"Er war schon im Kern ein besserwisserischer Professor, das muss man schon sagen. Aber er war auf der anderen Seite wieder so liebenswert, dass man ihm das irgendwo verziehen hat."
"König Kurt war ein liebevoller Begriff für einen Menschen, der Großartiges geleistet hat, über den man sich gefreut hat, dem man ein großes Zutrauen gebracht hat."
"Seine größte Stärke ist sein unbedingter Wille gewesen, etwas zu verändern, und das hat er durchgesetzt, auf jedem Gebiet."
Das sagen Weggefährten wie Biedenkopfs ehemalige Protokollchefin Heidrun Müller, sein politischer Ziehsohn und jetziger sächsischer Ministerpräsident Michael Kretschmer sowie Stefanie Friedrich, geborene Rehm, die erste sächsische Kultusministerin nach der Wiedervereinigung. Sie erinnern sich in einem Porträt des MDR an ihren ehemaligen Chef.
Kurt Biedenkopf wurde am 28. Januar 1930 in Ludwigshafen geboren. Er war Jurist, Manager, Professor, Politiker, Querdenker und Visionär. Und auch die politische Konkurrenz zollt ihm Respekt. So etwa der frühere PDS Partei- und Fraktionschef in Sachsen, Peter Porsch:
"Biedenkopf ist ein erfahrener, gescheiter Intellektueller, den man ernst nehmen muss, wenn man sich mit ihm auseinandersetzen will."
Ein prägender mehrmonatiger Aufenthalt in den USA
Kurt Biedenkopf hat sich laut eigener Aussage selbst nie als Karriere-Politiker begriffen und gesehen. Sein Anspruch war ein anderer – wie er 2010 erzählte, bei einer Festveranstaltung anlässlich seines 80. Geburtstages: "Ich fühle mich als jemand, der dem Land als Politiker gedient hat, der aber nicht seine gesamte berufliche Prägung aus der Politikertätigkeit ableitet. Und wenn mich einer fragt, was bist Du denn durchgängig gewesen, dann werde ich sagen, ich bin Lehrer gewesen, ein Lehrer, der immer lernt. Ich lerne bis heute, ich lerne dauernd, bin auch sehr neugierig."
Kurt Biedenkopf war ein Freigeist, dessen Blick auf die Welt maßgeblich bei einem mehrmonatigen Aufenthalt in den USA geprägt wurde. 1949, nur vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, erhält er als Schüler und Mitarbeiter der örtlichen Schülerzeitung eine Einladung nach New York. Für mehrere Monate darf er auch ein College der Presbyterianer in North Carolina besuchen. Dort studiert Biedenkopf Politikwissenschaft.
Verantwortung, Freiheit und Gemeinsamkeit
Und er trägt schwer an der geschichtlichen Hypothek seines Heimatlandes, mit der Gewaltherrschaft der Nazis und dem Holocaust. "Ich hatte große Bedenken, vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, mit der Katastrophe des Holocaust, jetzt nach New York zu kommen, wo sehr viele Emigranten lebten. Ich fragte mich, ob man wohl aufgenommen würde. Und eine der ersten wirklich großartigen Erfahrungen war die Art und Weise, wie man aufgenommen wurde."
Der Aufenthalt in den USA und die Begegnungen mit den Amerikanern und ihrem liberalen Staatsverständnis, sollte Biedenkopf für immer prägen. Das Prinzip der Verantwortung und der Grundsatz von Freiheit und Gemeinsamkeit werden zu seinem Leitmotiv: "Die Bedeutung dessen, was ich da erlebt habe und was mich immer weiter begleitet hat, ist mir dann später immer deutlicher geworden, als ich mehr scherzhaft aber doch auf den Punkt gebracht versucht habe, einem Amerikaner zu erklären, was wir unter ‚Vater Staat‘ verstehen. Das hat er nicht verstanden. Er hat gesagt: ‚Wenn Du von Vater Staat redest, wer sind dann die Kinder?‘"
Studium in Frankfurt - Rektor in Bochum
Zurück in Deutschland beschließt der junge Biedenkopf zunächst in München und später in Frankfurt am Main, Jura und Nationalökonomie zu studieren. 1963 habilitiert er sich in Frankfurt. Wenig später wird Kurt Biedenkopf Professor für Handels- und Wirtschaftsrecht an der neuen Universität Bochum. 1967 wird er ihr Rektor. Seine Amtszeit fällt zusammen mit der Zeit der Studentenrevolte.
