Christiane Kaess: Die langen Schlangen vor den Wahllokalen in Simbabwe haben für sich gesprochen. Bei der Stimmabgabe für die Präsidentschafts- und Parlamentswahl am vergangenen Montag schwang eine Menge Hoffnung mit, dass sich endlich etwas ändern könnte in dem Land, das fast vier Jahrzehnte gelähmt war im eisernen Griff des Machthabers Robert Mugabe. Aber die ersten Wahlen nach Mugabes Rücktritt enttäuschen diejenigen, die auf den Oppositionskandidaten Nelson Chamisa gesetzt hatten, denn Amtsinhaber Emmerson Mnangagwa hat die Wahl mit offiziellen 50,8 Prozent für sich entschieden. Jana Genth berichtet.
Der Tag nach Verkündung des neuen Präsidenten in Simbabwe
Jana Genth berichtete und darüber kann ich jetzt sprechen mit David Mbae. Er ist Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Harare. Guten Tag, Herr Mbae!
David Mbae: Guten Tag, Frau Kaess!
Kaess: Wie ist denn gerade bei Ihnen die Lage in Harare?
Mbae: Die Lage in Harare ist im Augenblick ruhig. Das hat durchaus auch damit zu tun, dass Sicherheitskräfte seit dem frühen Morgen gerade in der Innenstadt patrouillieren, um dort gegebenenfalls einschreiten zu können, sollte es zu Protesten kommen. Das ist aber bisher nicht eingetreten, sodass eine absolute Ruhe im Moment herrscht.
"Es bleibt immer Fragezeichen, ob dem Gesetz entsprechend gehandelt wurde"
Kaess: Jetzt haben die Simbabwer ja sehr lange auf dieses Ergebnis gewartet. Wie glaubwürdig ist denn für Sie dieses knappe Resultat?
Mbae: Im Beitrag ist ja eben schon angeklungen, dass zunächst einmal die Ergebnisse durchaus das Wahlverhalten aus verschiedenen Jahren widerspiegeln. Gleichzeitig ist es aber auch so, und das haben auch mehrere Beobachtermissionen, unter anderem ja auch die EU, schon in den vergangenen Tagen geäußert, gibt es durchaus Zweifel an der Transparenz des Prozesses und an der Unabhängigkeit der Wahlkommission.
Kaess: Und das ist auch mit der Grund, oder ich nehme an mit ein Grund, warum der Oppositionskandidat Nelson Chamisa eben der Wahlkommission vorwirft, sie hätte auch die Ergebnisse noch gar nicht verkünden dürfen, bevor seine Partei das nicht bestätigt hätte. Also er sagt, das hätten alle Parteien bestätigen müssen, vor der Veröffentlichung. Wie berechtigt ist dieser Vorwurf?
Mbae: Zunächst einmal geht es bei diesem Disput, glaube ich, vor allem darum, dass es bei den einzelnen Wahllokalen entsprechende Ergebnislisten gibt und gab, die von den Party Agents unterzeichnet wurden und die dann entsprechend auf die nächsthöhere Ebene weitergegeben wurden. Und Chamisa beziehungsweise die MDC-Alliance wirft der Wahlkommission jetzt vor, diese Listen entsprechend gefälscht zu haben, hat aber dafür bisher noch keine Beweise vorgebracht.
Kaess: Also im Moment lässt sich nicht nachvollziehen von außen, ob da tatsächlich gemauschelt und getrickst wurde?
Mbae: Ich denke, dass es auch langfristig kaum möglich sein wird, das bis ins Letzte zu klären, denn es waren zwar viele Beobachter, diesmal auch internationale Beobachter im Land. Die konnten aber nicht alle 10.985 Wahllokale besuchen, sodass immer ein Fragezeichen bleibt, ob wirklich an jeder Stelle richtig ausgezählt wurde und ob dort dem Gesetz entsprechend gehandelt wurde.
"Dieses Militär ist sehr eng mit der Partei verknüpft"
Kaess: Und Sie haben die Wahlkommission gerade schon angesprochen. Wie unparteiisch ist die tatsächlich?
