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Zum Tod von Rosamunde Pilcher
Die Konfektions-Romantikerin

Zwischen 30 und 60 Millionen Exemplaren schwanken die Angaben über die Gesamtauflage ihrer Bücher. Mit romantischen Schmonzetten in malerischer Landschaft schrieb die britische Schriftstellerin Rosamunde Pilcher Bestseller am Fließband. Nun ist sie im Alter von 94 Jahren gestorben.

Von Günter Kaindlstorfer |
    Die britische Schriftstellerin Rosamunde Pilcher
    Bestseller-Autorin Rosamunde Pilcher (1924-2019) (picture alliance / dpa/Jens Kalaene)
    Rosamunde Pilcher war eine versierte Konfektions-Romantikerin, eine Autorin, die genau wusste, was ihr Publikum wollte: Herz, Schmerz und wieder Herz – und das am besten vor pittoresker Steilküsten-Kulisse:
    "Darf ich Sie etwas fragen? Standen Sie schon einmal zwischen zwei Männern?" - "Ja, weiß Gott, ja. Aber ich bin immer meinem Herzen gefolgt. Vertrauen Sie Ihrem Gefühl, dann werden Sie die richtige Entscheidung treffen."
    Die sentimentalen Dreiecks- und Vierecksgeschichten der Rosamunde Pilcher wusste auch das ZDF zu schätzen. Mehr als 100 Romane und Erzählungen der Offizierstochter aus dem malerischen Cornwall hat das "Zweite Deutsche Fernsehen" in den letzten Jahren und Jahrzehnten verfilmt. Pilcher war längst ein Star auf dem Buchmarkt, als das ZDF Ende der 80er-Jahre die Hauptabendtauglichkeit ihrer Stoffe erkannte. Seit ihrem belletristischen Debüt 1949 hatte die vierfache Mutter erfolgreiche Kolportage-Romane geschrieben, Wohlfühl-Schmonzetten in Upperclass-Ambiente, die ebenso zielsicher auf das Happy End zusteuerten, wie die Autorin einen Auflagenerfolg nach dem anderen landete.
    Schreiben in der Isolation
    Den größten Teil ihres Lebens hat Rosamunde Pilcher in einem Dorf hoch droben in Schottland verbracht. In Longforgan, ihrer dörflichen Wahlheimat, fühle sie sich manchmal etwas isoliert, gestand die Autorin. Sie habe niemanden, mit dem sie dort oben über ihre Texte diskutieren könne. Doch genau diese Isolation zwinge sie auch, sich beim Schreiben ganz auf sich selbst zu verlassen:
    "I find it difficult to be very cultured in the part of Scotland, that I live. I have nobody, for instance, that I can discuss writing with. I don’t belong to Clubs, because I don’t want to do that. I have nobody. My publisher is in London or in New York or in Hamburg, my agent is in Oxford. So I sometimes feel very isolated, when I am working. I think, it’s a good thing, because the book is coming out of my head, and I don’t need anybody, really, to discuss it with."
    Pilchers Bücher kennen hauptsächlich zwei Schauplätze: die Wiesen Cornwalls und die rauhen Hochebenen Schottlands. Die zentralen Protagonisten ihrer Werke, so könnte man sagen, sind nicht so sehr die schneidigen Junggesellen in ihren Tweedjacketts, die Pilchers Romane bevölkern, es sind auch nicht die aparten jungen Damen aus der Werbebranche oder dem Modejournalismus, die sich auf englischen Landschlössern tummeln – der eigentliche Protagonist in Pilchers literarischen Soap-Operas ist die Natur. Es duftet viel in den Texten der Bestsellerautorin: nach Kletterrosen und Levkojen, nach roten Äpfeln und wildem Thymian. Die Landidyllen der Rosamunde Pilcher, sie haben auch eine unverkennbar olfaktorische Note.
    Niemals ohne Happy End
    Dass es dabei nie ohne Happy End abgeht, versteht sich von selbst. Diesbezüglich hielt sich Misses Pilcher stets an die Genre-Vorgaben. Im wirklichen Leben glaubte die Schriftstellerin freilich nicht daran, aber: Sie glaubte an die Hoffnung:
    "No, I don’t believe in Happy Endings. But I do believe in a little bit of hope. Hope is the most important thing."
    Rosamunde Pilcher war zeitlebens Hausfrau und Mutter, später auch begeisterte Großmutter. In Weltanschauung und Lebensstil verkörperte Frau Pilcher die typische Tory-Wählerin. Mit ihrer erstaunlichen Karriere hat die verstorbene Schriftstellerin den Beweis erbracht, daß man auf dem Bestsellermarkt auch als toughes Hausmütterchen reüssieren kann. Im Pantheon der britischen Unterhaltungsliteratur hat Rosamunde Pilcher ihren Platz jedenfalls sicher – irgendwo in der Nähe von James Harriot - und sicher nicht weit von Barbara Cartland.