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Zukunftskonferenz CHI
Virtual Reality wird fühlbar

Auf der CHI-Konferenz präsentieren Technikforscher aus der ganzen Welt ihre neusten Ideen. Die Lösungen an der Schnittstelle zwischen Mensch und Computer finden sich möglichweiser bald schon in unseren Wohnzimmern - dabei hat so manche Technik der Zukunft ziemlich viel Bodenhaftung.

Von Dennis Kastrup |
    Ein Mann trägt eine VR-Brille und ist in eine räumliche, virtuelle Welt eingetaucht.
    Virtuelle Erfahrungen mit VR-Brillen haptischer zu machen - das zeichnet sich auf der CHI-Konferenz als neuer Entwicklungstrend ab (picture-alliance/ dpa/ Maximilian Schönherr)
    Der Applaus bei der Eröffnung im großen Palais des Congrès ist eher zurückhaltend. Alles ist ein bisschen unaufgeregter, nicht so überladen wie die CEBIT oder das SXSW. Hier, im riesigen Messecenter von Montreal, werden vier Tage lang in ungefähr 200 Sitzungen Forschungsergebnisse vorgestellt, die wohl unsere Zukunft gestalten werden. Das große Thema: Der Mensch, der mit der Technik verschmilzt. Regan Mandryk, Professorin an der Universität in Saskatchewan, hat zusammen mit Mark Hancock den Vorsitz und die Konferenz organisiert.
    "Das Zusammenspiel von Mensch und Computer war früher vielleicht etwas für Leute, die in Büros gearbeitet haben oder genug Geld für einen Rechner zu Hause hatten. Jetzt sind wir davon aber überall umgeben: bei jedem Gebrauch des Smartphones, jedes Mal, wenn man den Computer benutzt oder im Aufzug den Touchscreen berührt. Wir finden das überall. Obwohl unsere Gesellschaft sehr verschieden ist, eint uns dasselbe Bedürfnis."
    Sprechende Kühlschränke waren gestern
    Und das bedeutet: mit den Computern den Alltag erleichtern. An der Verbesserung oder auch Neuerfindung dieser Geräte arbeiten alle Teilnehmer der CHI. Sebastian Günther von der Technischen Universität Darmstadt hat mit seinen Kollegen in den Workshops am Wochenende vor der Konferenz zum Beispiel die "Interaktion mit Smart Objects" vorgestellt.
    "Ein Smart Object ist für viele dann ein smartes Objekt, wenn es Entscheidungen treffen kann, in welcher Form auch immer das dann ist. Aber es ist nicht so wie Single Purpose: Man drückt einen Knopf und das geht an, dann ist es nicht unbedingt ein Smart Object. Aber sobald es die Entscheidung treffen kann, wer zum Beispiel diesen Knopf getroffen hat oder welches Licht dann angeht oder welche Funktion aufgerufen wird."
    Es wird der nächste Entwicklungsschritt für die Geräte in unserem Alltag sein. Bereits jetzt können Kühlschränke sprechen, Lampen durch eine bloße Handbewegung angehen oder Jalousien mit Befehlen herunterfahren. Doch das ist nur der Anfang, meint auch Florian Müller von der TU Darmstadt.
    "Es ist nicht so, dass ich eine Plattform habe, über die ich alle Services konfigurieren kann. Und ich glaube, dass wir uns da irgendwie in die Richtung entwickeln werden müssen, dass es da zentralere Anlaufstellen gibt. Das ist das, was so ein bisschen in der Siri-, Alexa- und so weiter Richtung passiert, aber immer noch sehr speziell."
    Die Tech-Firmen sind hellhörig
    Um das zu erreichen, brauchen die Forscher der CHI die Unterstützung der Wirtschaft. Firmen wie Microsoft, Google, Facebook und die chinesische Alibaba Group haben ihre Headhunter geschickt. Auffallend oft stellen sie nach den Präsentationen Fragen an die Wissenschaftler, um das mögliche Potenzial für zukünftige Produkte auszuloten. Auch auf der Messe am Montag waren die großen Player mit eigenen Ständen anwesend. Hier wurden die Forschungsergebnisse der Wissenschaftler in die Praxis umgesetzt.
    Im Mittelpunkt standen dabei die Virtual-, Augmented- und Mixed Reality. Es zeichnet sich der Trend ab, die virtuellen Erfahrungen mit den Brillen haptischer zu machen, das heißt, mit Hilfe von realen Gegenständen die digitale Welt zu spüren. Auch Lung-Pan Cheng vom Hasso Plattner-Institut in Potsdam verfolgt mit seiner Simulation "iTurk" diesen Gedanken.
    "Wir benutzen zwei haptische Requisiten: ein Pendel und ein faltbares Brett. Es geht dabei darum, dass der User die Requisiten umgestalten und so immer wieder eine neue Erfahrung haben kann. Jedes Mal, wenn der User die virtuellen Objekte neu sieht, wird es sich total anders anfühlen."
    Ausgestattet mit einer Virtual-Reality-Brille bewegt sich der User bei "iTurk" durch den realen Raum. Um ihn herum fliegt ein am Seil angebrachtes Pendel mit einer fußballgroßen Kugel, die in der virtuellen Realität als eine Bedrohung gesehen wird und mit der Hand abgewehrt werden muss. Der User kann das Brett im realen Raum umbauen, das dann mit der Brille beispielsweise als Tisch oder Tür erscheint. Damit kann man spielerisch in verschiedene Situationen eintauchen.
    Maschinen durch allgegenwärtigere Dinge ersetzen
    "Wir glauben, dass die Virtual Reality tatsächlich zu den Menschen kommen wird und die Leute nicht mehr diese großen und teuren Maschinen wie einen Flugsimulator benutzen können. Deshalb sollten diese Maschinen durch allgegenwärtigere Dinge ersetzt werden."
    In Zukunft werden wir mit großer Wahrscheinlichkeit einige der Erfindungen der CHI im eigenen Zuhause wiederfinden. Derzeit ist die haptische Virtual Reality natürlich für Computerspielehersteller sehr interessant, weil sie die Erlebnisse noch spürbarer und aufregender machen kann. Aber auch in anderen Bereichen finden sich Anwendungsmöglichkeiten. In der Medizin könnten Operationen noch besser mit echtem Werkzeug nachempfunden werden. Trauma-Patienten könnten sich realer als jemals zuvor ihren Ängsten stellen und Kinder könnten spielerisch Umgebungen erkunden, ohne dabei in echter Gefahr zu sein.