Ara Güler fotografierte nicht nur. Er gab den Bildern ein Leben. Fotografie sei das Dokumentieren der Welt, sagte er einmal und die Welt- das war für ihn vor allem Istanbul. Das alte Istanbul, der Fünfziger und Sechziger Jahre waren seine faszinierendsten Motive: Kinder, die auf der Straße spielten, Männer die vor einem Café in Beyoglu sitzen oder Frauen, die bei ihrer Hochzeit tanzen. Alltagsszenen. Doch durch Gülers Kameraobjektiv wurden aus diesen Alltagsszenen Kunstwerke. Auf die Frage, ob man ihn denn Künstler nennen solle, konnte er richtig sauer werden. Mit Kunst habe er nix am Hut! "Ich bin Journalist, ein Reporter", fügte er dann an.
Und doch - selbst die großen Künstler wie Dali oder Picasso, aber auch Politiker wie Churchill oder Adenauer ließen sich von ihm ablichten.
Auch Präsident Erdogan fotografierte er. Das brachte ihm von Teilen der Gesellschaft große Kritik ein. Güler begegnete dem aber mit derselben Gleichgültigkeit wie bei allen Fragen, die seine Konfession oder politische Einstellung betrafen: "Natürlich werde ich ihn fotografieren. Ich werde auch die Moschee fotografieren, genauso die Kathedrale und auch das Staatsoberhaupt."
"Er hat in seinen Fotografien die Lyrik, die Musik all dieser Menschen eingefangen."
Auch sein langjähriger Freund, der Komponist und Schriftsteller Zülfü Livaneli, war ein Bewunderer seiner Werke, wie er dem ARD-Studio Istanbul erzählt:
"Im Mittelpunkt seiner Fotografien steht der Mensch. Neben dem ästhetischen Wert, hat seine Arbeit auch einen bedeutenden soziologischen und geschichtlichen Stellenwert. Er hat abgebildet, wie beispielsweise die Türken in den 1940er und 1950er Jahren gekleidet waren, wie sie gearbeitet haben und wie sie lebten. Er bildete damals noch übliche, heute so gut wie ausgestorbene Berufe ab: die Lastenträger oder die alten Fischer der damaligen Zeit. Er hat in seinen Fotografien die Lyrik, die Musik all dieser Menschen eingefangen."
Wenn man Ara Güler in Istanbul in dem nach ihm benannten Café Ara traf, schimpfte er oft über seine Heimatstadt. "Sie ist so hässlich geworden!". Er fluchte gern. Daran erinnert sich auch Livaneli: "Ara Güler war ein humorvoller Mensch. Und geflucht hat er... extrem viel geflucht."
Einer der besten Fotografen der Welt
Ara Gülers zählte zu den besten der Welt. Mehrfach wurde er für seine Werke ausgezeichnet. Unter anderem 1991 als "Bester Fotograf weltweit" und 1999 als "Fotograf des Jahrhunderts".
Auf die Frage, welchen Rat er jungen Fotografen mit auf den Weg geben wolle, sagte er einmal in einem Interview:
"Die sollen ihre Fotos in Ruhe lassen, sodass ihre Fotos wahre Fotos bleiben. Heute werden Fotos oftmals bearbeitet. Fotos sind aber nicht dazu da, dass man sie verfälscht. Die Fotografie ist eine kulturelle Ansammlung. Sie ist das Produkt einer Kultur."
Ara hatte die ganz Großen gesehen und die Welt bereist, aber nirgendwo war er glücklicher als in Istanbul. Hier starb "das Auge von Istanbul" auch am Mittwochabend.