"Ich bin wahrscheinlich von Natur aus sogar menschenscheu. Und es kann auch sein, dass das mit dazu beigetragen hat, dass ich Schriftsteller wurde."
So im O-Ton Wolfgang Koeppen. Er ist das große Geheimnis der bundesdeutschen Nachkriegsliteratur. Binnen kurzer Zeit veröffentlicht er hintereinander drei Romane, in rasender Geschwindigkeit. Ihre Titel lauten "Tauben im Gras", "Das Treibhaus" sowie "Der Tod in Rom". Koeppen ist Mitte Vierzig, als sie zwischen 1951 und 1954 herauskommen. Doch danach veröffentlicht er nur noch äußerst sporadisch ein paar Kleinigkeiten, nie mehr ein großes Buch, und schweigt jahrzehntelang. Lange Zeit wartet die bundesdeutsche Öffentlichkeit fast fieberhaft auf einen neuen Roman Koeppens, den er immer wieder ankündigt, der aber nie erscheint. Über seine Arbeitsweise sagte Wolfgang Koeppen:
"Ein Buch wird eigentlich nie fertig. Und deshalb hab‘ ich diese Romane sehr, sehr schnell geschrieben, weil ich sie fertigbringen wollte."
Vom Glühlampentester zum Romanautor
Wolfgang Koeppen wird am 23. Juni 1906 in Greifswald geboren. Er verlässt ohne Abschluss die Mittelschule und arbeitet als Hilfskoch auf See oder Glühlampentester. 1931 gelingt es ihm, beim Berliner Börsen-Courier als Theaterkritiker unterzukommen. Ende 1933 wird die Zeitung allerdings von den Nationalsozialisten liquidiert. Im Jahr darauf erscheint bei Bruno Cassirer Koeppens erster Roman "Eine unglückliche Liebe". Dazu Koeppen später:
"Ich hätte nach der 'unglücklichen Liebe' einen Roman schreiben können und schreiben wollen, der ungefähr im Stil meiner späteren 'Tauben im Gras' gewesen wäre. Das aber konnte ich damals nicht schreiben, die ganze Atmosphäre war so, dass das unmöglich war."
Starker Einfluss der angloamerikanischen Moderne
Koeppen versucht 1935, nach Holland ins Exil zu gehen, kehrt drei Jahre später nach Berlin zurück und taucht als zweitrangiger Drehbuchautor unter. Als 1951 endlich "Tauben im Gras" erscheint, sprengt dieses Buch alle Vorstellungen und bekommt heftige Verrisse. Koeppen ist beeinflusst von der angloamerikanischen Moderne, die er schon in der Zeit der Weimarer Republik aufgesogen hat. Der Roman besteht aus Assoziationsgeflechten und inneren Monologen, die die Atmosphäre der frühen Bundesrepublik schonungslos durchdringen: Restauration, Ressentiments und Profitgier. Das folgende Buch "Das Treibhaus" spielt in der Bundeshauptstadt Bonn, "Der Tod in Rom" schließlich nimmt einen ehemaligen SS-General ins Visier. Die drei Romane Koeppens, mit dem Grundton aus Resignation und Anklage, werden erst spät in ihrer Bedeutung erkannt.
Koeppen sieht sich zeitlebens als Außenseiter: "Es ist dieses merkwürdige Bewusstsein, ein Einzelner in der Menge zu sein. Das Leben der Menge zu teilen und zu führen, und doch ein Wesen für sich zu sein, der durch diese Situation auch noch dazu gezwungen ist, zu einem Beobachter zu werden."
Die finanzielle Misere eines freien Schriftstellers prägt Koeppens Lebensgefühl. Dankbar nimmt er das Angebot an, für den Rundfunk Reisereportagen zu schreiben. Anläufe zu einem großen autobiografischen Roman jedoch werden nur bruchstückhaft in Zeitschriften veröffentlicht und verlaufen schließlich im Sand. Koeppen stirbt am 15. März 1996 im Alter von 89 Jahren. Dass die Tätigkeit eines Schriftstellers laut seinen eigenen Worten "ein Artikel des öffentlichen Schaugeschäfts" geworden ist, hat ihn zusehends demotiviert: "Ich finde, dass das Schreiben, wie ich es betreibe, überhaupt kein Beruf ist!"
Was bleibt, sind seine fulminanten Texte.