Mbae: Die Wahlkommission ist aus Sicht von einigen Beobachtern und natürlich auch der Opposition in keiner Weise unabhängig. Es gab im Vorfeld der Wahlen, auch schon während des Wahlkampfs immer wieder den Vorwurf, dass die Wahlkommission vom Militär unterwandert sei, also dass ehemalige Militärangehörige jetzt in der Wahlkommission arbeiten. Die Vorsitzende der Wahlkommission, Justice Chigumba, ist eine ehemalige Richterin, die entsprechend auch ZANU-PF nahesteht. Denn im Zuge der nicht wirklich vorhandenen Gewaltenteilung hier in Simbabwe ist eben auch die Justiz durchaus sehr parteinah. Und das lässt durchaus Rückschlüsse zu und gibt dem Ganzen einen faden Beigeschmack.
Kaess: Und wenn ich Sie da richtig verstehe, dann steht auch das Militär hinter Mnangagwa. Oder hätte das auch Chamisa als Sieger akzeptiert?
Mbae: Das war eine Frage, die sich auch die Bevölkerung hier gestellt hat. Es gab immer wieder Aussagen von der Opposition, dass es entsprechend einseitig wäre und das Militär, sollte ein Wahlsieg von MDC stattfinden, dieses Ergebnis nicht akzeptieren würde. Letztlich gab es dann aber vor der Wahl auch Statements des Militärs, die gesagt haben, sie würden jeden möglichen Ausgang tolerieren. Das werden wir jetzt leider nicht wissen, weil es hierzu jetzt nicht kommen wird. Aber ein großes Fragezeichen ist da durchaus berechtigt, denn ZANU-PF kommt eben auch aus dieser Historie der militärischen Freiheitsbewegung, und dieses Militär ist sehr eng eben auch mit der Partei verknüpft. Wir sehen, dass durch die Ernennung beispielsweise von dem ehemaligen Generalstaatschef Chiwenga zum Vizepräsidenten oder dem ehemaligen Generalmajor Mojo zum Außenminister das Militär auch in dieser Administration eine wichtige Rolle spielt.
"Die Unabhängigkeit der Justiz ist infrage zu stellen"
Kaess: Und bei allem, was Sie jetzt schildern, Herr Mbae, würde auch das überhaupt nichts bringen, was der Oppositionskandidat Chamisa jetzt vorhat, dass er das Ergebnis vor Gericht bringen will?
Mbae: Zunächst einmal muss er Beweise liefern. Solange er wirklich keine stichhaltigen Beweise hat, ist das nahezu aussichtslos, auf diesem Wege Erfolg zu haben, zumal, wie jetzt eben schon angeklungen, man durchaus auch davon ausgehen kann, dass hier wirklich erdrückende Beweise vorliegen müssten, denn die Unabhängigkeit der Justiz ist in dieser Frage auch durchaus infrage zu stellen.
Einheitsregierung unwahrscheinlich
Kaess: Was glauben Sie denn, wie das Ganze jetzt weitergehen wird? Denn Mnangagwa ruft ja zumindest offiziell zur Geschlossenheit auf und sagt auch, er will auf die Opposition zugehen. Wie glaubwürdig ist er damit für Sie?
Mbae: Bisher hat Mnangagwa in den acht Monaten seiner bisherigen Regierung natürlich gerade auf dieser symbolischen Ebene viel unternommen, um eben das Image, das er bisher hatte, und das Image seiner Partei zu verbessern. Gleichzeitig hat er natürlich aber jetzt auch ein sehr klares Mandat, also eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und die Präsidentschaft. Also er könnte, wenn er wollte, das Ganze auch ohne die Opposition durchziehen und einfach weiter regieren. Das ist eine große Frage, ob da eben auch dieser symbolische Schritt gegangen wird. Aber das ist im Moment noch nicht abzusehen.
Kaess: Und dieser symbolische Schritt, damit meinen Sie eine Einheitsregierung?
Mbae: Ich denke, bei dem klaren Mandat ist es unwahrscheinlich, dass man nun eine Einheitsregierung eingeht, denn dazu gibt es letztlich keine Not aus Sicht von ZANU-PF. Aber es ist durchaus so, dass man das Gespräch suchen kann und dass man Fragen adressieren kann auch in Zusammenarbeit mit der Opposition, beispielsweise auch im Parlament, das dann bald neu zusammentritt, um eben die nationale Einheit zu befördern.
Nelson Chamisa "zeigt sich weiterhin kämpferisch"
Kaess: Und wird Nelson Chamisa bei so etwas mitmachen?
