Engels: Herr Stölzl, Sie selbst zählen zu den Schloss-Befürwortern. Rechnen Sei heute im Bundestag mit der Erfüllung eines Wunschtraums?
Stölzl: Also ich bin ganz sicher, dass das klappen wird, weil das Richtige und Vernünftige sich auf die Dauer dann durchsetzt. Die Schlossfreunde haben ja seit dem Frühjahr 1990, seit es überhaupt im Bereich des Denkbaren war, die Stadtmitte Berlins neu zu gestalten, gesagt: Es gibt keine Alternative. Und man kann sich freuen, dass es die anderen nach einem Jahrzehnt auch gemerkt haben. So schwer war das nicht zu erkennen. Denn wenn man sich Wien ohne Hofburg, München ohne Residenz vorstellt, dann sagt man auch: Na klar! So schaut die Stadt aus! So muss sie wieder werden!
Engels: Das heißt Sie lehnen auch Ideen einer modernen Architektur ab? Es soll die alte Barockfassade.
Stölzl: Ich glaube, dass es da sowieso nie eine Alternative gegeben hat, denn niemand in Berlin hat jemals gedacht, dass man die Fassaden wirklich freigibt. Man muss ja eins bedenken: Dieses Schloss hat eine Schachtel, einen Umriss, der mit der barocken Bautechnik etwas zu tun hat. Hätten sie damals einen Eiffelturm bauen können, die stolzen Preußen hätten es vermutlich gemacht, um Macht zu demonstrieren. Aber diese Umrisse gehören einer bestimmten Bautechnik mit einer bestimmten Ästhetik an, die eben diese Fassade war. Und nachdem es nie strittig war, dass dieser Kasten wieder an die Stelle sollte, weil er die Stadt zusammenhält, finde ich, war der zweite Schritt zu sagen: Dann muss er eben so aussehen, wie er war. Man kann Architekten nicht zu Dekorateuren degradieren.
Engels: Aber wenn wir zurückblicken, da war ja zu Beginn der Debatte das Argument sehr stark, den Palast der Republik zu erhalten. Diese Stimmen wurden immer stiller. Es wurden immer weniger. Wie erklären Sie sich das?
Stölzl: Der Palast der Republik liegt und steht falsch. So einfach ist das. Also er war die falsche Antwort auf das gesprengte Schloss. Er war ästhetisch immer ein Greul, weil es ein mittelmäßiger Bau ist, der überhaupt in keinem Verhältnis steht zu den großen Bauten drum herum. Es gab in Teilen und vor allem auch stark in der noch existierenden SED-Strukturen der PDS getragenen Gruppen nostalgisch angeheizte Gefühle für den Palast der Republik, weil er in der Tat ein bisschen großstädtisches Leben in der DDR hatte. Aber je mehr die Bürger der Bundesrepublik, auch die, die in der DDR aufgewachsen sind, in die Welt hinausschwärmen, desto weniger glanzvoll war die Erinnerung an den Palast der Republik, weil er einfach hässlich ist. So einfach ist es. Er passt nicht dahin.
Engels: Oder sehen Sie ein Zeichen darin, dass die DDR-Historie langsam in Vergessenheit gerät?
Stölzl: Sie gerät nicht in Vergessenheit, aber sie rückt sich zurecht, und die Erinnerung an der Diktatur verblasst. Das ist das Eine. Darüber kann man ja traurig sein. Aber auch die Erinnerung an diese kleinen Freuden verblasst, weil die Freiheit in der Bundesrepublik ganz andere Freuden bietet als die Bowling-Bahn im Palast der Republik.
Engels: Nun fragen sich ja manche: Braucht das überschuldete Berlin noch einen Prunkbau mehr? Die Expertenkommission Historische Mitte hatte ja geschätzt, dass ein Schlossneubau rund 650 Millionen Euro kosten wird.
