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Zum Tod von Peter Esterházy
"Für eine Generation die Sprache der Literatur beeinflusst"

Der im Alter von 66 Jahren gestorbene Peter Esterházy sei Bahnbrecher für die sogenannte postmoderne Literatur gewesen, sagte der ungarische Schriftsteller György Dalos im DLF. Sein historischer Name, Esterházy, sei auch sein Schicksal gewesen und habe ihn auch nachhaltig in seiner Karriere behindert.

György Dalos im Gespräch mit Kathrin Hondl |
    Der ungarische Schriftsteller Peter Esterhazy am 12. Oktober 2014 in der Paulskirche in Frankfurt am Main am Rande der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels
    Der ungarische Schriftsteller Peter Esterhazy (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Kathrin Hondl: Ungarn und die ganze europäische Literaturwelt trauern. Mit nur 66 Jahren ist gestern in Budapest der Schriftsteller Peter Esterházy gestorben. Ein Großer der europäischen Literatur, Träger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, ein Meister der postmodernen Ironie.
    O-Ton Lachen:
    O-Ton Peter Esterházy: "Ich möchte so schreiben, wie dieses Lachen ist. Das ist ein freies, freches, heiteres und verzweifeltes Lachen, alles so zusammen. Das finde ich sehr schön. So will ich schreiben."
    O-Ton Lachen:
    Hondl: So wollte er schreiben, sagte Peter Esterházy, und es gelang ihm auch, so die Literaturkritikerin Sigrid Löffler heute im Deutschlandradio Kultur.
    O-Ton Sigrid Löffler: "Peter Esterházy, der war eigentlich immer der große Ironiker. Das war deshalb wichtig, weil zu Zeiten des Kommunismus war natürlich Ironie ein ästhetischer Widerstand gegen den sozialistischen Realismus. Ironie macht einen ja ungreifbar, man kann den Kommunismus und die Zustände kritisieren, aber deshalb war er dadurch unangreifbar. Man kann sagen, Peter Esterházy war sozusagen ein übermütiger Melancholiker."
    Hondl: So also Sigrid Löffler über Peter Esterházy, der gestern viel zu früh mit 66 Jahren in Budapest gestorben ist. - "Man muss alles versuchen. In die Sackgassen muss man auf ganz neue Weise hineinspazieren." Das schrieb Peter Esterházy in seiner "Einführung in die schöne Literatur". 1986 ist dieses Buch erschienen und es gilt als eine Art Wendepunkt in der ungarischen Literatur. Vor der Sendung habe ich mit dem ungarischen Schriftsteller György Dalos über Peter Esterházy gesprochen und ihn gefragt: Welche Rolle, Herr Dalos, hat Peter Esterházy da mit seiner "Einführung in die schöne Literatur" gespielt, in der ungarischen Literatur und für die ungarische Literatur?
    Der ungarische Schriftsteller György Dalos zu Gast im Studio von Deutschlandradio Kultur.
    Der ungarische Schriftsteller György Dalos 2015 zu Gast im Studio von Deutschlandradio Kultur. (Deutschlandradio - Andreas Buron)
    György Dalos: Ja dieses Buch speziell, das war sozusagen ein Bahnbrecher für die sogenannte postmoderne Literatur und hat wirklich für eine Generation die Sprache der Literatur beeinflusst. Es ging darum, dass die ungarische Literatur immer noch ein bisschen im anekdotischen Stil des 19. Jahrhunderts geblieben ist, und die wirkliche Stärke der Sprache hat sich eher in der Lyrik und nicht in der Prosa gezeigt. Bei Esterházy dominiert die Sprache. Der Text hat sogar manchmal die Tendenz, als eigene Parodie aufzutreten.
    Hondl: Wie sind diese Texte eigentlich aufgenommen worden damals in Ungarn, jetzt jenseits der Literatur?
    Dalos: Esterházy hatte von Anfang an, schon wegen frühen kleinen Büchern, Novellen vor allem, immer schon seine Anhängerschaft. Aber im Großen und Ganzen war dieses Buch 1986 doch eine Überraschung und es gab sehr viele Leute, die das nicht verstehen wollten oder auch nicht wirklich verstanden haben, eben wegen dieser Dominanz der Sprache. Zum Beispiel ein angesehener Schriftsteller der nationalen Richtung, der sprach immer davon, wir Schriftsteller müssen in Volk und Nation denken, und daraufhin hat in einem Buch Esterházy gesagt, Nein, wir Schriftsteller müssen in Subjekt und Objekt denken.
    Hondl: Als Kind in den 50er-Jahren wurde Esterházy ja mit seiner Familie auf ein Dorf irgendwo jwd ganz entlegen verbannt. Die adelige Familie Esterházy galt als Klassenfeind. Auch das war ja etwas, diese Familiengeschichte, die er auch intensiv literarisch verarbeitet hat.
    Dalos: Das war auch sehr wichtig für ihn, weil das war nicht nur ein historischer Name, Esterházy; das war auch sein Schicksal, nämlich Anfang der 50er-Jahre, als er geboren war, war er in einer Art inneren Verbannung geboren. An der Puszta Hortobágy waren die Lager oder Dörfer, in denen die früheren Mitglieder der herrschenden Elite verbannt worden sind, und ja, in einem solchen Dorf ist Peter zur Welt gekommen. Und das ist natürlich sehr wichtig, weil das hat ihn nachhaltiger noch verhindert auch in der Karriere als ein Kind von ehemaligen sozusagen Herrschern. Obwohl, aufgrund seiner Erzählung kann man schon wissen, dass nicht alle Esterházy wirklich große Herren waren.
    Hondl: Und ein Meister der Ironie war er auch.
    Dalos: Ein Meister der Ironie, aber auch so eine relative Ironie war vollständig eingebaut in den Text und nicht die Handlung und nicht die Charaktere waren wichtig, sondern was man überhaupt in dieser Sprache erzählen kann.
    Hondl: Sie haben Peter Esterházy ja noch kurz vor seinem Tod im Juni, glaube ich, in Budapest bei einer Buchmesse getroffen, erlebt. Wie werden Sie ihn in Erinnerung behalten, Herr Dalos?
    Dalos: Ja, ich kannte ihn seit Mitte der 80er-Jahre. Wir waren keine engen Freunde, sondern einfach gute Kollegen, und ich hatte einfach das Glück, ihn auf sehr vielen Lesungen und kulturellen Ereignissen vorzustellen, führte die Moderation, zusammen auch mit seiner Übersetzerin Thérezia Mora. Wir waren wirklich sehr gut miteinander verbunden. Ich behalte vor allem ihn, außer natürlich seine Bücher, die ich immer wieder neu lese, ich behalte ihn als einen sehr liebenswürdigen und freundlichen Menschen, der, ich glaube, die Kommunikation selbst war. Manchmal natürlich wusste man nicht, ob bei dieser Kommunikation wirklich die Fantasie beteiligt ist, aber er war neugierig, er wollte immer etwas wissen, und das ist natürlich für einen Prosaiker eine sehr gute Eigenschaft.
    Hondl: Das sagt der ungarische Schriftsteller György Dalos über den ungarischen Schriftsteller Peter Esterházy, der gestern mit 66 Jahren in Budapest gestorben ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.