Mbae: Das ist die große Frage. Er ist bisher natürlich auch sehr durch seine populistischen Aussagen und durch ein gewisses trotziges, manchmal etwas entsprechend Jugendlich-Forsches Auftreten aufgefallen. Und wenn man sich anschaut, wie er sich zum Beispiel schon vor Verkündung des eigentlichen Ergebnisses schon zum Sieger erklärt hat und so weiter, kann man jetzt wirklich nicht abschätzen, ob er sich jetzt am Ende dann auch staatsmännisch und politisch vernünftig zeigt oder ob er weiter wie ein schlechter Verlierer auftritt.
Kaess: Wie viel Einfluss hat er denn auf seine Anhänger und was, glauben Sie, ist wahrscheinlicher - dass er die eher dazu aufruft, friedlich zu bleiben oder eben auf die Straßen zugehen und ihrem Protest Ausdruck zu geben, so wie das in den vergangenen Tagen schon mal passiert ist?
Mbae: Er zeigt sich weiterhin kämpferisch, und ich glaube, er wird nichts unversucht lassen, dieses Ergebnis bis zuletzt anzufechten. Und davon ist auch, wenn man sich seine Aussagen der letzten Tage anschaut, glaube ich, auch auszugehen. Ich glaube aber auch, dass man feststellen kann, dass gerade hier auch in der Bevölkerung mittlerweile eine gewisse Müdigkeit besteht. Die Menschen möchten mit ihrem Leben weiter vorankommen. Die letzten Tage, in denen dann die Stadt lahmgelegt war, Geschäfte geschlossen waren und so weiter, diese Zeiten wähnten die Menschen eigentlich bereits hinter sich, nachdem Mugabe abgesetzt wurde. Und ich glaube, es wird schwierig sein für Chamisa, gerade auch vor dem Hintergrund der Ereignisse, die auch Todesopfer gefordert haben, noch mal größere Menschenmengen wirklich zu mobilisieren, um hier auch entsprechenden Druck aufzubauen.
Reformen erfordern den politischen Willen
Kaess: Wenn wir uns jetzt diese Konstellation anschauen, dass die bisherige Regierungspartei, die ZANU-PF, die Mehrheit im Parlament hat und auch den Präsidenten stellt, was bedeutet das dann für die Hoffnung auf einen demokratischen Aufbruch in dem Land?
Mbae: Ich denke, das ist letztlich absolut davon abhängig, ob an der Spitze wirklich der politische Wille dazu besteht, das Ruder rumzureißen, denn bisher hat diese komplette Macht der ZANU-PF auf allen Ebenen, also Exekutive und Legislative, dazu geführt, dass es eben keine Möglichkeit der Opposition gab, zu intervenieren und ZANU-PF seine letztlich desaströse Politik ohne größere Hindernisse durchführen konnte.
Und in Zukunft wird es weiter so sein, wenn nicht wirklich von ganz oben entschieden wird, wir müssen jetzt das Ruder rumreißen, wir müssen Reformen anstoßen. Und das ist eben die große Herausforderung, von der Mnangagwa jetzt steht, denn innerparteiisch ist dieser Kurs absolut nicht unumstritten, und da wird es auf jeden Fall einer Menge Energie bedürfen, um da auch alle Beteiligten mitzunehmen.
"Internationale Hilfe für Simbabwe ist absolut essenziell"
Kaess: Sagen Sie uns noch kurz zum Schluss, Herr Mbae, wer kann denn und sollte sich vielleicht auch von außen einmischen oder versuchen zu unterstützen, dass die Situation im Land sich positiv entwickelt - die Nachbarländer oder die EU?
Mbae: Ich denke, dass zunächst einmal die regionale Ebene hier ganz wichtig ist, sowohl SADC als auch die afrikanische Union sind hier gefragt, Simbabwe auch entsprechend dann an seine Versprechen zu erinnern und da auch im regionalen Kontext einzubinden. Und die Regierung hat ja diesen Kurs auch gen Westen eingeschlagen und die internationale Gemeinschaft kann durchaus hier auch eine Menge leisten. Und die Frage ist eben, ob das Ganze jetzt so über die Bühne geht, dass man das auch mit gutem Gewissen tun kann. Und sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch bei der Unterstützung zu einer weiteren Demokratisierung ist internationale Hilfe für Simbabwe absolut essenziell.
Kaess: Sagt David Mbae. Er ist Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung, und wir haben ihn in Harare erreicht. Danke schön für Ihre Zeit, Herr Mbae!
Mbae: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.