Stölzl: Entscheidend ist ja mal die Entscheidung. Es ist ganz wichtig, dass man weiß, wie es aussehen wird. Wie lange es dauert bis dieses Antlitz in der Mitte Berlins wieder seinen alten Platz hat, ist eine ganz andere Frage, und darum ist mir auch gar nicht bange. Wenn dort eine Baustelle über viele Jahre dieses Schloss wieder herstellt, dann ist damit die richtige Entscheidung getroffen. Die Finanzierung ist Sache der öffentlichen Hände und der privaten, die ja immer gesagt haben, dass sie mitspenden wollen, und das wird sich finden. Es ist schon interessant, dass es nun keine Berliner Entscheidung mehr ist, sondern darüber im Bundestag abgestimmt wird, was etwas klar dokumentiert, das eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. Die Hauptstadt gehört dem ganzen Land, nicht den Berlinern. Mit der Entscheidung vom Juli 1991 ist klar, dass das ganze Land mitreden, mitdenken, mitentscheiden, mit Verantwortung tragen muss, und ich denke mir, dass die Bundesrepublik imstande ist, im Herzen ihrer Hauptstadt das Richtige zu tun.
Engels: Trotz leerer Kassen? Wie sehen Sie denn die Quote? Wie viel wird denn Ihrer Vermutung nach der Staat letztlich zuschießen müssen?
Stölzl: Ich mag leichtsinnig klingen, aber ich habe mich mit dieser Finanzierungsfrage überhaupt nicht beschäftigt, weil ich als ehemaliger Münchener eine Kindheitserlebnisse habe. Die Münchener haben im August 1945, als 70 Prozent der Stadt in Trümmern lag, beschlossen, die Residenz wieder aufzubauen. Und bis heute wird daran gebaut, und das ist auch ganz gut, weil es die Stadt zusammenhält. Wenn eine große Stadt ein Gemeinschaftserlebnis hat, eine Arbeit, die man zusammen tun muss, dann trägt das über lange Zeit, und auf die lange Zeit verteilt, die man braucht, um das Schloss zu bauen, werden die Kosten in Gottes Namen verschmerzbar sein.
Engels: Nun ist ja Berlin nicht arm an historischen Gebäuden, die noch stehen und kaum eigentlich erhalten werden können. Ist denn überhaupt noch der Bedarf für ein solches Riesengebäude zu ermitteln? Wie soll das denn gefüllt werden?
Stölzl: Die Pläne, die man da hat, mit den größten Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, den außereuropäischen Sammlung, sind eine gute Sache. Denn die europäischen Sammlungen und die Sammlungen aus dem Mittelmeer sind ja auf der Museumsinsel nördlich vom Schlossplatz versammelt. Und so eine Art Dialog der großen Weltkulturen zustande zu bringen, wäre in der Tat eine Idee, die wirklich hauptstadtwürdig ist, so ähnlich, wie es der Louvre für Paris tut, seit vielen Jahren eben ein kulturelles Zentrum zu sein. Also da hat die Kommission, glaube ich, ganz kluge Gedanken zusammengetan. Wer sich dort sich umschaut, der weiß, dass unbedingt ein Kraftzentrum dahin muss. Diese Mitte Berlins ist einfach ein Loch, ein Vakuum, das selbstverständlich kulturell gefüllt werden muss, denn das politische Zentrum liegt ja anderthalb Kilometer westlich, um den Reichstag, den Bundestag herum, um die Ministerien, dem Kanzleramt herum. Und das wird ein sehr schöner Dialog werden, im Grunde wie in Washington, wo man auch entlang diesen großen grünen Streifen geht. Bei uns wäre das die Straße Unter den Linden, wo man zwischen Kultur und Politik hin- und her wandelnd einen Staat begreifen kann.
Engels: Kurz Ihre Schätzung zum Schluss: Wie lange wird dort die große Baustelle vorherrschen?
Stölzl: Da wird ja traditionell gebaut werden müssen, also Stein auf Stein. Es kommt darauf an, wie schnell die Entscheidung fällt, wie das finanziert wird, aber so etwas dauert schon ein, zwei Jahrzehnte.
