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Zur "vollsten" Zufriedenheit

Jeder Arbeitnehmer hat einen Rechtsanspruch, dass ihm sein Chef ein Zeugnis über seine Arbeit ausstellt. In einem sogenannten qualifizierten Arbeitszeugnis werden auch die Leistungen und das Verhalten beurteilt. Etwas Negatives darf der Arbeitgeber allerdings nicht ins Zeugnis schreiben, deshalb gibt es eine Art Geheimcode, mit dem Unschönes freundlich ausgedrückt wird.

Von Andrea Lueg |
    Viele Formulierungen in einem Arbeitszeugnis klingen zunächst einmal prima. Doch wer sich mit dem speziellen Sprachcode der Zeugnisse auskennt, weiß rasch, was wirklich damit gemeint ist. Das fängt schon an bei der Beschreibung der Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer erfüllt hat, erklärt der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Bitzer:

    "Ganz wichtig: Diese Tätigkeitsbeschreibung ist kein Tagebuch. Sie soll nicht unbedingt vollständig sein und jede Tätigkeit des Arbeitnehmers erfassen, sondern die wesentlichen, prägenden. "

    Nehmen Kleinigkeiten zuviel Raum ein, deutet das in der Zeugnissprache darauf hin, dass nicht soviel Großes geleistet wurde. Bei der Leistungsbeurteilung steht die Formulierung: "hat die ihm übertragenen Tätigkeiten stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt" für die Note eins - auch wenn sie grammatikalisch ein Missgriff ist. In der Regel wird in einem Zeugnis neben der Leistung auch das Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden beurteilt:

    "Ein Klassiker ist es also, wenn über das Verhältnis gegenüber Vorgesetzten überhaupt nicht gesprochen wird., dann ist das sicherlich ein Warnhinweis für denjenigen, der sich das Arbeitszeugnis anschaut: es gab Probleme mit dem Vorgesetzten. "

    Die Reihenfolge, in der Kunden, Kollegen, Vorgesetzte aufgeführt werden, besagt etwas darüber, zu wem man das beste und zu wem das schlechteste Verhältnis hatte:

    "Und ganz vorsichtig muss man immer sein, wenn die Kommunikationsfreudigkeit hervorgehoben wird, denn dann steht man sehr schnell als Tratschtante da. "

    Und auch Selbstverständlichkeiten haben in einem Arbeitszeugnis nichts zu suchen:

    "Natürlich gehört Fleiß zu einer der wichtigsten Arbeitstugenden überhaupt, aber in einem Arbeitszeugnis ist es eine Todsünde, Fleiß überhaupt auch nur zu erwähnen. Ein Arbeitszeugnis, das den besonderen Fleiß des Arbeitnehmers herausstellt, ist Todesstrafe für den Arbeitnehmer, denn es besagt, der hat alles versucht und nichts geschafft, der ist zu doof, er ist unfähig und bringt nichts zustande, das ist ein glattes Ungenügend. "

    Über den so genannten Geheimcode in Zeugnissen gibt es zwar ganze Bücher. Trotzdem sollte man nicht unbedingt davon ausgehen, dass jeder Chef darüber Bescheid weiß. Wichtig ist daher vor allem, welchen Eindruck ein Zeugnis insgesamt macht:

    "Schließlich gibt es immer einen großen Streit darüber, ob denn auch eine Schlussformulierung ins Arbeitszeugnis muss. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Dankesformel oder eine Bedauernsformel. Aber die Schlussformulierung gehört doch zur Üblichkeit, als Arbeitnehmer sollte man also unbedingt darauf drängen, dass eine vernünftige Klausel da hinein genommen wird.. "

    Wem eine Formulierung nicht gefällt, der sollte erst einmal in Ruhe mit seinem ehemaligen Chef sprechen und um eine Veränderung bitten. Notfalls kann man vor Gericht gehen und bestimmte Formulierungen durchsetzen oder streichen lassen. Immer häufiger sollen Arbeitnehmer ihre Zeugnisse selber formulieren. Das ist nur dann ein Vorteil, wenn derjenige sich mit dem Code in Arbeitszeugnissen gut auskennt oder vertraut macht. Durchchecken lassen kann man ein Arbeitszeugnis bei der Gewerkschaft oder bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht.