Am 7. September tagt zum ersten Mal die von der Bundesregierung ins Leben gerufene Zukunftskommission Landwirtschaft. Mit dabei ist Elisabeth Fresen, Landwirtin mit einem Betrieb für Mutterkuhhaltung und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft. Im Deutschlandfunk forderte sie, die Agrar-Subventionen der Europäischen Union an Klimaschutz, Wasserschutz, für Tierschutz und Artenvielfalt zu binden. Dies werde auch von der Mehrheit der Gesellschaft unterstützt, sagte Fresen.
Udo Hemmerling,
stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, betonte dagegen im Dlf
: "Wir machen die Erfahrung, dass in Umfragen regional, tierwohl- und umweltorientiert eingekauft wird, und in der Realität an der Kasse dann doch vor allen Dingen der Preis zählt." Hier sei vor allem die deutsche Discounter-Mentalität in der Kritik. Man müsse dem Verbraucher aber auch handhabbare Angebote machen - etwa in Form verpflichtender Tierwohl-Labels.
Wie soll Deutschlands Landwirtschaft künftig aussehen – darüber berät ab heute die Zukunftskommission Landwirtschaft in Berlin. Neben den 32 Vertretern aus Landwirtschaft, Handel, Industrie sowie Umwelt- und Tierschutzorganisationen nehmen auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teil. Merkel hatte das Gremium nach bundesweiten Bauernprotesten im vergangenen Jahr initiiert, um über Konflikte bei den Themen biologische Vielfalt, Pflanzenschutz, Klimawandel, Tierwohl und Tierhandel zu beraten und Lösungen zu finden. Noch im Herbst soll die Kommission einen Zwischenbericht vorlegen, im Frühsommer 2021 soll dann ein Abschlussbericht folgen.
Birgid Becker: Wo läuft es denn am gravierendsten schief im Moment in der Agrarpolitik?
Elisabeth Fresen: Aus meiner Sicht ist die erste Baustelle die gemeinsame Agrarpolitik, also die Subventionsgelder, endlich konkret dafür einzusetzen, dass wir Bäuerinnen und Bauern dafür entlohnt werden, dass wir für Klimaschutz arbeiten, für Artenvielfalt, für artgerechte Tierhaltung, also für das, was sich die Gesellschaft von uns Bäuerinnen und Bauern wünscht.
Becker: Da sind wir dann schon sehr zentral bei der EU-Agrarpolitik, wo es ja immer noch Subventionen hauptsächlich pro Hektar gibt. Ist das für Sie der zentrale Dreh- und Angelpunkt?
Fresen: Aus meiner Sicht dürfen wir es nicht weiter akzeptieren, dass die Subventionsgelder einfach pro Hektar ausgezahlt werden, ganz egal was ich darauf mache. Sondern es ist sehr wichtig, dass wir diese Gelder qualifiziert daran binden, ob ich etwas für Klimaschutz, für Wasserschutz, für Tierschutz und Artenvielfalt tue.
"Bewusstsein in der Gesellschaft ist eine Stärke"
Becker: Was ja definitiv der Fall ist, ist, dass alle Themen rund um die Landwirtschaft dem normalen Verbraucher, der normalen Verbraucherin näher gerückt sind. Anders als in den vergangenen Jahren interessiert man sich dafür, wie es den Tieren ging, die später auf dem Teller landen. Man interessiert sich dafür, ob Lebensmittel umwelt- und klimafreundlich erzeugt worden sind. Sie haben auch den Eindruck, dass sich da im Bewusstsein deutlich etwas geändert hat, oder?
Fresen: Ja, und ich nehme das als Stärke wahr und denke, dass wir die Gesellschaft auch hinter uns haben, wenn wir eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung zum Beispiel haben. Das, finde ich, stärkt mich als Bäuerin und ich erwarte auch, dass die Politik sich auch hinter uns stellt, denn die macht im Moment teilweise das Gegenteil.
Becker: Was meinen Sie konkret mit dem Gegenteil?
