Die sogenannte Schmach von Cordoba, bei der die deutsche Fußball-Nationalmannschaft 1978 während der Weltmeisterschaft in Argentinien gegen Österreich mit 2:3 unterlag, wurde für Ror Wolf zur Sternstunde.
Als einer der ersten Intellektuellen widmete er sich dem Volkssport Fußball, auf seine Weise: Er setzte Kommentarfetzen und Interviewpassagen zu amüsanten Hörspiel-Collagen zusammen. Den literarischen Leitfaden dafür lieferte er selbst, mit seinem 1971 erschienenen Collageband "Punkt ist Punkt. Fußball-Spiele" wurde er in Fachkreisen berühmt.
Zum Tod von Ror Wolf: Katastrophe und Alltag
Er galt als wichtige Stimme der deutschen Gegenwartsliteratur. In Romanen, Gedichten, Bild-Collagen und Hörspielen sezierte Ror Wolf mit großer Sprachgewalt die Wirklichkeit. Am Montagabend starb Wolf nach schwerer Krankheit im Alter von 87 Jahren in Mainz. Ein Nachruf.
Er galt als wichtige Stimme der deutschen Gegenwartsliteratur. In Romanen, Gedichten, Bild-Collagen und Hörspielen sezierte Ror Wolf mit großer Sprachgewalt die Wirklichkeit. Am Montagabend starb Wolf nach schwerer Krankheit im Alter von 87 Jahren in Mainz. Ein Nachruf.
"Im Fußball findet sich eine ganze Menge Welt"
Seine bekanntesten Hörspiele heißen: "Schwierigkeiten beim Umschalten", "Merkwürdige Entscheidung" oder "Der Ball ist rund". Das Meisterwerk unter den - natürlich - elf Collagen, die Wolf für den Hörfunk produzierte, ist "Cordoba Juni 13 Uhr 45". Eine im Auftrag des Hessischen Rundfunks (HR) produzierte Collage aus den Originalkommentaren der deutschen und österreichischen Radio-Übertragungen bei Österreichs 3:2-Sieg.
"Die Welt ist zwar kein Fußball, aber im Fußball - das ist kein Geheimnis - findet sich eine ganze Menge Welt", sagte Wolf damals über seine Faszination für den Fußball.
Dabei sei ihm der Sport in seiner Jugend noch fremd gewesen, erzählte Wolf. Er lernte ihn erst bei Fans in Stuttgart kennen, wo er als Hilfsarbeiter tätig war. Die Weltmeisterschaft 1954 habe "Bewegung in die Köpfe gebracht". In den 1970er Jahren schrieb er vor allem aus dem Stadion der Frankfurter Eintracht Texte und nahm die Radiostücke auf, die ihn bekannt machten.
Mehr als ein "Fußball-Poet"
Doch Wolf wirkte auch als Schriftsteller, Lyriker und sogar als bildender Künstler. Bewegung in die Köpfe brachte er mit seinen Prosa- und Poesie-Texten, die immer wieder die Erwartungshaltung des Lesers brechen und ihn herausfordern. So veröffentlichte er 2012 den Horror-Roman "Die Vorzüge der Dunkelheit", in dem er den Ich-Erzähler auf einen surrealen Streifzug durch Absteigen und Kaschemmen schickt. Auch seine Gedichte sind mal komisch und mal melancholisch, aber fast immer überraschend.
Eine der letzten Auszeichnungen, die Wolf bekam, war 2016 der Schiller-Gedächtnispreis des Landes Baden-Württemberg. Die Jury urteilte: "Für die zersplitterte Gegenwart, in der wir leben, hat Ror Wolf wie kein anderer literarische Formen entwickelt, die mit den tröstlichen Verbindlichkeiten des konventionellen Erzählens nichts zu tun haben."
Studium bei Horkheimer und Adorno
Wolf kam 1932 im thüringischen Saalfeld zur Welt. Nachdem er im Jahr 1953 die DDR verließ, begann er in Frankfurt am Main unter anderem bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno ein Studium der Literatur, Soziologie und Philosophie. Sein erstes Buch, der Roman "Fortsetzung des Berichts", erschien 1964, eine auf Papier gebrachte Traumlandschaft in Anlehnung an Franz Kafka. Seine unverwechselbare Sprache entwickelte er bereits in Romanen wie "Pilzer und Pelzer" (1967).
Ein Leben wie eine Collage
Mehr als dreißig Mal zog Wolf um. Er wohnte in New York, London, Frankfurt/Main. Zwischen seinen zahlreichen Lebensorten und seiner Arbeit mit Collagen sah er durchaus einen Zusammenhang. "Das ergibt sich notwendigerweise aus so einem Leben." Zuletzt lebte Wolf rund 30 Jahre in Mainz. Die Stadt habe er seit fünf Jahren vor allem aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verlassen, hatte er zu seinem 85. Geburtstag gesagt.
Wie der Frankfurter Schöffling-Verlag und Freunde des Autors nun bestätigten, ist Wolf am Montagabend im Alter von 87 Jahren nach längerer Krankheit in Mainz gestorben.