Capellan: Guten Morgen Herr Müntefering.
Müntefering: Guten Morgen Herr Capellan.
Capellan: Was versprechen Sie sich von dieser Anzeige gegen die Bildzeitung?
Müntefering: Ich möchte Klarheit haben, ob es denn in Deutschland wirklich so ist, dass Datenschutz für alle Berufsgruppen gilt, zum Beispiel für Journalisten, für Chefredakteure, nur für Bundestagsabgeordnete nicht. Wenn das Bild stimmt, das man haben kann aus dem, was die Bildzeitung sagt und was der Steuerzahlerbund sagt, dann sind in den letzten Monaten – seit Herbst letzten Jahres – systematisch alle privaten Konten von Bundestagsabgeordneten in bezug auf Bonusmeilen ausgeforscht worden. Und ich möchte nun wissen, ob das so in Ordnung ist. Ich glaube, das ist nicht in Ordnung.
Capellan: Herr Müntefering, sollte sich ein Politiker nicht eher mit den Fakten beschäftigen, die da ans Tageslicht gekommen sind, als mit der Art und Weise, wie sie an die Öffentlichkeit gelangten?
Müntefering: Ich habe mich nicht als Generalsekretär gemeldet, auch nicht als Parteimitglied, sondern als Abgeordneter. Ich bin Abgeordneter, und ich habe zur Kenntnis zu nehmen – jedenfalls deutet alles darauf hin –, dass BILD oder Steuerzahlerbund oder jemand sonst - das weiß ich ja nicht – in den vergangenen Monaten und offensichtlich auch jetzt systematisch alle privaten Dinge dieser Konten ausspäht. Und es kommt natürlich noch als weiteres dazu: Wenn Medien solche Erkenntnisse haben, dann gehört es sich, dass sie sie veröffentlichen. Da habe ich kein Problem damit. Aber es gehört sich dann auch, dass sie das fair tun, nämlich alles, was sie wissen, auf den Tisch zu legen – und nicht häppchenweise, so wie es der Wahlkampf gerade erfordert, die eine oder andere Partei oder die eine oder andere Person in Misskredit zu bringen. Also, warten wir mal ab, was die deutsche Gerichtsbarkeit dazu sagt.
Capellan: Warum überlassen Sie die ganze Sache nicht dem Presserat? Er ist ja auch eingeschaltet in der Angelegenheit.
Müntefering: Das habe ich mit Interesse gehört, dass der Beschwerdeausschuss des Presserates sich um die Sache kümmert. Nein, ich wollte meine persönliche Betroffenheit als Abgeordneter denn doch kundtun an der Stelle, weil ich finde, es ist ein bisschen Mode geworden in Deutschland, dass alle auf diese Abgeordneten einschlagen dürfen. Diejenigen, die gegen Vorschriften verstoßen, müssen das korrigieren, da bin ich ganz deutlich und eindeutig. Aber es geht nicht, dass das Ausspähen von Abgeordneten sozusagen als Kavaliersdelikt gemacht wird unter der Überschrift von Pressefreiheit. Dann ist das ein Konflikt, über den man sprechen muss. Ich wollte mal sehen, wenn die hohen Herren, die sich da beschweren, in solcher Weise in ihren privaten Dingen ausgespäht würden von Politikern, was die dann sagen würden.
Capellan: Es wäre natürlich nicht das erste mal, dass bei journalistischen Recherchen der Datenschutz gebrochen wird, gerade auch bei der Bildzeitung. Die Frage ist nur: Wie lässt sich das verhindern, und steht nicht dann am Ende doch der Informantenschutz? Oder wollen Sie den wirklich in Frage stellen?
Müntefering: Nein, das will ich nicht, aber man müsste mal darüber sprechen. Jedenfalls die Empörung, die mir da jetzt entgegenschlägt, die kann ich überhaupt nicht verstehen. Das muss doch zu kapieren sein von diesen Leuten, dass Abgeordnete sich nicht damit abfinden, dass sie sozusagen die einzigen sind, die gejagt werden dürfen in diesem Land, unter welchen Bedingungen auch immer. Ich möchte wissen, wie das zustande gekommen ist, was da gelaufen ist, wer wann was gewusst hat, ob bestimmte Parteien im vorhinein – oder Fraktionen – alarmiert worden sind, dass da was auf uns zukommt. Also, das Ganze riecht ja doch nach parteipolitisch bestimmter Kampagne, und das lasse ich nicht so auf mir sitzen.