Engels: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Stölzl: Also ich bin ganz sicher, dass das klappen wird, weil das Richtige und Vernünftige sich auf die Dauer dann durchsetzt. Die Schlossfreunde haben ja seit dem Frühjahr 1990, seit es überhaupt im Bereich des Denkbaren war, die Stadtmitte Berlins neu zu gestalten, gesagt: Es gibt keine Alternative. Und man kann sich freuen, dass es die anderen nach einem Jahrzehnt auch gemerkt haben. So schwer war das nicht zu erkennen. Denn wenn man sich Wien ohne Hofburg, München ohne Residenz vorstellt, dann sagt man auch: Na klar! So schaut die Stadt aus! So muss sie wieder werden!
Engels: Das heißt Sie lehnen auch Ideen einer modernen Architektur ab? Es soll die alte Barockfassade.
Stölzl: Ich glaube, dass es da sowieso nie eine Alternative gegeben hat, denn niemand in Berlin hat jemals gedacht, dass man die Fassaden wirklich freigibt. Man muss ja eins bedenken: Dieses Schloss hat eine Schachtel, einen Umriss, der mit der barocken Bautechnik etwas zu tun hat. Hätten sie damals einen Eiffelturm bauen können, die stolzen Preußen hätten es vermutlich gemacht, um Macht zu demonstrieren. Aber diese Umrisse gehören einer bestimmten Bautechnik mit einer bestimmten Ästhetik an, die eben diese Fassade war. Und nachdem es nie strittig war, dass dieser Kasten wieder an die Stelle sollte, weil er die Stadt zusammenhält, finde ich, war der zweite Schritt zu sagen: Dann muss er eben so aussehen, wie er war. Man kann Architekten nicht zu Dekorateuren degradieren.
Engels: Aber wenn wir zurückblicken, da war ja zu Beginn der Debatte das Argument sehr stark, den Palast der Republik zu erhalten. Diese Stimmen wurden immer stiller. Es wurden immer weniger. Wie erklären Sie sich das?
Stölzl: Der Palast der Republik liegt und steht falsch. So einfach ist das. Also er war die falsche Antwort auf das gesprengte Schloss. Er war ästhetisch immer ein Greul, weil es ein mittelmäßiger Bau ist, der überhaupt in keinem Verhältnis steht zu den großen Bauten drum herum. Es gab in Teilen und vor allem auch stark in der noch existierenden SED-Strukturen der PDS getragenen Gruppen nostalgisch angeheizte Gefühle für den Palast der Republik, weil er in der Tat ein bisschen großstädtisches Leben in der DDR hatte. Aber je mehr die Bürger der Bundesrepublik, auch die, die in der DDR aufgewachsen sind, in die Welt hinausschwärmen, desto weniger glanzvoll war die Erinnerung an den Palast der Republik, weil er einfach hässlich ist. So einfach ist es. Er passt nicht dahin.
Engels: Oder sehen Sie ein Zeichen darin, dass die DDR-Historie langsam in Vergessenheit gerät?
Stölzl: Sie gerät nicht in Vergessenheit, aber sie rückt sich zurecht, und die Erinnerung an der Diktatur verblasst. Das ist das Eine. Darüber kann man ja traurig sein. Aber auch die Erinnerung an diese kleinen Freuden verblasst, weil die Freiheit in der Bundesrepublik ganz andere Freuden bietet als die Bowling-Bahn im Palast der Republik.
Engels: Nun fragen sich ja manche: Braucht das überschuldete Berlin noch einen Prunkbau mehr? Die Expertenkommission Historische Mitte hatte ja geschätzt, dass ein Schlossneubau rund 650 Millionen Euro kosten wird.