"Bochum war ein Sonderfall. Es war keine traditionelle Universität wie Köln oder Hamburg oder in Münster. Da waren die Konflikte sehr viel größer. Was in Bochum domestizierend wirkte, war der Stolz der Ruhrgebietsbevölkerung auf die erste Universität im Ruhrgebiet. Kaiser Wilhelm II. hatte angeordnet, dass es im Ruhrgebiet keine Hochschulen und keine Kasernen geben darf, das sei so eine Art extraterritoriales Revier, nämlich die Waffenschmiede des Reiches."
Gefragter Ratgeber und Gesprächsgast
In der Auseinandersetzung mit den aufbegehrenden jungen Menschen erweist es sich als Vorteil, dass die Altersdifferenz zwischen ihm und den Studierenden gering ist.
Als Jurist und Wirtschaftswissenschaftler macht sich Kurt Biedenkopf Gedanken über die Gesellschaft, ihre Zukunft, den Zustand und die Veränderung der Welt. Er ist ein gefragter Ratgeber und Gesprächsgast.
1966 tritt er in die CDU ein. Zwei Jahre später übernimmt er den Vorsitz der "Kommission Mitbestimmung". Dieses Sachverständigen-Gremium, später Biedenkopf-Kommission genannt, prüfte im Auftrag der Großen Koalition in Bonn die "weitere Gestaltung der Mitbestimmung". Die Ergebnisse fließen später in das novellierte Betriebsverfassungsgesetz und das Mitbestimmungsgesetz ein. Wesentliche Pfeiler der deutschen Arbeitsgesetzgebung und wesentliche Themen der sozialen Marktwirtschaft, für die sich Biedenkopf sein Leben lang einsetzt.
Von der Wissenschaft in die Wirtschaft
1971 wechselt Biedenkopf von der Wissenschaft in die Wirtschaft und tritt in die zentrale Geschäftsführung des Henkel-Konzerns in Düsseldorf ein. Er fühlte sich wie ein Auszubildender, scherzte Kurt Biedenkopf bei der Festveranstaltung anlässlich seines 80. Geburtstages: "Konrad Henkel hielt mich für den teuersten Lehrling in Deutschland. / Und hatte er recht? / Ja sicher, weil ich nie in einer industriellen Großorganisation in der Spitzengruppe mitgearbeitet und das war unglaublich anstrengend."
1973 will Helmut Kohl, der als Reformer in der CDU gilt, den umtriebigen Kurt Biedenkopf nach Bonn locken – mit dem Angebot, Generalsekretär in der CDU zu werden. "Und da bin ich zu meinem ‚Meister‘ – sage ich jetzt ganz bewusst – Konrad Henkel gegangen, und habe ihn gefragt. Und da hat der Mann zu meiner großen Überraschung in Englisch zu mir gesagt: ‚This is a call to public duty‘. Also das ist ein Aufruf der öffentlichen Verantwortung, das müssen Sie machen. Ja, dann habe ich es gemacht."
Zerwürfnis mit Kohl
Vier Jahre lang übt Kurt Biedenkopf dieses Amt aus, dann werden ihm höhere Ambitionen nachgesagt. CDU-Chef Kohl hegt zunehmend Misstrauen gegen seinen Parteifreund, der auch aus Ludwigshafen stammt. Kohl reibt sich an der intellektuellen Unabhängigkeit Biedenkopfs; es kommt zum Zerwürfnis, das das Verhältnis beider Politiker lange prägen wird.
1976 wird Biedenkopf in den Bundestag gewählt, nebenher ist er in Bonn als Anwalt tätig. Gemeinsam mit einem Freund, dem Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel, eröffnet er das Institut für Wirtschaft und Gesellschaft, das Biedenkopf empirisches Material für die politische Arbeit liefern wird.
