Freiheitskämpfe im 19. Jahrhundert, Widerstand im Zweiten Weltkrieg, Auflehnung gegen den Kommunismus: Fast immer griff Andrzej Wajda zu den großen historischen Stoffen seines Landes und verwandelte sie in großes Kino. Zuletzt gelang ihm das 2013 mit dem Werk "Wałęsa. Der Mann aus Hoffnung".
Wajdas Film über Lech Wałęsa war nicht nur eine Hommage an den Streikführer, Solidarnosc-Vorsitzenden und Friedensnobelpreisträger. Er entblößte auch einen schwierigen Charakter, der im Alltag, in der Familie und in der Politik immer wieder zu straucheln drohte und dabei eine ganze Welt vom Kopf auf die Füße stellte.
"Die meisten meiner Filme enden ja tragisch, mit dem Scheitern derjenigen, die das Gute wollen. Hier haben wir mal einen Helden, der das Gute wollte und das Gute auch erreicht hat. Das Entscheidende ist doch, dass Wałęsa diese ganze unwahrscheinliche, unglaubliche Operation der Wende ohne Blutvergießen gemeistert hat. Das war unser größter Sieg, nicht nur in Polen, auch in Europa."
Auf ungeteilte Begeisterung stieß Wajdas Wałęsa-Film in Polen allerdings nicht. Da sich der junge Walesa in den 70er-Jahren zeitweilig mit dem kommunistischen Geheimdienst einließ, behaupteten Nationalkonservative 2013, Walesa und seine Mitkämpfer hätten nach Instruktionen aus Moskau gehandelt. Die wahren Freiheitshelden der Solidarnosco würden immer noch mundtot gemacht. In dieser Lesart war auch Andrzej Wajda auf einmal ein "postsowjetischer Einflussagent", sein Gesamtwerk ein Verrat an der polnischen Nation. Da tat man ihm Unrecht.
Studium an der Kunstakademie und der Filmhochschule
Andrzej Wajda kam 1926 in Suwałki, im Nordosten Polens, als Sohn eines Offiziers und einer Lehrerin zur Welt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs studierte er an der Krakauer Kunstakademie und absolvierte dann die Filmhochschule in Lodz. Sein Sinn für die Malerei übertrug sich auf die Kameraführung. Die Bilder dominierten über alle Worte. Bereits in den 50er-Jahren verstand es Wajda so, Themen, die für die Kommunisten Tabu waren, an der Zensur vorbeizuschleusen, etwa den gegen Hitlerdeutschland, aber auch gegen Sowjetrussland gerichteten Widerstand vieler Polen im Zweiten Weltkrieg. Davon handeln Filme wie "Die Generation" und "Der Kanal", vor allem aber "Asche und Diamant".
"Asche und Diamant" nach dem gleichnamigen Roman von Jerzy Andrzejewski porträtiert den Kampf von bewaffneten Untergrundkämpfern gegen die Etablierung der kommunistischen Ordnung in Polen 1945. Der ein wenig nach James-Dean-Art auftretende Held, gespielt von Zbigniew Cybulski, ist ein Sympathieträger, andererseits verurteilt der Film seine Terrorakte gegen die neuen politischen Machthaber. "Asche und Diamant" machte Wajda 1958 weltbekannt.
"Dieser Film hat mich als Regisseur stark geformt. Er gab mir die Chance, international zu wirken. Vielleicht wäre ich, wenn ich nach Amerika gegangen wäre, heute ein amerikanischer Regisseur. Aber ich habe immer geglaubt, dass ich mehr über die Welt sagen kann, in der ich lebe. Es ist nicht sehr angenehm, im Ausland Regie zu führen, wo der Beleuchter mehr über die Welt weiß als der Regisseur. Deshalb wollte ich nicht auswandern."
Mit dem Film "Das gelobte Land" über den kapitalistischen Goldrausch beim Aufbau der europäischen Textilmetropole Lodz oder mit dem "Mann aus Marmor" über die verlogene Moral der stalinistischen Aufbauphase in den 50er Jahren festigte Wajda seinen Ruf eines Künstlers, der die Umbrüche in Polen so zu zeigen versteht, dass sie den Kinobesucher auch in Japan und Südamerika in den Bann ziehen. Seine Kinobilder gewannen an Geschwindigkeit, wirkten mitunter wie Bewegungen in einem Tanz. Im heimischen Filmbetrieb wurde Wajda zur Übergröße, an der keiner vorbei kam, nicht einmal die Machthaber. Die Entstehung der Solidarnosc 1980 nutzte Wajda zur Abrechnung mit der sozialistischen Kulturpolitik.
"Nach Kriegsende hatten wir 4000 Kinos, jetzt haben wir 1800. Was ist denn das für eine Entwicklung der Kultur? Das Kulturministerium interessiert sich nicht so sehr für die Kultur als für die Kunst des subtilen Gesprächs mit Künstlern darüber, wie ihre eventuellen Absichten aussehen könnten. Aber das ist nicht die Aufgabe eines Ministeriums."
Wajda wurde in den 1980er-Jahren zum Aushängeschild der antikommunistischen Opposition. 1989 ließ er sich als Senator ins polnische Oberhaus wählen. 2000 erhielt er einen Oscar für sein Lebenswerk. Kurz darauf gründete er in Polen seine eigene Filmhochschule.
2007 kam dann ein Film ins Kino, der für Wajda besondere persönliche Bedeutung hatte. "Das Massaker von Katyn" zeigt, wie 1940 Tausende polnischer Offiziere vom sowjetischen Geheimdienst exekutiert wurden. Das Verbrechen war im kommunistischen Polen tabuisiert und wurde den Deutschen angelastet. Zu den Opfern des Massenmords zählte auch Jakub Wajda, der Vater des Regisseurs.
Als genialer Übersetzer brisanter historischer Stoffe in die Sprache der bewegten Bilder wird Andrzej Wajda Polen und der Welt im Gedächtnis bleiben.