Auch auf die Entwicklung des Internets habe Neven DuMont mit Sorge geschaut, erzählte Nowottny. Trotzdem sei er von einer Zukunft für die Printmedien überzeugt gewesen und habe viel Geld investiert, um die Zeitung aktuell bleiben zu lassen.
"Er beherrschte eine breite und eindrucksvolle Palette"
Nowottny sprach im Interview mit dem Deutschlandfunk von einem "genialen" Verleger, der gleichzeitig Geld verdiente und redaktionell publizistisch tätig war: "Wenn er es schafft, seine Meinung zu einem permanenten Diskussionsgegenstand zu machen in den Zeitungsredaktionen, dann war er zufrieden."
Der Kölner Verleger Alfred Neven DuMont war am Samstag im Alter von 88 Jahren gestorben. Neven DuMont trat 1953 in den Verlag seines Vaters ein und übernahm die publizistische Leitung beim "Kölner Stadt-Anzeiger". Mitte der 60er-Jahre gründete er die Boulevardzeitung "Express". Alfred Neven DuMont galt als eine der letzten großen Verlegerpersönlichkeiten der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Das Interview in voller Länge:
Friedbert Meurer: Alfred Neven DuMont ist tot. Der Kölner Verleger starb jetzt im Alter von 88 Jahren. Neven DuMont war einer der wichtigsten Zeitungsverleger in Deutschland, in einer Branche also, die durch Internet und Digitalisierung regelrecht in einer existenzbedrohenden Krise steckt und, seien wir ehrlich, sich gelegentlich auch über uns Öffentlich-Rechtliche ärgert. Zum Medienhaus DuMont gehört der Kölner Stadtanzeiger, die Mitteldeutsche Zeitung in Halle, Hamburger Morgenpost, Berliner Zeitung, Haaretz in Israel, vorübergehend die Frankfurter Rundschau, jetzt nicht mehr. Das ist schon eine beachtliche Liste namhafter Tageszeitungen. - Friedrich Nowottny, ehemaliger WDR-Intendant, kannte natürlich hier in Köln den Verleger Alfred Neven DuMont, Ehrenbürger der Stadt Köln. Guten Morgen, Herr Nowottny.
Friedrich Nowottny: Ich grüße Sie, Herr Meurer.
Meurer: Sie haben zum 80. Geburtstag von Alfred Neven DuMont - acht Jahre ist das her - mit ihm ein Interview geführt. Können Sie sich noch daran erinnern?
Nowottny: Ja, kann ich. Das war in der Zeit, in der er gerade sich aufgemacht hatte, die Frankfurter Rundschau zu erwerben, ein neues Format zu entwickeln, um endlich überregionale Bedeutung für ein Druckerzeugnis seines Hauses zu erlangen. Ich kann mich gut daran erinnern.
Meurer: Können Sie sich noch erinnern, was Sie ihn gefragt haben, was Sie vor allen Dingen von ihm wissen wollten?
Nowottny: Nein, das kann ich natürlich nicht mehr, denn acht Jahre sind eine lange Zeit. - Nein, er war sehr aufgeschlossen und machte kein Hehl daraus, dass er im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Gefahr sah und dass er - und schon das vor acht Jahren - mit Sorge auf die Entwicklung des Netzes schaute, des Internets schaute, und das machte ihm große Sorgen.
"Er war davon überzeugt, dass es eine Zukunft für die Printmedien gäbe"
Meurer: Was hatte er gegen uns Öffentlich-Rechtliche, Herr Nowottny?
Nowottny: Er sah die öffentlich-rechtlichen Institutionen mit zu viel Privilegien ausgestattet. Ich meine, es ist natürlich eine tolle Sache: Als Verleger muss man jeden Tag seine Zeitung an den Mann bringen. Vergessen Sie nicht: Er hat ja den Express, eine Boulevard-Zeitung, gegen die "Bild"-Zeitung gegründet, die "Bild"-Zeitung, die auch mal bis zu den 68er-Unruhen in seinem Haus gedruckt wurde, und weil er sich einmischte in diese Diskussionen und mit den Demonstranten diskutierte, wurde der Auftrag gekündigt und er hat dann ein paar Jahre danach den Express gegründet. Er musste - und er wusste das sehr genau - um die Leser kämpfen, um deren Geld kämpfen, und es war für ihn unerträglich, dass der öffentliche Rundfunk von Gebühren lebte.
Meurer: Ist das so ein großer Unterschied, Herr Nowottny, wenn Sie sich an Ihre aktive Zeit beim WDR erinnern als Intendant? Ist das so ganz anders mit unseren Hörern als der Alltag eines Zeitungsverlegers?
Nowottny: Es ist schon anders, da wir jetzt ja wie früher auch schon, wie vor acht und zehn und X Jahren, Gebühren kassieren. Wir kämpfen heute um die Aufmerksamkeit, um unsere Existenz zu sichern. Aber DuMont ärgerte sich außerordentlich, dass er kein Privileg hat, das vergleichbar gewesen wäre mit dem, was den öffentlichen Rundfunk ausmachte.
Meurer: Immerhin hat Alfred Neven DuMont es ja geschafft, in Köln eine Monopolstellung zu erreichen: der Stadtanzeiger, die Rundschau, der Express. Er hat Zeitungen hinzugekauft: die Berliner Zeitung, teilweise die Frankfurter Rundschau. Wie hat er diese Ziele, wie hat er das erreichen können?