"Und in dieser Zeit haben wir, Meinhard Miegel und ich, eigentlich alle wesentlichen Probleme identifizieren können. Die Gefahren eines expandierenden Haushalts, die Probleme, die auf die Rentenversicherung mit dem Altern der Bevölkerung zukommen, dieselben Fragen im Gesundheitssystem und im Arbeitsmarkt. Und wir haben immer gesagt, wir müssen das als Ganzes sehen, wie sich das gegenseitig beeinflusst und wie es untereinander funktioniert. Und diese Vorstellungen, aus denen haben wir Ordnungsgedanken abgeleitet, die natürlich ihren Fundus in der sozialen Marktwirtschaft hatten."
Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag
1980 tritt Kurt Biedenkopf kurzfristig zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen an, verliert jedoch knapp gegen die SPD mit Johannes Rau. Biedenkopf wird Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag, bis er 1987 wieder in den Bundestag zurückkehrt.
Die Nachricht vom Mauerfall ist ein weiterer Wendepunkt in seinem Leben. Für ihn ist es – wie er später in seinem Tagebuch notiert – "die erste Revolution in Deutschland, die friedlich verlaufen ist und erfolgreich war. Eine Bewegung, die nicht von oben nach unten ging, sondern umgekehrt, von unten nach oben."
Einige Wochen später reist er zusammen mit seiner Tochter nach Leipzig, wo er mit dem ehemaligen Gewandhauskapellmeister Kurt Masur zusammentrifft, der während der friedlichen Revolution als Mitglied der Gruppe der "Sechs von Leipzig" eine prägende Rolle eingenommen hatte. Im Gewandhaus kommt es zu einer sehr emotionalen Begegnung: "Da stimmte der Organist die Toccata und Fuge von Bach an, dieses unglaublich dramatische Werk und ich habe geheult wie ein Schlosshund, meine Tochter hat geheult wie ein Schlosshund, Kurt Masur und ich haben uns umarmt und ich habe gesagt, ich möchte etwas für Euch tun."
Zweite politische Karriere in Sachsen
Das macht Biedenkopf dann auch. Er engagiert sich in der Noch-DDR und übernimmt im Frühjahr 1990 eine Gastprofessur an der Leipziger Karl-Marx-Universität. Fachgebiet: Wirtschaftspolitik.
Es ist der Auftakt für eine beispiellose zweite politische Karriere, die eng mit der aufstrebenden CDU in Sachsen verbunden ist. Kurt Biedenkopf, der prominente "Westimport", wird von der Partei zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen am 14. Oktober 1990 gemacht. Es ist die erste freie Abstimmung seit 1933 und Biedenkopf holt direkt die absolute Mehrheit. Kurz darauf wird er zum Ministerpräsidenten gewählt:
"So wahr mir Gott helfe. / Herr Ministerpräsident, Sie haben die Eidesformel gehört, ich bitte Sie die rechte Hand zu erheben und die Worte zu sprechen, so wahr mir Gott helfe! // So wahr mir Gott helfe."
Ausgangslage alles andere als rosig
Selbst Kanzler Helmut Kohl findet lobende Worte für den frischgebackenen Landesvater: "Mit ihm gewinnt Sachsen für diese entscheidende Führungsfunktion einen Mann, der auf Grund seines Lebensweges, seiner Kenntnisse gerade jetzt, in dieser Stunde der Weichenstellung in eine bessere Zukunft, der richtige Mann am richtigen Platz ist."
Ansonsten versuchte Helmut Kohl, Termine in Sachsen zu umgehen, die zerrüttete Beziehung, die alte Rivalität zu Biedenkopf wirkte nach.
Für Biedenkopf ist die Ausgangslage im neu gegründeten Freistaat alles andere als rosig, wie sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Laudatio zum 80. Geburtstag Kurt Biedenkopfs erinnert: "Eine ziemlich marode Wirtschaft, hohe Arbeitslosigkeit, eine ineffiziente Verwaltung – die zentrale Planwirtschaft hinterließ ein schweres Erbe. Kurt Biedenkopf aber nahm die Herausforderung an. Er investierte gezielt in industrielle und technologische Zukunftscluster, diese brachten dem Bundesland Tausende neue, wirtschaftlich tragfähige Arbeitsplätze. Er holte bedeutende Unternehmen nach Sachsen wie Siemens, AMD, Volkswagen, BMW, Porsche und andere mehr."
