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Zum Tod von Irina Antonowa
"Sie war eine Institution"

In Deutschland galt sie vor allem als Hüterin der sogenannten Beutekunst. Als Kunsthistorikerin und Direktorin des Moskauer Puschkin-Museums hat sie sich aber auch um die westliche Kunst verdient gemacht. Der Historiker Wolfgang Eichwede nannte Irina Antonowa im Dlf eine "wirklich große Frau".

Wolfgang Eichwede im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
Moskau: Die Direktorin des Moskauer Puschkin-Museums, Irina Antonowa.
Nicht nur für Russland ein Verlust: Die Kunsthistorikerin Irina Antonowa ist mit 98 Jahren gestorben. (ZB/Martin Schutt)
Irina Antonowa war über Jahrzehnte hin eine der wichtigsten Kunsthistorikerinnen der Sowjetunion und später Russlands. Sie hat westliche Kunst in den Osten gebracht und östliche in den Westen, beispielsweise 1995 in der legendären Ausstellung "Berlin – Moskau". Im Alter von 98 Jahren ist sie in ihrer Heimat gestorben.
Daneben war Irina Antonowa auch Kulturpolitikerin, allerdings ohne Amt. Sie kannte die so genannten "Spezfondy-Depots", die es auch im Puschkin-Museum in Moskau gab. Von 1961 bis 2013 war sie dort Direktorin und wusste von den Spezialdepots, in denen jene Kunstschätze lagerten, die die Rote Armee bei Kriegsende aus dem besiegten Nazideutschland abtransportiert hatte: die Schätze von Troja und Eberswalde zum Beispiel, aber auch Kunstwerke von Rembrandt bis van Gogh.
"Müssen nichts zurückgeben!"
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden diese Depots bekannt, und Russland und Deutschland begannen Verhandlungen. Auf der einen Seite immer mit dabei: Irina Antonowa. Auf der anderen: Professor Wolfgang Eichwede, Historiker und Gründungsdirektor der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen.
In fast allen offiziellen Gesprächen sei sie sehr hart gewesen, erinnerte sich Eichwede im Dlf. Ihr entscheidendes Argument sei gewesen: "Mein Mann ist Jude und aus seiner Familie hat nur er überlebt. Wie kann Deutschland vor diesem Hintergrund sagen: Ihr müsst zurückgeben? Wir müssen vor diesem Hintergrund gar nichts zurückgeben!"
"Große Frau, große Direktorin"
Er hätte sich allerdings gewünscht, dass Antonowa in Deutschland nicht nur "durch die Brille der sogenannten Beutekunst" wahrgenommen worden wäre, sondern dass wir sie als "Gesamtpersönlichkeit gewürdigt" hätten. Sie sei eine "wirklich große Frau, eine große Direktorin" gewesen. In der Sowjetunion habe sie als eine der ersten überhaupt an die lange verpöhnte westliche Kunst des späten 19. und des 20. Jahrhunderts erinnert. "Bei aller Härte in der Frage der sogenannten Beutekunst war sie eine aufgeschlossene und gewinnende Persönlichkeit des letzten Jahrhunderts."