"Wenn du unsere Methoden, uns Material zu beschaffen, Anarchismus nennst, dann kann ich dir nur sagen, dass deine Leute und du das ändern müssen und nicht wir!", sagt Balla in "Spur der Steine".
Der Zimmermann Hannes Balla, der auf einer DDR-Großbaustelle gegen die starren Regeln der Planwirtschaft rebelliert, war die Rolle seines Lebens – ein rauer Kerl mit eigenen Ansichten, der sich vom Parteisekretär – der in der DDR die Staatsmacht verkörperte – nichts sagen lässt. Krug wusste, wie Arbeiter denken. Als 16-Jähriger absolvierte er eine Lehre im Stahl- und Walzwerk Brandenburg, arbeitete am Schmelzofen zog sich durch einen Spritzer flüssigen Metalls die markante Narbe auf seiner Stirn zu.
Als er danach die Staatliche Schauspielschule in Ostberlin besuchte, achtete er darauf, sich keine falschen Töne anerziehen zu lassen – im wörtlichen und im übertragenen Sinn: Sozialistische Phrasen waren ihm ebenso zuwider wie übertriebenes Bühnenhochdeutsch.
Mit 20 stand er zum ersten Mal vor der Kamera, fünf Jahre später schaffte er seinen Durchbruch. In der Filmkomödie "Auf der Sonnenseite" verkörperte er einen jungen Stahlschmelzer, der nach Feierabend in der Laienspielgruppe seines Betriebs mitmacht und schließlich zur Schauspielschule delegiert wird.
"Der Poet Heinz Calau und die Poetin Gisela Steineckert, die nahmen sich meines bis dahin gelebten Lebens an und meinten, da sollte man ein Drehbuch daraus machen. Ich konnte nur sagen, aufstrebend, wie ich damals war, auch spitz darauf, dass man von mir Kenntnis nahm, ich fand mich ja toll. Da habe ich gesagt, machen wir."
Krug wirkte selbst in einem Propagandaschinken unangepasst
Natürlich besaß die Filmkomödie auch eine politische Bedeutung. Sie kam kurz nach dem Bau der Berliner Mauer in die Kinos und sollte die DDR-Bevölkerung davon überzeugen, dass sie auf der Sonnenseite lebt. Doch trotz der politischen Botschaft liebten die Zuschauer diesen Film. Krug spielte seine Rolle mit so viel Charme und Witz, dass er selbst in einem Propagandaschinken unangepasst wirkte. Und singen konnte er auch – im Film zur Gitarre, kurze Zeit später bei der Band "Jazzoptimisten Berlin".
Krug sang Jazz, aber auch selbst geschriebene Chansons. 1970 wurde ihm sogar ein Opernengagement angeboten. Er sang den Rauschgifthändler Sporting Life in George Gershwins "Porgy & Bess" an der Komischen Oper Berlin.
"Ich war der Einzige, der in diesem ganzen Ensemble nur einmal besetzt war. Die hätten in meinem Fall lieber gesagt: Wir lassen die Vorstellung lieber ausfallen, ehe wir den Krug wegen Heiserkeit rausschmeißen."
Krug sang die Rolle sechseinhalb Jahre, und das, obwohl er eigentlich permanent auf Drehterminen war. 1976 unterschrieb er eine Protestresolution gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermanns und setzte damit seiner Karriere in der DDR ein Ende.
1977 konnte er in den Westen ausreisen – mit Familie und fünf Autos aus seiner kostbaren Oldtimer-Sammlung. Seinen Star-Status musste er sich aber neu erarbeiten. Er trat als Clown in der Sesamstraße auf und bald auch in zahlreichen Fernsehserien. Der Drehbuchautor Jurek Becker, mit dem er in jungen Jahren in Ostberlin in einer Wohngemeinschaft gelebt hatte, schrieb ihm die Rolle des Anwalts Liebling aus Berlin-Kreuzberg auf den Leib. Seine liebste Rolle war jedoch die des Fernfahrers Franz Meersdonk in der Serie "Auf Achse". In 86 Folgen fuhr er bis nach Lateinamerika…
"Ich habe außer Australien jeden Erdteil gesehen. Ich war nicht in Hotels oder irgendwo am Strand, sondern da, wo das jeweilige Volk auch arbeitete. Das war schön und lehrreich und hat mich duldsamer und schlauer gemacht."
Ein besonderer Schauspieler
Manfred Krug blieb der Spezialist für geerdete Charaktere, direkt und volksnah – weshalb er auch gern für Werbespots eingesetzt wurde. Seit 2001 nahm er keine Rollenangebote mehr am. Er wollte seine Rente genießen – und das gelang ihm auch. Krug war ein Familienmensch. Seiner Frau Ottilie hielt er mehr als fünf Jahrzehnte die Treue. Und er war stolz drauf:
"Die denken, alle Schauspieler lassen sich scheiden. Nichts. Gerade anders wird's gemacht."
Manfred Krug war ein Mensch, der nie wie andere sein wollte. Seine Ecken und Kanten hat er nie verborgen – er hat sie zum Markenzeichen gemacht.
"Dieses Aufräumen, das viele Menschen, wenn sie den Tod nahen fühlen, treiben –habe ich nicht. Wer bis jetzt nicht verstanden hat, was du für ein netter Typ bist, Manfred, sage ich zu mir, der soll so sterben. Du hast oft genug gesagt, wer du bist und warum du so bist. Mehr musst Du nicht erklären."
Manfred Krug konnte streiten und sich wieder versöhnen, doch angebiedert hat er sich nie. Auch das liebte man an ihm. Er war ein besonderer Schauspieler und ein Original.