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Zum Tod von Philip Seymour Hoffman
Ein Meister der Nebenrolle

Philip Seymour Hoffman konnte sich voller Charisma die unterschiedlichsten Charaktere zu eigen machen. Zwar gelang dem Schauspieler mit der Verkörperung des Schriftstellers Truman Capote im Jahr 2005 etwas ganz Besonderes; doch mindestens so viel Leidenschaft legte er auch in unzähligen Nebenrollen an den Tag.

Von Josef Schnelle |
    Philip Seymour Hoffmann im Jahr 2012
    Philip Seymour Hoffmann im Jahr 2012 (picture-alliance / dpa / Daniel Dal Zennaro)
    Man nannte ihn schon den "fulminantesten Nebendarsteller der Welt". In fast 40 Filmen, beispielsweise als lüsterner Pfarrer in "Cold Mountain" und in Paul Thomas Andersons Porträt der kalifornischen Pornoindustrie "Boogie Nights" oder als legendärer Musikkritiker in "Almost Famous" und mit einem Auftritt in "Magnolia", schaffte er es, noch aus der kleinsten Rolle einen genialen Moment herauszuholen. Für Hollywood war der bodenständige und übergewichtige New Yorker stets ein Außenseiter und eine Provokation. Bis er endlich die Rolle seines Lebens fand. In Bennett Millers Filmbiografie "Capote" porträtierte er 2005 den amerikanischen Schriftsteller so präzise und faszinierend bis in dessen Sprachmanierismen hinein, dass die amerikanische Filmakademie nicht mehr an ihm vorbei konnte. 2006 bekam er endlich von Hilary Swank den Oscar als bester männlicher Hauptdarsteller überreicht.
    Die Geschichte des Dichters, der eine brutale Mordserie in Kansas recherchiert und nach Gesprächen mit dem Mörder den grandiosen Tatsachenroman "Kaltblütig" schrieb, hat viele Aspekte. Truman Capote musste den brutalen Täter zu seinem alter ego machen und sich dabei seiner eigenen dunklen Seite stellen. Phillip Seymour Hoffman gestaltete diese Filmfigur als Hymne an die Verirrungen des Daseins und wurde mit dem Zitat berühmt: "Niemand ist normal". Schließlich muss der Film- "Capote" den Spagat zwischen seinem Pakt mit dem Teufel und seine Existenz als zynischer New Yorker Dandy schaffen.
    Ebenso war Philip Seymour Hoffman mit dem ganzen Spektrum seiner darstellerischen Möglichkeiten gefordert, um den berühmten Schriftsteller und homosexuellen Party-Löwen lebendig werden zu lassen, was er mit erkennbar großer Spielfreude und einer enormen darstellerischen Variationsbreite erreichte. Nach dieser Glanzleistung wurde Hoffman in den Feuilletons enthusiastisch gefeiert und gehörte über Nacht plötzlich in die Liga der Hollywoodschauspieler mit Millionengagen. Das hinderte ihn nicht daran, weiterhin auch kleine und kleinste Rollen zu übernehmen - zum Beispiel als grandios schüchterner Junggeselle in "Jack in Love" 2010. Sein Meisterstück gelang ihm aber in einem Film seines engen Freundes Paul Thomas Anderson, dessen Karriere er von Anfang an begleitet hatte. 2012 war er in dessen Film über einen charismatischen Scharlatan "The Master", der Meister. Die Titelfigur spielte auf das Leben des Scientology-Gründers Ron Hubbard an. So stellt dieser Meister sich seinem neuen Schüler, der von Joaquin Phoenix gespielt wird, vor.
    Philip Seymour Hoffman spielte diese Figur als genialischen Hütchenspieler und Zauberkünstler. Er ist ein großer Verführer und Menschenfischer, kann aber im nächsten Moment urplötzlich grausam, gemein und gnadenlos sein. Zuletzt war er in "Die Tribute von Panem – Catching Fire" zu sehen. Er drehte 52 Filme, von denen zwei zwar abgedreht sind, aber noch nicht im Kino zu sehen waren. Wenigstens auf diese Weise wird es ein Wiedersehen geben in Anton Corbijns Thriller "A Most Wanted Man" nach einem Roman von John le Carré. Phillip Seymour Hoffman spielt den Chef einer amerikanischen Geheimdiensteinheit, die in Deutschland einen verdächtigen Dschihadisten jagt. Es ist wieder eine Nebenrolle, die Hoffman wie eine Hauptrolle interpretiert. Auch für den dritten Teil der Panem-Trilogie ist sein Part schon abgedreht. Nur im Kino kann man selbst den Tod überleben.