Nowottny: Er war davon überzeugt, dass es eine Zukunft für die Printmedien gäbe, und die gibt es ja auch. Er hat sich aber verlegerisch darauf konzentriert. Er hat unendlich viel investiert in ein neues Druckhaus in Köln und in ein neues Druckhaus in Halle. Er hat viel Geld reingesteckt, um einfach eine Position zu schaffen, die die Zeitung aktuell bleiben lässt und ihre herausragende Position in der Öffentlichkeit in Zukunft darstellen wollte. Sein Traum war ja immer, eine überregionale Zeitung zu machen. Das war ja die Kölnische Zeitung, die aus seinem Hause stammt, die aus dem Verlag M. DuMont Schauberg Köln stammt. Das war eine überregionale Zeitung in grauer Vorzeit und er wollte anknüpfen an diese Tradition. Es ist ihm nicht ganz gelungen.
"Eine eindrucksvolle Palette, mit der er in der Öffentlichkeit tätig geworden ist"
Meurer: Inwiefern ist es ihm nicht ganz gelungen?
Nowottny: Ja. Die Zeitungen, die er gegründet beziehungsweise weitergeführt hatte, die Kölnische, den Stadtanzeiger, das waren Zeitungen, die ein großes regionales Gewicht hatten, aber überregional eben keine Bedeutung hatten, die vergleichbar gewesen wäre mit den großen überregionalen Zeitungen.
Meurer: Es gibt, Herr Nowottny, Verleger, Zeitungsverleger, die sich nicht so sehr in die Inhalte ihrer Zeitungen einmischen, wie das Alfred Neven DuMont getan hat. War ihm das wichtiger, Kommentare für die Zeitungen zu schreiben, mal auch in die Redaktionen hineinzugrätschen, als Geld zu verdienen mit seinem Medienhaus?
Nowottny: Das war das fast Geniale an ihm, Geld verdienen und redaktionell publizistisch tätig zu werden. Das war sein Credo und er hat das gelebt. Er ist publizistisch tätig geworden, er hat für die Ostpolitik gestritten, er hat im Regionalen und Lokalen seine Meinung gesagt, und das waren lesenswerte Artikel, die er da gegeben hat. Also das war schon eine eindrucksvolle Palette, mit der er in der Öffentlichkeit tätig geworden ist.
Meurer: Muss man auch festhalten, dass er doch mit einiger Härte gegen im Zweifelsfall auch die eigenen oder eigene Journalisten vorgegangen ist?
Nowottny: Er war nicht zimperlich, nein. Er bestand darauf, dass er der Herr im Hause ist, und er hat das souverän gemacht und Herr war er ohnehin. Er hat eine Art der Darstellung gehabt, die schon großartig war. Wenn er einen Raum betrat, war jemand drin und der Raum war gefüllt und hatte Aufmerksamkeit mobilisiert. Er beherrschte die ganze Palette und er war ein guter Darsteller. Er war ja übrigens in jungen Jahren auch mal Darsteller. Ich weiß noch, als ich ihm schöne Grüße vom Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks ausrichtete und er sagte, ja, der war ja mein Kassierer. DuMont war als junger Student in München Schauspieler! Das steht wahrscheinlich in den Nachrufen heute, ich weiß es nicht, aber er war es und er war es mit Vergnügen und er erinnerte sich auch in unserem Interview an diese Zeit mit Freude.
"Alfred war Prinz Karneval"
Meurer: Man fragt sich, Herr Nowottny, wie das zusammenpasst, der kreative Schauspieler und dann doch der knallharte Verleger, Präsident der Industrie- und Handelskammer in Köln.
Nowottny: Und Ehrenbürger der Stadt Köln und Prinz Karneval. Alfred war Prinz Karneval. Einmal Prinz zu sein, der Traum eines jeden Kölners. Wie das zusammenpasst? Das ist eben diese breite Palette dieses Mannes gewesen, die er beherrscht hat. Die Schauspielerei war für ihn eine Jugenderinnerung, an die er mit Vergnügen dachte. Er hat das weit hinter sich gelassen natürlich, aber er erinnerte sich daran und er leugnete das nicht und er wusste sehr wohl, dass sein Verlagshaus nur Erfolg haben würde, wenn sich der Verleger einschaltet, wenn er aktiv tätig ist, wenn er versucht, die Redaktionen auf seine Seite zu ziehen, was ja schwer genug ist. Das sind alles Versammlungen von Individualisten. Wenn er es schafft, seine Meinung zu einem permanenten Diskussionsgegenstand zu machen in den Zeitungsredaktionen, dann war er zufrieden.
Meurer: Er hat sich ja leider, Alfred Neven DuMont, dann mit seinem Sohn Konstantin überworfen, der eigentlich das Erbe übernehmen sollte. War das der vielleicht bitterste Moment für ihn?
Nowottny: Ich vermute ja. Er ist fest davon ausgegangen, dass Konstantin das machen würde, und dass es ihm nicht gelungen ist, war auch eine Auseinandersetzung um die Frage, ist das Netz die Zukunft auch der Zeitung, oder ist es die Zeitung im Kampf gegen das Netz, so wie die Zeitung den Kampf um die Positionen gegen das Fernsehen behauptet hat. Das hat ihn tief getroffen und war für ihn bitter genug. Ein Sohn ist ja gestorben, wie man weiß, in sehr jungen Jahren - ich glaube, der war 28. Die Tochter ist heute stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende. Das ist alles etwas, was verkraftet sein wollte, und er hat es verkraftet. Er, der große Kunstsammler, der große Mäzen, der in Köln und weit darüber hinaus ein bedeutender Kunstsachverständiger war und ein großer Mäzen dazu.
Meurer: Alfred Neven DuMont, der Kölner Verleger, ist im Alter von 88 Jahren gestorben, ein Mann, der für seine Tageszeitungen lebte, sagt Friedrich Nowottny, der ehemalige Intendant des Westdeutschen Rundfunks. Herr Nowottny, schönen Dank und auf Wiederhören!
Nowottny: Ich danke Ihnen! Tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.