen
    Sagt die Studentin Linn Bieske auf dem Podium. Trotzdem wüssten sie, sagen die Jugendlichen, dass es schwierig sei, Menschen aus unterschiedlichen Regionen zu vereinen, das habe die Geschichte gezeigt. Aufgrund der Deutsch-Deutschen Geschichte kann es auch der Bundespräsident nachvollziehen, weshalb sich junge Menschen eher mit Europa als mit Deutschland identifizieren:
    "Als ich jung war, erste West-Besuche machte, da war das trés chic, Deutschland durfte man da gar nicht sagen, das war also ganz unmodern, das können Sie sich gar nicht vorstellen, aber ich kam bei meinen ersten Besuchen in Hamburg an: Ich bin ja auch ein Deutscher und so weiter, wollte man als Ossi auch so ein bisschen sagen, das man dazu gehört und da haben sie gesagt, wir fühlen uns als Hamburger und Europäer. Oh sage ich, das sind aber fortschrittliche Menschen."
    Um die Zukunft Deutschlands zeigt sich der Bundespräsident nicht besorgt und ist beeindruckt von den Ideen und Visionen der Jugendlichen. Er ermuntert sie aber, Ausdauer bei ihren Vorhaben an den Tag zu legen, denn:
    "Die Wissenden alleine haben noch keine Garantie, dass sie nicht zu Zynikern werden. Oft erscheint uns die Problemfülle so groß, das eine Bereitschaft daraus zu fliehen entsteht. Wir sprechen dann von Eskapismus."