Capellan: Ist es denn nicht ein hohes Gut der Pressefreiheit, dass kein Journalist gezwungen werden darf, seine Quellen preiszugeben?
Müntefering: Das müssen Sie mir ja auch nicht sagen, so habe ich auch die Journalisten nicht gefragt. Davon gehe ich auch nicht aus, aber ich möchte wissen, wie das mit der Beschaffung solcher Materialien denn vor sich geht . . .
Capellan: . . . aber dann fragen Sie doch nach den Quellen, nach den Informanten.
Müntefering: Ja gut, aber das muss mir doch das Gericht nicht sagen. Wir wollen mal gucken, was die denn dazu zu sagen haben. Jedenfalls kann man nicht an einen Fakt vorbei: Hier wird ausspioniert, systematisch. Und ich wundere mich, dass die, die die Demokratieschale da so hoch halten, finden, dass das ganz in Ordnung ist. Wenn es nur Abgeordnete betrifft, dann darf man alles – und ansonsten Empörung, wenn solche Sachen vorkommen.
Capellan: Sie haben keinerlei Angst, dass Sie da ein Eigentor geschossen haben könnten?
Müntefering: Nein, nein, ich glaube, dass da ein Punkt erreicht ist in dieser Kampagne, wo man dann auch mit aller Deutlichkeit seine eigenen Rechte und Interessen auch wahrnehmen muss. Und das will ich hiermit tun. Ich sage ausdrücklich: Wo gegen Regeln verstoßen wird, da müssen Konsequenzen gezogen werden. Aber die Art und Weise, wie das hier zelebriert worden ist, wie jetzt einige der Herrschaften sich aufregen – das finde ich schon hochinteressant und seltsam.
Capellan: Warten wir ab, wie das Ganze weitergeht . . .
Müntefering: . . . ja, das meine ich auch . . .
Capellan: . . . SPD-Generalsekretär Franz Müntefering heute morgen im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch, auf Wiederhören.
Müntefering: Danke, Herr Capellan, tschüs.
Link: Interview als RealAudio
Müntefering: Guten Morgen Herr Capellan.
Capellan: Was versprechen Sie sich von dieser Anzeige gegen die Bildzeitung?
Müntefering: Ich möchte Klarheit haben, ob es denn in Deutschland wirklich so ist, dass Datenschutz für alle Berufsgruppen gilt, zum Beispiel für Journalisten, für Chefredakteure, nur für Bundestagsabgeordnete nicht. Wenn das Bild stimmt, das man haben kann aus dem, was die Bildzeitung sagt und was der Steuerzahlerbund sagt, dann sind in den letzten Monaten – seit Herbst letzten Jahres – systematisch alle privaten Konten von Bundestagsabgeordneten in bezug auf Bonusmeilen ausgeforscht worden. Und ich möchte nun wissen, ob das so in Ordnung ist. Ich glaube, das ist nicht in Ordnung.
Capellan: Herr Müntefering, sollte sich ein Politiker nicht eher mit den Fakten beschäftigen, die da ans Tageslicht gekommen sind, als mit der Art und Weise, wie sie an die Öffentlichkeit gelangten?
Müntefering: Ich habe mich nicht als Generalsekretär gemeldet, auch nicht als Parteimitglied, sondern als Abgeordneter. Ich bin Abgeordneter, und ich habe zur Kenntnis zu nehmen – jedenfalls deutet alles darauf hin –, dass BILD oder Steuerzahlerbund oder jemand sonst - das weiß ich ja nicht – in den vergangenen Monaten und offensichtlich auch jetzt systematisch alle privaten Dinge dieser Konten ausspäht. Und es kommt natürlich noch als weiteres dazu: Wenn Medien solche Erkenntnisse haben, dann gehört es sich, dass sie sie veröffentlichen. Da habe ich kein Problem damit. Aber es gehört sich dann auch, dass sie das fair tun, nämlich alles, was sie wissen, auf den Tisch zu legen – und nicht häppchenweise, so wie es der Wahlkampf gerade erfordert, die eine oder andere Partei oder die eine oder andere Person in Misskredit zu bringen. Also, warten wir mal ab, was die deutsche Gerichtsbarkeit dazu sagt.
