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Zum Tod von Montserrat Caballé
Die letzte große Operndiva

Montserrat Caballé war eine Operndiva im besten Sinne. Und eine der ersten, die den Schritt in die Popmusik wagte. Dlf-Opernkritiker Uwe Friedrich schaut auf die internationale Karriere der Sopranistin und erinnert an ihre unvergleichlichen Piani und ihren Humor.

Uwe Friedrich im Gespräch mit Anja Reinhardt |
    Ein schwarz-weiß Porträt der singenden Sopranistin Montserat Caballe
    Sie hat auch noch mit 80 auf der Bühne gestanden: Montserrat Caballé (1933-2018) (imago / Sven Simon)
    Anja Reinhardt: Montserrat Caballé mit der Arie "Signore, ascolta!" aus Puccinis Oper "Turandot" – heute Morgen ist Montserrat Caballé im Alter von 85 Jahren gestorben. Opernfreunde kennen sie natürlich, aber eben nicht nur die, denn durch ihre Zusammenarbeit mit dem britischen Sänger Freddie Mercury für den Song "Barcelona" wurde die Sopranistin auch einem Massenpublikum bekannt. Eigentlich war sie berühmt für ihr Belcanto-Repertoire, ihr Lieblingskomponist aber war Richard Strauss, seine Lieder habe sie besonders gern gesungen, sagte sie. Aber egal ob Strauss oder Donizetti – sie sang immer mit diesem hellen, weichen Schmelz, der sie doch ziemlich deutlich von ihrer Freundin Maria Callas unterschied.
    Unser Opernkritiker Uwe Friedrich hat "La Superba", wie sie genannt wurde, auch live erlebt. Sie galt ja als die letzte große Diva der Oper, den Begriff hat sie selbst allerdings immer abgelehnt – trotzdem, Uwe Friedrich, geht mit ihrem Tod auch ein Stück Operngeschichte zu Ende?
    Uwe Friedrich: Auf jeden Fall, denn sie war auch eine Frau, die diesen Diven-Begriff noch füllen konnte, die auch lustvoll Hof gehalten hat vor ihren Verehrern, die schon auch wegen ihrer Körperfülle an diese Comic-Figur Bianca Castafiore von "Tim und Struppi" denken ließ - und das auch selbst ironisiert hat. Und "Diva" oder "Primadonna assoluta" - das hat ja immer so etwas mit eben "unvergleichlich", "die Einzige", "die Göttliche" zu tun; und inspiriert und letztlich - was große Kunst ausmacht - dann doch unerklärlich, was uns alle so berührt hat an dieser Stimme, an diesem Gesang - in diesem Sinne war sie selbstverständlich eine Operndiva.
    Ihre internationale Karriere begann sie erst mit 30 Jahren
    Anja Reinhardt:: Sie hat ja noch mit über 80 Jahren auf der Bühne gestanden – heute sind Sängerkarrieren viel schneller vorbei und auch viel enger im Repertoire. Für was steht denn Montserrat Caballé und wie anders ist das heute?
    Uwe Friedrich: Sie hat auch sehr früh angefangen, sie debütierte schon mit 23 Jahren. Hat dann allerdings die Tour durch die kleineren Häuser gemacht - Basel und Bremen waren solche Stationen - und hat dort das gesamte Repertoire rauf und runter gesungen. Diese Chance haben Sänger heute kaum noch. Weil eben die kleinen Häuser, wenn sie denn noch exisiteren, auch ein sehr viel ausgedünnteres Repertoire haben. Da können die Sänger diese Erfahrungen gar nicht mehr sammeln.
    Ihre große internationale Karriere begann erst mit Anfang 30, als sie einsprang in New York für Marilyn Horne. Heute sagt man jungen Hochschulabsolventinnen und -absolventen, ihr müsst es unter 30 geschafft haben, die große Karriere angefangen zu haben, sonst wird das nichts mehr. Und damit hängt auch zusammen, dass viele Sänger schnell verschlissen werden, dass die Rollen angeboten bekommen, denen sie dann nicht widerstehen können, weil dieser Zeitdruck ist. Montserrat Caballé hat auch erzählt, ihr sei "Elektra" relativ früh angeboten worden - apropos Lieblingskomponist Strauss - und sie sei auch versucht gewesen, das anzunehmen, habe aber dann kluge Berater gehabt und das nicht gemacht. Also, das gehört auch dazu, Rollen abzulehnen, die der Stimme nicht so gelegen sind. Und der Druck - das kann man nicht oft genug betonen - auf junge Sänger ist sehr viel größer als er früher war heute.
    "Ein Piano wie sie es gesungen hat, das war unvergleichlich"
    Anja Reinhardt:: Ihre stimmlichen Qualitäten, die standen ja außer Zweifel, aber es wurde doch immer bemängelt, dass es ihr an Ausdruck fehle. Wie ist sie mit dieser Kritik umgegangen?
    Uwe Friedrich: Das ist der alte Streit unter Opern- und Stimmliebhabern. Möchte man diesen Ausdrucksgesang - für den vor allem die späte Maria Callas steht, auch andere Sänger, die dann viele Effekte einbauen, um uns zu zeigen mit Schluchzen und Drücken, wie unglaublich ergriffen sie von ihrem eigenen Gesang sind und wie ergriffen wir auch sein sollen. Montserrat Caballé stand für eine andere Tradition, die eben des schönen Gesangs, einer gesanglichen Künstlichkeit, die uns berühren soll. Mir persönlich gefällt das viel besser, ist diese Art der Virtuosität ohne auf Effekte zu setzen, viel, viel lieber, viel näher. Sie selbst hat gesagt, sie hat die großen Vorgänger, gerade der spanischen Gesangstradition, die immer so einen leichten, dramatischen Biss in der Stimme hat, die habe sie lange studiert, auch die Zarzuela-Sänger, um Nachzukreieren wie die ihre Piani gesungen haben. Und dafür war sie ja vor allem berühmt, das muss man erst mal können, so ein Piano wie sie es gesungen hat, das war unvergleichlich.
    "Auch menschlich eine beeindruckende Frau"
    Anja Reinhardt:: Und wir müssen auch noch ganz kurz über Freddie Mercury sprechen, über ihren Schritt in die Popmusik. Weil da war sie ja schon eine der ersten, oder?
    Uwe Friedrich: Und das hat ihr offensichtlich Spaß gemacht! Wenn man sich das Video anguckt von "Barcelona", merkt man auch da wieder diesen Humor, diese Ironie, die sie ausgezeichnet hat. Und bei Freddie Mercury muss man noch erwähnen, der ist ja an den Folgen von AIDS gestorben, in einer Zeit, als das noch ein ganz großes Tabu war und gesellschaftlich geächtet. Sie hat da immer zu gestanden, hat ihn unterstützt, hat sich zu dieser Freundschaft bekannt, also auch menschlich eine beeindruckende Frau, die nun von uns gegangen ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.