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Zur Ablösung Rudolf Scharpings

Heinlein: Das Machtwort des Kanzlers war kühl und knapp. Keine Basis für eine Zusammenarbeit. Rudolf Scharping werde entlassen. Ende aus, basta! Die achte Ministerentlassung der Ära Schröder war damit perfekt. Zwei Monate vor der Wahl fehlte dem Bundeskanzler offensichtlich die Geduld. Ein langes Gezerre um den ohnehin angeschlagenen Ressortchef wollte er sich und seiner Partei augenscheinlich nicht zumuten. Rudolf Scharping stolperte über seine zweifelhaften Kontakte zu dem schillernden PR-Berater, Moritz Hunzinger. Nun rückt der bisherige SPD-Fraktionschef Peter Struck auf den Sessel im Verteidigungsministerium. Die Honoraraffäre und die Folgen - darüber wollen wir jetzt mit der verteidigungspolitischen Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, reden. Guten Morgen.

    Beer: Guten Morgen, Herr Heinlein.

    Heinlein: Frau Beer, war der Rauswurf von Rudolf Scharping ein Befreiungsschlag oder eine Verzweiflungstat des Bundeskanzlers?

    Beer: Nein, ich denke, wenn der Bundeskanzler eine so schwierige und verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen hat, wird das seine Gründe haben, die übrigens die SPD zu entscheiden hatte und nicht der grüne Koalitionspartner. Es gibt keinen Grund zur Häme, gerade nicht, was die Person Rudolf Scharpings betrifft. Der Mann muss schon sehen, dass er als Verteidigungsminister eine der schwierigsten Aufgaben angenommen hat und die gesamten Reformdefizite der CDU/CSU-Regierung der Vorjahre zu bewältigen hatte.

    Heinlein: Trotz ihrer Zurückhaltung: Halten Sie die aktuellen Vorwürfe gegen Rudolf Scharping für so gravierend, dass seine rasche Ablösung jetzt unumgänglich war?

    Beer: Die Vorwürfe waren sicher zu klären, weil ich davon ausgehe, dass Rudolf Scharping das auch tut. Ich kann nur aus meiner Sicht sagen, dass es schon seit einiger Zeit Kommunikationsschwierigkeiten gegeben hat, die offensichtlich jetzt einfach nur das Fass zum überlaufen gebracht haben. Politik ist ein hartes Geschäft und um so mehr bin ich erstaunt, dass einige jetzt versuchen, nachzutreten, was ganz sicher nicht unser Anliegen ist. Wir sind davon überzeugt, dass mit Peter Struck, der von der Sache her sehr wohl die Probleme der Bundeswehr kennt und auch eine klare Orientierung nach vorne hin geben wird, die Bundeswehr aus dem Wahlkampf herausgehalten wird. Ein wichtiges Anliegen, weil man nicht vergessen darf, dass die Gruppe in sechs internationalen Einsätzen ist und auch Ruhe braucht, um diese Einsätze positiv bewältigen zu können.

    Heinlein: Sie haben Kommunikationsschwierigkeiten gesagt. Ist das eine Erklärung für die politischen Fehltritte von Rudolf Scharping in der Vergangenheit.

    Beer: Ich habe weder das Verhalten von Rudolf Scharping zu kommentieren noch zu erklären, sondern wir müssen sehen, dass wir unter sehr schweren internationalen außen- und sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen gerade bei der politischen Führung Ruhe haben. Der Bundeskanzler hat entschieden und wir haben das so nicht nur zu akzeptieren, sondern die positive Seite zu sehen. Wir brauchen die Ruhe, und Peter Struck wird diese Aufgabe, wenn er möchte mit Unterstützung der Grünen, meistern so wie das andere früher auch getan haben.

    Heinlein: Was war denn Ihr Eindruck? Wie groß war denn in letzter Zeit noch der Rückhalt des Ministers in der Koalition?

    Beer: Nun, wenn man sich Stellungnahmen aus der SPD anhört und insbesondere die frühzeitige Rücktrittsforderung des Seeheimer Kreises - das ist ja auch die politische Basis des Ministers gewesen - dann hat mich das sehr gewundert, was gestern gelaufen ist. Aber, wie gesagt, es ist die Entscheidung der SPD. Wir werden nicht nachtreten, sondern wir müssen sehen, dass wir eine ins Stocken geratene Bundeswehrreform gerade in den letzten Monaten jetzt wieder mit Schwung nach vorne führen. Dort geben wir gerne Unterstützung und Kompetenz. Und ich bin überzeugt, dass Peter Struck die schwierige Aufgabe, wenn es auch nur diese ersten zwei Monate jetzt sind, nach der Wahl und der Fortsetzung der rot-grünen Koalition gut meistern wird.

