Archiv

Zum Tod von Lord George Weidenfeld
Der philanthropische Publizist

Von Michael Köhler | 20.01.2016
    Über drei Dinge war er im letzten Lebensjahr besonders froh. Er hatte die Blavatnik School of Government in Oxford aus der Taufe gehoben, eine Fluchthelferorganisation für syrische Familien unter dem Namen "Safe Haven" gegründet und einen Preis für den besten britischen Verlag bekommen.
    "Mit großem Stolz, dass wir im Jahre 2015 von der Publishers Association den Preis bekommen haben als der beste Verleger. Also jetzt, 70 Jahre nach der Gründung."
    Er war Ehrensenator zahlreicher Universitäten, hat Konferenzen zum Transformationsprozess in Osteuropa nachdem Fall des Eisernen Vorhangs angestoßen, war wichtiger Verleger, Publizist, Brückenbauer, Diplomat und Kulturmensch. Dabei war der Lebensweg alles andere als rosig. Eine "sonnige Jugend", die der Vater ihm schenken wollte, hatte er nicht.
    "Der Antisemitismus in meiner Jugend, war wie ein roter Faden in meiner Erfahrung als junger Mensch in Österreich. Es war eine unangenehme Zeit schon vor den Nazis. Es war eine antisemitische Strömung von Anfang an, zunächst einmal auf Gummisohlen, bevor es war auf Stiefeln."
    Drei Loyalitäten: Israel, England, Deutschland
    Am 15. März 1938 holten Braunhemden seinen Vater ab. Auf dem Tisch lagen noch Gedichte von Heinrich Heine aufgeschlagen. George Weidenfeld konnte aus Wien nach London fliehen. In England angekommen, wurde er mit nicht ganz zwanzig Jahren, der jüngste BBC Journalist und diplomatische Korrespondent. Seine Beziehungen aus jener Zeit verhalfen ihm später zu verlegerischen Erfolgen. Er verlegte die Memoiren von Staatsmännern wie Adenauer, Kissinger, de Gaulle und vielen anderen.
    "Ja also, während des Krieges hatte ich Gelegenheit, Kontakte zu haben mit den alliierten Regierungen, den sogenannten Exilregierungen. Daher kannte ich de Gaulle schon während des Krieges. Ich habe in den ersten Nachkriegsjahren ganz egoistisch meine Kontakte benützt als Verleger, um mich zu vergewissern wie es eigentlich gewesen ist, bin ununterbrochen rumgefahren, habe Leute wie Albert Speer verlegt und, Dönitz und so weiter."
    Sein 1948 gegründeter Verlag Weidenfeld und Nicholsen hat nicht nur belletristische Erfolge vorzuweisen wie den damaligen Skandalroman "Lolita" von Vladimir Nabokov, sondern auch zahlreiche historische Bücher über Deutschland. Weidenfeld hat selber über Propagandaminister Joseph Göbbels veröffentlicht.
    "Ich habe drei Loyalitäten. Die erste ist zu meiner Familie im weitesten Sinn, das ist der Stamm Juda, Israel, Zionismus. Die zweite Loyalität gilt den Engländern, die mir eine neue Existenz und wahnsinnige Chancen gegeben haben, mich zu entwickeln. Die dritte Rolle, ist die kompliziertere Rolle, zur deutschen, zur europäischen Kultur, in Musik, in Literatur vor allem."
    Einer der letzten alteuropäischen Kulturbotschafter und Brückenbauer
    Bei allem war er eben doch auch ein Vertreter der europäischen und deutschen Kultur. Vom sprachbegabten Vater hatte er Wagner und Verdi, Shakespeare Molière und Goethe lieben gelernt.
    Nicht unstolz war er auch auf die jahrelange enge Bekanntschaft mit Papst Johannes Paul II., dessen Erinnerungen George Weidenfeld auch verlegte.
    Der stets hoch elegant gekleidete Mann, der auch bei unserem Interview vor drei Monaten in Manschettenhemd und Krawatte in seiner Bibliothek am Themseufer saß, konnte Menschen gewinnen. Legendär sind seine George Dinners gewesen.
    "Ich liebe Geselligkeit. Ich liebe, interessante Leute zusammenzubringen, die sich nicht kennen zum Beispiel."
    Und das konnte er. Egal, ob Dirigent oder Diplomat. Lord Goerge Weidenfeld of Chelsea in The County of Greater London, wie er durch Ritterschlag der Queen seit 1969 hieß, war einer der letzten alteuropäischen Kulturbotschafter und Brückenbauer. Noch zuletzt trieb ihn die Idee eines neuen politischen Verlages um.