Fresen: Zum Beispiel, dass die Agrarzahlungen, die Subventionen aus der Gemeinsamen Agrar-Politik (GAP), nicht an Leistungen unserer Bauernhöfe geknüpft sind, sondern zum großen Teil einfach pro Hektar ausgeschüttet werden, aber auch, dass keine wirksamen Instrumente installiert werden, um faire Preise zum Beispiel zu gewährleisten.
"Keine Umwege über Machbarkeitsstudien oder Umfragen gehen"
Becker: Auch von einer Tierwohl-Abgabe sind wir immer noch entfernt. Würde das nach Ihrer Einschätzung eine deutliche Verbesserung bringen?
Fresen: Ja. Ich bin davon überzeugt, dass die Umsetzung der Ergebnisse der Borchert-Kommission, dass eine Tierwohl-Abgabe gezahlt wird auf Fleisch und dass damit eine artgerechte Haltung bezahlt wird, nämlich die konkrete Arbeit von uns Bäuerinnen und Bauern für gute Tierhaltung, das schätze ich als sehr, sehr sinnvoll ein, dass wir nicht noch Umwege gehen über Machbarkeitsstudien oder über Umfragen und ich weiß nicht was. Wir sollten keine Umwege gehen, sondern ganz zielgerichtet uns dafür einsetzen, dass das umgesetzt wird.
Becker: Aber das ist nicht unstrittig unter den Landwirten, oder?
Fresen: Für mich ist es noch schwierig, das einzuschätzen. Ich denke, wir müssen alle aufeinander zugehen. Die Arbeitgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ist auch dazu bereit, aufeinander zuzugehen. Und ich denke, wenn wir noch weiterhin viele Bauernhöfe haben wollen, dann führt kein Weg daran vorbei, endlich konkrete Leistungen auch zu bezahlen. Deswegen denke ich, dass eigentlich alle Landwirtinnen und Landwirte dahinter stehen sollten. Dass die Industrie dagegen ist, das kann ich schon verstehen, weil denen dann billige Rohstoffe fehlen. Aber ich denke, Bäuerinnen und Bauern, die Tiere halten, sind darauf angewiesen, eine faire Entlohnung zu haben, und das ist im Moment ja nicht der Fall. Das ist auch das große Problem, warum so viele Bauernhöfe ihre Tore dichtmachen, dass sie keine faire Entlohnung für ihre Arbeit bekommen. Deswegen habe ich kein Verständnis, wenn Bäuerinnen und Bauern dagegen sind.
"Wenn wir uns verzetteln, wäre das sehr enttäuschend"
Becker: Wenn ich auf die Breite der Teilnehmer gucke – das sind 32 Vertreterinnen und Vertreter aus der Landwirtschaft und aus dem Handel, aus der Ernährungsbranche, Umwelt- und Tierschutzorganisationen sollen vertreten sein, und schließlich kommt noch die Wissenschaft dazu. Bei dieser großen Zusammensetzung, haben Sie da die Sorge, dass einfach so eine Interessenvielfalt da ist, dass gar kein zustimmungsfähiges Ergebnis entstehen kann?
Fresen: Ich denke, die Sorge ist berechtigt, aber ich sehe vor allem, dass es sehr, sehr nötig ist, endlich Lösungen zu finden, und ich erwarte von allen Mitgliedern, dass sie auch kompromissbereit sind und einander zuhören und Lösungen finden. Ich persönlich mache die Erfahrung, dass es möglich ist, mit der Gesellschaft im Rücken und deren Unterstützung eine zukunftsfähige Landwirtschaft auch zu realisieren.
Becker: Was würde Sie enttäuschen an dem Treffen heute?
Fresen: Enttäuschen würde mich, wenn wir uns verzetteln, wenn wir Gefahr laufen, na ja, polarisierend zu sein, also nicht uns zu einen und lösungsbereit und zielstrebig zu arbeiten, sondern wenn wir beginnen, polarisierend gegeneinander zu arbeiten. Das wäre sehr enttäuschend.
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