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Grüne Kraftstoffe und optimierte Routen
Der lange Weg zur klimaneutralen Schifffahrt

Die Schifffahrt ist für drei Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Um das zu ändern, muss der Schiffsdiesel verbannt und durch grünen Treibstoff ersetzt werden, etwa Wasserstoff. Doch die Umstellung dürfte Jahrzehnte dauern – weshalb die Branche nun nach kurzfristigeren Maßnahmen sucht.

Von Frank Grotelüschen | 30.03.2022
Größtes Containerschriff der Welt im Hamburger Hafen: Der Frachter Algeciras der Reederei Hyundai Merchant Marine legt am Container-Terminal Burchardkai in Hamburg Waltershof an.
Ein Containerschiff fährt in den Hamburger Hafen ein. (imago / Chris Emil Janßen)
Am Containerterminal im Hamburger Hafen machen die größten Schiffe der Welt fest – Containerfrachter, bis zu 400 Meter lang. Sie fahren mit Diesel oder Schweröl, also fossilen Treibstoffen – pro Tag kann so ein Gigant einige hundert Tonnen CO2 ausstoßen. Im Prinzip aber ließen sich Schiffe auf klimaneutrale Treibstoffe umstellen, als da wären:
„Methanol oder Ammoniak oder auch Wasserstoff, die idealerweise klimaneutral aus regenerativer Energie hergestellt werden“, sagt Carlos Jahn, Leiter des Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen in Hamburg. „Das ist das Fernziel.“
Doch die Umstellung auf grüne Kraftstoffe ist aufwändig: So muss die Technik, Schiffe mit Ammoniak oder Wasserstoff zu betreiben, erst noch erprobt werden. Auch die Tankanlagen und Treibstoffspeicher in den Häfen bräuchten eine Umrüstung, und auch die Produktionsanlagen für die grünen Kraftstoffe lassen sich nicht einfach aus dem Boden stampfen. Aus all diesen Gründen wird die Umstellung nicht so schnell zu machen sein.
„Das wird noch dauern“, meint Jahn. „Ich denke, man muss hier Jahrzehnte ansetzen, weil natürlich die vorhandenen Schiffe auch noch lange Zeit fahren. Wir müssen uns da also gedulden.“

Weniger CO2 durch weniger Maschinenpower

Während manche hoffen, die weltweite Flotte bis 2045 auf klimafreundliche Antriebe umzustellen, fürchten andere, das könne bis 2070 dauern. Ein langfristiges Unterfangen, und deshalb sucht die Branche nach Wegen, wie sich der CO2-Ausstoß schon früher senken ließe, etwa durch folgende Maßnahme.
„Einmal natürlich Schiffe zu bestellen, die weniger Treibstoff verbrauchen“, empfiehlt Jahn. „Das kann durch entsprechende Antriebs-Konfigurationen erreicht werden: kleinere Maschinen, optimierte Rumpfformen, optimierte Propellerformen, durch Abstimmung des Antriebs.“

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„Das spart einige Prozent, eine Handvoll Prozent kann man grob sagen“, schätzt Jahn. Entsprechende Schiffmodelle haben manche Werften schon im Angebot. Und je höher die Preise für Rohöl und CO2-Zertifikate sind, umso attraktiver wird es für die Reedereien, solche Spar-Varianten zu ordern.

Spritsparende Schiffsrouten

Eine weitere Maßnahme, die die maritimen CO2-Emissionen senken kann, wäre die Routenoptimierung. „Das heißt, zum Beispiel die Geschwindigkeit anzupassen, sodass ein Schiff nicht zu früh an einem Standort ankommt und dann zu schnell hingefahren ist“, erläutert Carlos Jahn. „Denn die Geschwindigkeit geht überproportional in den Kraftstoffverbrauch ein.“
Treibstoff sparen lässt sich auch, wenn das Schiff einen Sturm umfährt und dem hohen Seegang aus dem Weg geht – der nämlich kostet Sprit. Doch solche Routenoptimierungen sind komplex und lassen sich nicht mit Bleistift und Papier machen. Dazu braucht es ausgefeilte Software, zum Teil basierend auf künstlicher Intelligenz. Eines dieser Programme kommt von einem Startup namens Searoutes.
„Wir sammeln die Positionsdaten von Schiffen überall auf der Welt“, erklärt Searoutes-Gründer Pierre Garreau. „Wir überwachen ihre Kurse und Geschwindigkeiten in Echtzeit. Dadurch kann unsere Software herausfinden, wieviel Treibstoff die Schiffe verbrauchen und wieviel CO2 sie ausstoßen.“

Algorithmus optimiert Hafenwahl

Ausgehend von diesem Datensatz ermittelt der Algorithmus, welcher Weg der energieeffizienteste ist, wenn eine Firma eine bestimmte Ladung von A nach B bringen will.
„Wenn Sie das umweltfreundlichste Schiff und die direkteste Route wählen, lassen sich bis zu 50 Prozent der Emissionen sparen“, meint Garreau. „Und auch die optimale Wahl der angesteuerten Häfen bringt Einsparpotenziale.“
Größenordnungen, die Fraunhofer-Forscher Carlos Jahn zwar für zu hochgegriffen hält. Doch CO2-Emissionen mindern, kann eine clevere Routenwahl schon, meint er: „Das sind einige Prozent, zehn Prozent denke ich sind übertrieben. Denn die Schiffe fahren ja schon gut.“
Also: Routenoptimierung und sparsamere Frachter können den CO2-Ausstoß der Schifffahrt durchaus senken, zum Teil auch kurzfristig. Doch an der Notwendigkeit, die fossilen Kraftstoffe durch grüne Alternativen zu ersetzen, ändern sie nichts.