Stärkung des Wissenschaftsstandorts Sachsen
Diese so genannte Leuchtturmpolitik führt in den nachfolgenden Jahren immer wieder zu heftiger Kritik aus den Reihen der Opposition, die beklagt, dass der Mittelstand angesichts der hohen Fördersummen für die großen Unternehmen zu kurz komme. Andererseits ziehen die Leuchttürme kleinere Ansiedlungen nach sich – in einer Zeit, in der die unrentablen, veralteten DDR-Betriebe abgewickelt werden.
Biedenkopf setzt auch auf eine Stärkung des Wissenschaftsstandortes Sachsen. Und entwickelt sich zugleich zu einem starken Anwalt für den Osten: "Wenn ich höre, wir haben ja im Westen so viel Geld für Euch bezahlt, dann kann ich nur sagen, zahlen wir denn keines? Wo ist denn das Geld von Westdeutschland hingeflossen? Zum großen Teil wieder in westdeutsche Produkte, weil wir die gar nicht herstellen konnten. Das heißt, wir sind doch eine Gemeinschaft. Dass ich hier aufgenommen wurde, hing damit zusammen, dass die Chemie stimmte, nicht damit, dass die Herkunft stimmte."
Gespräch mit entmutigten, ratlosen Arbeitern
Biedenkopf geht auch dahin wo es wehtut, sucht das Gespräch mit entmutigten, ratlosen Arbeitern, deren Betriebe gerade abgewickelt wurden, so wie etwa im Sachsenring-Werk in Zwickau. Davon erzählt er Anfang 2020 anlässlich seines 90. Geburtstages.
"Vor dem Werk stand eine etwas größere Menge von Menschen, da habe ich angehalten. Da haben sie gesagt, ‚Herr Ministerpräsident, wie soll das denn mit uns weitergehen?‘ Und es war wirklich fast emotional. Und da habe ich sie gefragt: ‚Wer von euch wird in Zukunft einen Trabi kaufen?‘ – keine Hand ging hoch. Und da habe ich gesagt: ‚Seht ihr, das ist, was wir machen müssen, etwas, was ihr kaufen würdet."
Ehepaar Biedenkopf ist unzertrennlich
In dieser Zeit wenden sich viele Bürger an Ingrid Biedenkopf, die schon bald ein eigenes Büro in der Staatskanzlei erhält, um die Flut der Post zu bewältigen. Die Gattin wird zum Seismographen der gesellschaftlichen Befindlichkeiten, doch das Büro gerät schnell zum politischen Zankapfel, da die Frau des Ministerpräsidenten kein offizielles Mandat innehat.
Das Ehepaar Biedenkopf ist unzertrennlich, erinnert sich der SPD-Politiker und langjährige Biedenkopf-Kritiker Karl Nolle in einer MDR-Sendung: "Das heißt, bei Biedenkopfs muss man immer die Ingrid mitzählen, das ist sozusagen sowohl sein Schicksal, wie auch sein Glück."
Ingrid ist Biedenkopfs Stärke und zugleich seine Achillesferse, wie sich später noch erweisen wird. Heidrun Müller, die ehemalige sächsische Protokollchefin: "Es ist da kein Blatt dazwischen zu bringen, und ich glaube einfach, dass das so ist, dass das nicht gespielt ist. Die lieben sich und Ingrid darf alles. Sie darf dazwischenreden, bei jedem Fernsehauftritt oder wenn er irgendwo einen Auftritt hat, Ingrid sagt Ihre Meinung dazu."
Erstarken der rechtsgerichteten Kräfte falsch eingeschätzt
Mit ihrer bestimmten, manchmal herrischen Art macht sie sich nicht nur Freunde, vor allem bei Mitgliedern des Kabinetts. Die leben in den frühen 90er-Jahren zeitweilig in einer Wohngemeinschaft mit den Biedenkopfs.
Diese WG in der Dresdner Schevenstraße bringt aber noch mehr politischen Ärger. Die "Mietaffäre" und der Vorwurf, dass die Biedenkopfs zu allzu günstigen Konditionen in einer großen Villa residiert und Sonderleistungen auf Staatskosten genossen haben, sorgt für politischen Wirbel, der nach längerer Prüfung jedoch weitgehend verpufft.