    Heinlein: Erwarten Sie, dass es Peter Struck besser gelingen wird, Rückhalt bei der Bundeswehr, bei den einzelnen Soldaten zu erreichen als es einem Vorgänger vergönnt war?

    Beer: Der Job an sich ist schwierig. Ich kann nur sagen - und das hat Rudolf Scharping gewusst und das weiß auch Peter Struck: Die Bundeswehr ist kein Apparat, den man beliebig hin- und herschieben kann, sondern besteht aus Menschen. Die Menschen arbeiten derzeit unter schwierigsten Bedingungen im Ausland, und Peter Struck wird diese Aufgabe im Dialog mit der Bundeswehr führen, und ich bin überzeugt, dass er sie gut meistern wird. Die Truppe wartet drauf und die Truppe akzeptiert den Primat der Politik, das heißt, sie wird auch mit einem Peter Struck klarkommen. Die Hauptsache ist, dass die Bundeswehr nicht instrumentalisiert wird, und das scheint Herr Schäuble, aber auch andere, die sich zu Wort melden, im Moment aus Reihen der Opposition in den nächsten Monaten vorzuhaben. Ich kann davor nur warnen: Die Defizite der Bundeswehr hat ursächlich die vergangene CDU/CSU-Regierung zu verantworten und nicht die rot-grüne Koalition und auch nicht Herr Scharping.

    Heinlein: Glauben Sie denn, dass Peter Struck politisch so erfahren sein wird, Kontakte zu einem PR-Berater zu vermeiden, der ja auch enge Kontakte dann zur Rüstungslobby pflegte?

    Beer: Das ist sicherlich keine Frage an die grüne Verteidigungsexpertin. Ich bin davon überzeugt, dass Peter Struck diese Aufgabe in die Hand nehmen wird und angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen im ruhigen Fahrwasser mit klaren Entscheidungen auch die weiteren Zukunftssteine für die Bundeswehrreform legen wird, ohne dass es weitere öffentliche Diskussionen darüber gibt. Ansonsten zeigt es sich, dass dieses Geschäft im Politischen eben wirklich das Härteste ist, was man sich aussuchen kann. Da gibt es kaum Rücksichten und insofern halte ich mich mit persönlichen Kommentaren bewusst zurück. Es sind genug, die glauben, jetzt irgendwie noch nachtreten zu können. Ich halte davon überhaupt nichts.

    Heinlein: Noch einmal zurück zu Moritz Hunzinger: Ist es aufgrund Ihrer Erfahrungen in diesem sensiblen Bereich der Verteidigungspolitik üblich, dass PR-Agenturen versuchen, Politiker und Lobbyisten zusammenzubringen?

    Beer: Ich glaube, dass Politiker insgesamt die Erfahrung gemacht haben, dass man sich selber keinen Gefallen damit tut. Nicht nur die Boulevard-Presse ist gnadenlos, sondern dann eben auch einzelne Leute, die versuchen solche Kontakte zu instrumentalisieren und dann auch öffentlich zu machen. Ich denke, dass Herr Scharping die Unterstellung richtig stellen wird. Das würde dem Ansehen der Politik insgesamt auch gut tun. Grundsätzlich kann ich nur sagen, dass, wenn ein Herr Hunzinger an meine Tür klopfen würde, sie würde nicht einmal aufgehen.

    Heinlein: Sie haben den schwarzen Peter dem roten Koalitionspartner so eben in ihren Antworten zugeschoben. Die Frage an Sie als Grüne: Befürchten Sie Auswirkungen dieser Affären, dieser Entlassung auch auf den Wahlkampf Ihrer Partei?

    Beer: Wir hätten uns sicherlich einen besseren Start im Sommer im Wahlkampf gewünscht, aber wir sind eine Koalition, Rot-Grün. Jeder kämpft für sich, aber wir wollen diese Regierung fortsetzen, und ich denke: Trotz der schwierigen Personalentscheidung sind jetzt die Personen benannt, die das Zugpferd sind, und mit dieser Spitze werden wir in den Wahlkampf gehen. Solange die CDU/CSU schwierige Personalentscheidungen des Bundeskanzlers nur mit dieser Häme begleitet, wie sie jetzt laut wird, kann ich nur sagen: Die Opposition hat aus den eigenen Fehlern immer noch nichts gelernt. Sie sollte weitere vier Jahre in der Opposition bleiben.

    Heinlein: Zur Entlassung von Rudolf Scharping war das heute Morgen hier im Deutschlandfunk die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer. Frau Beer, ich danke für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio