Vor der Mensa der Freien Universität Berlin steht ein großes Glücksrad. Nur eins von zehn Feldern ist rot und markiert symbolisch den Hauptgewinn, einen unbefristeten Job in der Lehre an einer deutschen Hochschule, klagt Antje Thomaß von der Gewerkschaft Verdi. Bislang hätten fast nur Professoren feste Stellen:
"Die Bereitschaft der Hochschulen, Dauerstellen zu schaffen war bis jetzt nicht ausgeprägt. Wir haben bis jetzt eine Befristungsquote so bundesweit bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern von über 90 Prozent."
Zu diesen 90 Prozent wird Jan Brunner in Zukunft vermutlich auch gehören. Er schreibt derzeit seine Doktorarbeit im Bereich Politikwissenschaft. Seine Doktorandenstelle ist gerade ausgelaufen, er bezieht Arbeitslosengeld. Eigentlich würde er nach Abschluss der Arbeit gerne an einer der Universitäten lehren und forschen, mit einem Familienleben sei das allerdings kaum vereinbar:
"Das Hochschulsystem ist ja sehr von Flexibilität geprägt. Wenn man einen befristeten Vertrag findet, dann geht man vielleicht auch an eine andere Hochschule, pendelt dann teilweise, weil man eben Freunde oder Freundin hier hat. Lebensplanung ist total schwierig an Hochschulen. Also gibt es signifikant weniger Kinder bei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als im Rest der Gesellschaft und es erschwert einfach die Familienplanung, da man ja nicht weiß, wann man eine sichere Stelle hat und wo die Stelle sein wird."
Mehr unbefristete Personalstellen für Hochschulmitarbeiterinnen
Aber das könnte sich durch den im Mai vergangenen Jahres unterzeichneten "Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken" nun ändern, denn ab 2021 beteiligt sich der Bund erstmals dauerhaft an der Grundfinanzierung der Hochschulen. Bis 2023 stehen dafür jährlich 1,9 Milliarden Euro und ab 2024 jährlich knapp über zwei Milliarden Euro bereit. Die Länder sollen diese Mittel um den jeweils gleichen Betrag ergänzen. Mit dem Geld sollen die Studienplatzkapazitäten bundesweit auf einem hohen Niveau gehalten, Studienbedingungen verbessert und mehr unbefristete Personalstellen in Studium und Lehre geschaffen werden. Heute nun ist der Stichtag, bis zu dem die Länder gegenüber dem Bildungsministerium erklären müssen, wie sie das Geld verwenden wollen. Dass die Hochschulen dann am Ende wirklich mehr unbefristete Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter schaffen, bezweifelt Martina Regulin von der GEW:
"Ich glaube, sie nehmen das Geld einfach und sagen, ja wir haben ja schon eine entfristete Stelle und das ist jetzt diese Stelle. Und da ist eben genau das Problem, dass man da dann keinen Aufwuchs findet und deswegen fordern wir ganz dringend, dass da ein Aufwuchs stattfindet, der nachweisbar ist."
Den Stellenwert der Lehre deutlich erhöhen
Deshalb wird heute nicht nur in der FU Berlin, sondern an vielen Universitäten und Hochschulen bundesweit protestiert. Denn dass wissenschaftliche Mitarbeiter und studentische Hilfskräfte so schnell wechseln, sei auch für die Qualität der Lehre schlecht, sagt Jan Brunner:
"Da es ja auch viele Lehrbeauftragte gibt, die dann nur punktuell Kurse machen, in interessanten Gebieten, die dann ein oder zwei Kurse machen aber dann am Schluss des Studiums nicht mehr da sind, bei denen man auch nicht die Abschlussarbeit schreiben kann."
Der Stellenwert der Lehre müsse deutlich erhöht werden, fordert Jan Brunner, der sich dafür auch im Bündnis FU – Fair und Unbefristet - engagiert. Reguläre wissenschaftliche Vollzeit-Dauerstellen dürften höchstens mit acht Semesterwochenstunden Lehrverpflichtung verbunden sein:
"Lehre ist sehr unwichtig im akademischen Betrieb. Sie hat keinen hohen Stellenwert und gibt nicht viele Punkte, um später eine Professur zu finden und dementsprechend war das Lehrangebot oft eigentlich didaktisch sehr mangelhaft: sehr große Kurse, sehr schlechte Betreuung."
Im Zukunftsvertrag seien mit der Schaffung von Dauerstellen und der Verbesserung der Betreuungsrelation bereits entsprechende Ziele vereinbart worden. Nun fordern die protestierenden Hochschulmitarbeiter und Studierenden, dass die heute fälligen Erklärungen der Länder zu diesem Thema auch überprüfbar sind. Eine freiwillige Selbstverpflichtung reiche nicht aus. Darüber hinaus müssten die Länder ihrer Verpflichtung nachkommen und die Bundesmittel auch tatsächlich in gleicher Höhe ergänzen.