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Zum Tod von Claire Bretécher
Feminismus mit dem Zeichenstift

Ihr Thema waren meist die Frauen - und deren Emanzipation von den Erwartungen einer männlich dominierten Gesellschaft. Mit Feder und Farbe karikierte Claire Bretécher die linksliberale französische Bohème, ließ sich dabei aber nie vereinnahmen. Im Alter von 79 Jahren ist sie nun gestorben.

Ralf König im Gespräch mit Antje Allroggen |
Porträtfoto der französischen Comic-Zeichnerin Claire Bretécher
Mit Feder und Farbe: die französische Comic-Zeichnerin Claire Bretécher (AFP / Derrick Ceyrac)
Ob sie es damals, in den 1970er-Jahren, angenehm gefunden habe, die einzige Frau unter fast nur männlichen Zeichnern zu sein, wurde Claire Bretécher einmal gefragt. "Das war mir egal", antwortete sie rückblickend. "Weder angenehm noch unangenehm. Ich machte meine Arbeit, das war alles." Nicht ganz so nüchtern und sachlich fielen die Zeichnungen aus, mit denen die in Nantes geborene Französin zunächst in ihrem Heimatland bekannt und dann berühmt wurde.
"Ich war nie müde, zu sagen, dass sie vom Strich her die Allergrößte ist und war - also unerreicht", sagte der deutsche Comic-Zeichner Ralf König, der ihre Alben schon als Jugendlicher sammelte, im Deutschlandfunk. "Wie die Figuren sich geben, wie sie stehen, was für Verrenkungen sie machen, die Gesichtsausdrücke: Das hat sie so unglaublich toll auf den Punkt gebracht. Da könnte ich gar nicht anders als von beeinflusst sein."
Links-liberale Boheme
1963 hatte Bretécher zunächst mit René Goscinny, einem der beiden Väter von "Asterix und Obelix", zusammengearbeitet. Später zeichnete sie für die Comic-Magazine "Tintin" und "Pilote". Spätestens als ab Mitte der 1970er-Jahre ihre Serie "Die Frustrierten" im Magazin "Le Nouvel Observateur" erschien, erreichte die Zeichnerin das große Publikum. Ihre scharfen und dennoch liebevollen Karikaturen des links-liberalen Boheme-Milieus in Frankreich trafen den Zeitgeist. Mit Alltagsthemen wie Erziehung, Gleichberechtigung, Chauvinisums, Sexualität, Arbeit und Familie konstruierte sie keine Kunstwelten; in den prägnanten Strips konnten Leserinnen und Leser sich und ihre Lebenswelt unmittelbar wiederfinden.
Die französische Cartoonistin Claire Bretecher in ihrem Atelier am 1.1.1979
Claire Bretécher: "Sie hat ein ganz neues Frauenbild in den Comic gebracht"
Die französische Comiczeichnerin Claire Bretécher habe sich in einer Welt durchgesetzt, die in den späten 60er-Jahren männerdominiert war, sagte Comic-Experte Christian Gasser im Dlf. Sie dagegen nahm die Gesellschaft mit einem weiblichen Blick aufs Korn.
"Dass Claire Bretécher diese kleine Revolution gemacht hat, dass Comics eben nicht zwangsläufig Abenteuer sein müssen oder im Weltraum spielen oder mit Monstern oder so, sondern dass sie eben die spannendsten Geschichten da fand, wo die Leute auf dem Sofa sitzen und Banales erzählen: Das war das, was den Kick damals auf mich und auf viele Andere gemacht hat", erinnerte sich Ralf König in "Kultur heute". Später sei Bretécher zu Unrecht auf das Alt-68er-Thema reduziert worden: "Sie hat ja danach auch noch wunderbare Sachen gemacht."
Kampf um die Knollennase
In den 1980er-Jahren erschienen die Comicalben um die pubertierende Heldin Agrippina und ihre Freundin Bergère. Mit Knollennasen und ständig schlechter Laune kämpften sich die beiden Mädchen durchs Leben und durch ihre erwachende weibliche Sexualität. Mit nicht selten bösem Humor und früher Freizügigkeit beeinflusste Bretécher auch deutsche Cartoonistinnen und Comiczeichner wie Franziska Becker - und Ralf König:
"Am meisten beeindruckte mich eigentlich das schnell Hingerotzte. Wobei: In einem Interview sagte sie mal, das sei gar nicht so spontan. Aber das sagen mir Leute ja auch. Bis die Nase so rund ist, wie ich sie haben will, mache ich das auch manchmal mehrmals. Das sieht man nicht, aber das ist dann eben auch die Kunst."