Kleines Rätsel vorab, liebe Hörer: Wie würden Sie die letzten acht Jahrzehnte der deutschen Geschichte zusammenfassen, wenn Sie dafür genau vier Worte hätten? Grübeln Sie kurz, dann finden Sie die einzig mögliche Antwort. Sie lautet: "Vom Führer zur Mutti."
In dieser Verkürzung fehlt die gründliche Explikation einiger Zwischenschritte, die Tendenz jedoch ist klar: Die Deutschen kommen prima ohne autoritären Finsterling aus, der sagt, wie es läuft. Und selbst eine moderate Mutti wie Merkel scheint für immer mehr Bürger verzichtbar, siehe die Wahlergebnisse.
Barbara - die Orientierung liefert
Umfassende Orientierung für das eigene Leben und echtes Verstandenwerden erwarten von der Politik überhaupt nur noch wenige Menschen. Dafür ziemlich viele von Barbara Schöneberger. Bitte sehr! Ihr Magazin Barbara hat den mit 300 Titeln nicht allzu jungfräulichen Markt der Frauen-Magazine seit 2015 bravourös aufgemischt.
Und wie genial ist das geerdete Konzept! Barbara - das verheißt der Untertitel - ist "kein normales Frauen-Magazin". Und zwar weil sein Thema gerade nicht das Besondere, sondern das Normale ist, kapiert? Im Sinne dieser bestechenden Logik wäre Schöneberger quasi als Jean d'Arc des Alltäglichen anzusprechen, verehrungswürdig in ihrem Mut, einfache Wahrheiten in Klartext zu kleiden.
Heute zum Beispiel in ihrem "Video des Tages", das zum digitalen Begleitservice des Magazins gehört. Frage: "Barbara, was sagst Du zum Thema Freundschaft?" Antwort: "Freundschaft ist ganz oft für mich so, äh, so ein Gefühl, was dann plötzlich so über mich kommt."
Danke, Barbara! Nicht nur für den außergewöhnlich gewöhnlichen Inhalt - auch für deine normale Sprache und das herrlich populäre "so, äh, so...". Du weißt, was Luther mit "Dem Volk aufs Maul schauen" gemeint hat!
Daniela - die Vulgarität veredelt
Indessen steht die einmalige Schöneberger mit Barbara nicht allein da. Die Katzenberger steht ihr zur Seite mit dem Magazin Daniela, in dem das Normale zu zünftiger Vulgarität veredelt wird: "Make up - mach's mir nach! So wirst du zur Katze."
Als hochkulturelle Alternative darf Dr. von Hirschhausens Stern Gesund Leben gelten. Der Titel traf im Januar so tief in die fragende, zagende deutsche Seele, dass das Zeitschriftenhaus Gruner + Jahr flugs 90.000 Exemplare nachdrucken musste.
"Gesundheit und die verschiedenen Wege zu ihr sind mein Lebensthema" bewirbt Hirschhausen seinen Erfolgstitel satzbaumäßig eindeutig unkatzenbergerisch.
Und jetzt auch noch JWD, das Magazin des TV-Moderators Joko Winterscheidt, dessen Kernsubstanz Jokos repräsentatives Lebensgefühl ist, dank JWD nun hunderttausendfach zu teilen.
Günther - mit dem wir anstoßen
Fassen wir das alles medienwissenschaftlich zusammen: Testimonials alias Menschen, die ihre Popularität dem Linearfernsehen und den neuen sozialen Medien verdanken, bereichern unsere Existenz, indem sie nun auch noch Papiermedien wie zu Gutenbergs Zeiten mit sich und ihrer Weltsicht bedrucken lassen.
Ob Glotze, Tablet-Display oder Kiosk - es ist grandios: Die freundlichen Führer durch unser Dasein, die wir einst selbst durch Klicks und Zappen erwählt haben, verlassen uns nirgends und nimmer mehr. Ein Ignorant, wer sich da nicht geborgen fühlt und Abos abschließt!
Stoßen wir an auf unsere Lichtgestalten. Und zwar mit einem Wein von Aldi.
Bevor jemand die Nase rümpft: Es gibt da einen Tropfen, dessen Qualität absolut herausragend sein muss.
Auf dem Etikett steht schließlich ein wahrer Gottvater-Name der Medien-Gesellschaft - kein anderer als "Günter Jauch".