Capellan: Warum überlassen Sie die ganze Sache nicht dem Presserat? Er ist ja auch eingeschaltet in der Angelegenheit.
Müntefering: Das habe ich mit Interesse gehört, dass der Beschwerdeausschuss des Presserates sich um die Sache kümmert. Nein, ich wollte meine persönliche Betroffenheit als Abgeordneter denn doch kundtun an der Stelle, weil ich finde, es ist ein bisschen Mode geworden in Deutschland, dass alle auf diese Abgeordneten einschlagen dürfen. Diejenigen, die gegen Vorschriften verstoßen, müssen das korrigieren, da bin ich ganz deutlich und eindeutig. Aber es geht nicht, dass das Ausspähen von Abgeordneten sozusagen als Kavaliersdelikt gemacht wird unter der Überschrift von Pressefreiheit. Dann ist das ein Konflikt, über den man sprechen muss. Ich wollte mal sehen, wenn die hohen Herren, die sich da beschweren, in solcher Weise in ihren privaten Dingen ausgespäht würden von Politikern, was die dann sagen würden.
Capellan: Es wäre natürlich nicht das erste mal, dass bei journalistischen Recherchen der Datenschutz gebrochen wird, gerade auch bei der Bildzeitung. Die Frage ist nur: Wie lässt sich das verhindern, und steht nicht dann am Ende doch der Informantenschutz? Oder wollen Sie den wirklich in Frage stellen?
Müntefering: Nein, das will ich nicht, aber man müsste mal darüber sprechen. Jedenfalls die Empörung, die mir da jetzt entgegenschlägt, die kann ich überhaupt nicht verstehen. Das muss doch zu kapieren sein von diesen Leuten, dass Abgeordnete sich nicht damit abfinden, dass sie sozusagen die einzigen sind, die gejagt werden dürfen in diesem Land, unter welchen Bedingungen auch immer. Ich möchte wissen, wie das zustande gekommen ist, was da gelaufen ist, wer wann was gewusst hat, ob bestimmte Parteien im vorhinein – oder Fraktionen – alarmiert worden sind, dass da was auf uns zukommt. Also, das Ganze riecht ja doch nach parteipolitisch bestimmter Kampagne, und das lasse ich nicht so auf mir sitzen.
Capellan: Ist es denn nicht ein hohes Gut der Pressefreiheit, dass kein Journalist gezwungen werden darf, seine Quellen preiszugeben?
Müntefering: Das müssen Sie mir ja auch nicht sagen, so habe ich auch die Journalisten nicht gefragt. Davon gehe ich auch nicht aus, aber ich möchte wissen, wie das mit der Beschaffung solcher Materialien denn vor sich geht . . .
Capellan: . . . aber dann fragen Sie doch nach den Quellen, nach den Informanten.
Müntefering: Ja gut, aber das muss mir doch das Gericht nicht sagen. Wir wollen mal gucken, was die denn dazu zu sagen haben. Jedenfalls kann man nicht an einen Fakt vorbei: Hier wird ausspioniert, systematisch. Und ich wundere mich, dass die, die die Demokratieschale da so hoch halten, finden, dass das ganz in Ordnung ist. Wenn es nur Abgeordnete betrifft, dann darf man alles – und ansonsten Empörung, wenn solche Sachen vorkommen.
Capellan: Sie haben keinerlei Angst, dass Sie da ein Eigentor geschossen haben könnten?
Müntefering: Nein, nein, ich glaube, dass da ein Punkt erreicht ist in dieser Kampagne, wo man dann auch mit aller Deutlichkeit seine eigenen Rechte und Interessen auch wahrnehmen muss. Und das will ich hiermit tun. Ich sage ausdrücklich: Wo gegen Regeln verstoßen wird, da müssen Konsequenzen gezogen werden. Aber die Art und Weise, wie das hier zelebriert worden ist, wie jetzt einige der Herrschaften sich aufregen – das finde ich schon hochinteressant und seltsam.
Capellan: Warten wir ab, wie das Ganze weitergeht . . .
Müntefering: . . . ja, das meine ich auch . . .
Capellan: . . . SPD-Generalsekretär Franz Müntefering heute morgen im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch, auf Wiederhören.
Müntefering: Danke, Herr Capellan, tschüs.
Link: Interview als RealAudio