Als größter Fehler wird Kurt Biedenkopf in der Rückschau zugeschrieben, das Erstarken der rechtsgerichteten Kräfte in Sachsen falsch eingeschätzt zu haben, obwohl der Freistaat bereits 1991 eine Sonderkommission zur Bekämpfung des Rechtsextremismus unter Innenminister Heinz Eggert eingerichtet hatte. Der ehemalige PDS-Landesvorsitzende Peter Porsch: "Wenn er damals gesagt hat, die Sachsen sind gegen alles rechte immun, dann wissen wir heute, dass er sich getäuscht hat."
CDU-Spendenaffäre belastet
Doch Biedenkopf bleibt lange bei seiner Auffassung, dass der Rechtsextremismus in erster Linie aus dem Westen der Republik nach Sachsen getragen worden sei, wo er zwar eine Protesthaltung aber keine strategische Kraft habe entfalten können.
1999 tritt Biedenkopf noch einmal an zur Landtagswahl. Unter dem Eindruck der CDU-Spendenaffäre und den desaströsen Auswirkungen auf die Partei, wie er Anfang 2020 erzählt. "Und dann haben meine engsten Freunde gesagt, du kannst jetzt nicht gehen. Wenn du gehst, dann bringst du das ganze Gebäude durcheinander."
Die Landtagswahl 1999 wird für ihn zum Triumph – die CDU holt gut 55 Prozent. Doch in der Bundes-CDU herrscht derweil große Unruhe. Immer mehr Details der Spendenaffäre und eines Systems schwarzer Kassen in der Ära Helmut Kohl kommen ans Licht. Kohl selbst schweigt. Die Partei ist zerrissen.
Biedenkopf-Dämmerung in Sachsen
In einem legendären Artikel in der FAZ vom 22. Dezember 1999 fordert die aus dem Osten stammende Generalsekretärin Angela Merkel die CDU zur Abnabelung von ihrem großen alten Mann auf. Das war in den Augen vieler Parteifreunde ein unerhörter Vorgang. Doch Biedenkopf stärkt ihr den Rücken und zollt ihr Respekt: "Kein westdeutscher CDU-Politiker hätte den Mut gehabt, den Angela Merkel damals hatte. Die CDU hätte unter diese Hypothek ohne die Bereitschaft von Helmut Kohl, sich wirklich zu erklären, nicht tragen können, sie hätte jahrelang gelitten."
Aber auch "König Kurt", wie ihn seine Anhänger nennen, ist nicht mehr unantastbar. 2001 herrscht in Sachsen Biedenkopf-Dämmerung. Mit einem Einkauf bei IKEA und der Forderung, 15 Prozent Preisnachlass zu bekommen, löst Ingrid Biedenkopf die so genannte "Rabattaffäre" und damit auch den Sturz des langjährigen erfolgreichen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf aus.
Dankbarkeit für das Leben
Es ist nur noch das Tüpfelchen auf dem "i", schon länger tobt der parteiinterne Streit um seine Ablösung an der Spitze des Freistaates. Einen Nachfolger hat er nicht aufgebaut. Im April 2002 tritt er zurück, sein Amt geht an den von ihm ungeliebten Nachfolger Georg Milbradt, der seit 1990 fast ununterbrochen als Finanzminister die Geschicke des Freistaates mitgestaltet hat.
Es ist ein bitteres Ende, wie auch Michael Kretschmer, der derzeitige sächsische Ministerpräsident, in einer Sendung des MDR zum 90. Geburtstag von Kurt Biedenkopf einräumt: "Nein, es war kein schöner Abschied und es war vor allem auch, wenn man die Geschichten da hört, alles ein Stück weit unnötig und auch in keiner Weise relevant für die Lebensleistung."
Kurt Biedenkopf bleibt nach seinem Abschied als Ministerpräsident ein gefragter Ratgeber für die Politik und ein gefragter Rechtsanwalt. War er ein Glücksfall für Sachsen? Oder war Sachsen ein Glücksfall für ihn? Kurt Biedenkopf zieht eine andere Bilanz: "Es ist Dankbarkeit! Dankbarkeit für das Leben, das ich bis heute haben führen dürfen, Dankbarkeit für das Zusammensein mit meiner Frau."