Neben der documenta und den Biennalen kuratierte Okwui Enwezor weitere bedeutende Ausstellungen: Kunstkritiker Carsten Probst nannte im Dlf etwa "The Short Century" über die afrikanische Nachkriegsmoderne oder "Post War" im Münchner Haus der Kunst über die Nachkriegsmoderne in den sogenannten Bandung-Staaten. In dieser Ausstellung hatte Enwezor ein überwältigendes Aufgebot an neuen Bildthemen vorgestellt. Oder, zuletzt, seine Retrospektive von El Anatsui, des vielleicht bedeutendsten Bildhauers Afrikas, dem Enwezor bei seiner Venedig-Biennale im Jahr 2015 auch den Goldenen Löwen für das Lebenswerk zukommen ließ.
Enwezor betrieb Bildwissenschaft als politische Wissenschaft
Seit Harald Szeemann gab es in Europa – mit Ausnahme vielleicht von Catherine David – keinen Ausstellungsmacher, der nicht nur unsere Sicht auf die Kunstgeschichte, sondern auch unser aktuelles gesellschaftliches Denken so beeinflusst hat wie Okwui Enwezor. Sein maßgebliches Verdienst liegt darin, dass er es über die Präsentation von Kunst geschafft hat, den Kolonialisierungsdiskurs aus der Ecke von Mitleid und Entwicklungshilfe herauszuholen und Bildwissenschaft zu einer politischen Wissenschaft zu machen.
Enwezors kuratorische Handschrift war bestimmt von einer intellektuellen Höhe, die notwendig war und ist, um diesen Ansatz gegen massive Widerstände in der europäischen Kunstwissenschaft zu verankern. Das ist ihm gelungen, nicht zuletzt auch deshalb, weil sein Engagement in dieser Sache authentisch ist und ihm mit seiner eigenen Flüchtlingsbiografie niemand etwas vormachen konnte.
Breitenwirkung in Kassel und Venedig
Die beiden Großausstellungen, mit denen Enwezor wohl am bekanntesten wurde, die Documenta11 im Jahr 2002 und die Biennale in Venedig im Jahr 2015, waren wichtig, weil sie eine große Breitenwirkung hatten. Doch die eigentliche Pionierarbeit des Kurators waren seine Themenausstellungen, durch die er den Kolonialisierungsdiskurs in Europa nachhaltig geprägt hat.
Die unwürdigen Umstände seiner Amtsaufgabe am Münchner Haus der Kunst im vergangenen Jahr, die ihn zu Recht getroffen haben, waren fachlich und menschlich daher völlig unbegreiflich und ein schlechtes kulturpolitisches Signal obendrein.
Okwui Enwezor starb nach langer Krankheit im Alter von 55 Jahren, wie das Münchner Haus der Kunst mitteilte.