Stölzl: Entscheidend ist ja mal die Entscheidung. Es ist ganz wichtig, dass man weiß, wie es aussehen wird. Wie lange es dauert bis dieses Antlitz in der Mitte Berlins wieder seinen alten Platz hat, ist eine ganz andere Frage, und darum ist mir auch gar nicht bange. Wenn dort eine Baustelle über viele Jahre dieses Schloss wieder herstellt, dann ist damit die richtige Entscheidung getroffen. Die Finanzierung ist Sache der öffentlichen Hände und der privaten, die ja immer gesagt haben, dass sie mitspenden wollen, und das wird sich finden. Es ist schon interessant, dass es nun keine Berliner Entscheidung mehr ist, sondern darüber im Bundestag abgestimmt wird, was etwas klar dokumentiert, das eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. Die Hauptstadt gehört dem ganzen Land, nicht den Berlinern. Mit der Entscheidung vom Juli 1991 ist klar, dass das ganze Land mitreden, mitdenken, mitentscheiden, mit Verantwortung tragen muss, und ich denke mir, dass die Bundesrepublik imstande ist, im Herzen ihrer Hauptstadt das Richtige zu tun.
Engels: Trotz leerer Kassen? Wie sehen Sie denn die Quote? Wie viel wird denn Ihrer Vermutung nach der Staat letztlich zuschießen müssen?
Stölzl: Ich mag leichtsinnig klingen, aber ich habe mich mit dieser Finanzierungsfrage überhaupt nicht beschäftigt, weil ich als ehemaliger Münchener eine Kindheitserlebnisse habe. Die Münchener haben im August 1945, als 70 Prozent der Stadt in Trümmern lag, beschlossen, die Residenz wieder aufzubauen. Und bis heute wird daran gebaut, und das ist auch ganz gut, weil es die Stadt zusammenhält. Wenn eine große Stadt ein Gemeinschaftserlebnis hat, eine Arbeit, die man zusammen tun muss, dann trägt das über lange Zeit, und auf die lange Zeit verteilt, die man braucht, um das Schloss zu bauen, werden die Kosten in Gottes Namen verschmerzbar sein.
Engels: Nun ist ja Berlin nicht arm an historischen Gebäuden, die noch stehen und kaum eigentlich erhalten werden können. Ist denn überhaupt noch der Bedarf für ein solches Riesengebäude zu ermitteln? Wie soll das denn gefüllt werden?
Stölzl: Die Pläne, die man da hat, mit den größten Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, den außereuropäischen Sammlung, sind eine gute Sache. Denn die europäischen Sammlungen und die Sammlungen aus dem Mittelmeer sind ja auf der Museumsinsel nördlich vom Schlossplatz versammelt. Und so eine Art Dialog der großen Weltkulturen zustande zu bringen, wäre in der Tat eine Idee, die wirklich hauptstadtwürdig ist, so ähnlich, wie es der Louvre für Paris tut, seit vielen Jahren eben ein kulturelles Zentrum zu sein. Also da hat die Kommission, glaube ich, ganz kluge Gedanken zusammengetan. Wer sich dort sich umschaut, der weiß, dass unbedingt ein Kraftzentrum dahin muss. Diese Mitte Berlins ist einfach ein Loch, ein Vakuum, das selbstverständlich kulturell gefüllt werden muss, denn das politische Zentrum liegt ja anderthalb Kilometer westlich, um den Reichstag, den Bundestag herum, um die Ministerien, dem Kanzleramt herum. Und das wird ein sehr schöner Dialog werden, im Grunde wie in Washington, wo man auch entlang diesen großen grünen Streifen geht. Bei uns wäre das die Straße Unter den Linden, wo man zwischen Kultur und Politik hin- und her wandelnd einen Staat begreifen kann.
Engels: Kurz Ihre Schätzung zum Schluss: Wie lange wird dort die große Baustelle vorherrschen?
Stölzl: Da wird ja traditionell gebaut werden müssen, also Stein auf Stein. Es kommt darauf an, wie schnell die Entscheidung fällt, wie das finanziert wird, aber so etwas dauert schon ein, zwei Jahrzehnte.
Engels: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio