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Zurück, Marsch-Marsch!

Der Hunger nach Kohle wird derzeit vor allem vom chinesischen Wirtschaftswachstum entfacht. Die Weltmarktpreise zogen an, so dass sogar schon von einer neuen Zeche im nördlichen Ruhrgebiet die Rede war. Zu Zeiten der hohen Energiepreise wittert die ehemalige Ruhrkohle wieder Morgenluft. Kommt die Kohle zurück, wenn auch außerhalb des derzeitigen Subventionssystems?

Von : Tonia Koch und Volker Wagener |
    1000 Meter saust der Förderkorb beladen mit Menschen und Material unter Tage. Um die tief gelegenen Kohle-Lagerstätten in Deutschland auszubeuten, bedarf es ausgeklügelter Technik und vieler Menschen. Das macht die deutsche Steinkohle teuer. Sie ist deshalb nicht wettbewerbsfähig.
    Damit sie überhaupt von Strom- und Stahlerzeugern abgenommen wird, muss sie auf den Preis heruntersubventioniert werden, der am Weltmarkt gezahlt wird. Dafür greift der Bundeswirtschaftsminister Jahr für Jahr tief in die Tasche. In diesem Jahr sind es 2,7 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2012 sollen die Beihilfen für den Absatz deutscher Steinkohle auf 1,8 Milliarden Euro jährlich sinken. Geringere Beihilfen sind jedoch gleichbedeutend mit geringerer Förderung und die Kundschaft – allen voran die Stahlindustrie - hat sich längst darauf eingestellt. Dieter Ameling, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl:

    "Die Stahlindustrie hat seit 1998 angefangen, ihren Koks- und Kohlebedarf auf dem Weltmarkt zu decken. Wir haben in 2004 zwei
    Drittel unseres gesamten Koks- und Kohle-Bedarfes auf dem Weltmarkt eingedeckt und nur noch ein Drittel in Deutschland bezogen. Dieser Prozess schreitet weiter fort. Der wird auch in den nächsten Jahren weiter fortschreiten. Wir können uns auch unabhängig machen von der Kohleversorgung in Deutschland. "

    Dabei dürfte die deutsche Stahlindustrie im vergangenen Jahr froh darüber gewesen sein, dass sie auf Koks und Kokskohle aus heimischer Produktion zurückgreifen konnte. Denn die Weltmarktpreise für Kokskohle hatten sich mehr als verdoppelt - auf 125 Dollar die Tonne. Für das fertige Produkt, den Koks, mussten an den Spotmärkten zeitweilig sogar bis zu 500 Dollar für die Tonne gezahlt werden. - Dank langfristiger Verträge mit dem deutschen Steinkohlen-bergbau konnte sich die deutsche Stahlindustrie zumindest teilweise von dieser Entwicklung auf dem Weltmarkt abkoppeln. Günter Dach, Gesamtverband des Deutschen Steinkohlenbergbaues:

    "Allein dadurch, dass der Bergbau vertragstreu geblieben ist und die Lieferverträge mit der Stahlindustrie natürlich nicht gekündigt hat, sondern zu den im Verhältnis zu den Weltmarktkonditionen günstigen Preisen weitergeführt hat. "

    In der Tat hat der deutsche Branchenführer Thyssen/Krupp weniger lautstark über gestiegene Importkohlepreise lamentiert als die europäische Stahl-konkurrenz. Die Politik wurde eingeschaltet. Vertreter der Europäischen Union intervenierten im vergangenen Jahr bei den Chinesen, damit diese ihre Kohle-Exporte nicht wie vorgesehen drosselten. Die Intervention hatte Erfolg. Die Preise blieben zwar hoch, aber die Chinesen, neben den Australiern die größten Kokskohlelieferanten der Welt, bedienten den Markt. Von einer ernsthaften Krise sprechen langjährige Beobachter des Weltkohlemarktes daher nicht. Sarah Knight, Deutschland-Korrespondentin des britischen Fachblattes Mc Closkey Coal Report:

    "Bei der Steinkohle gibt es so eine Art Schweinezyklus wie
    in der Stahlindustrie und auch in anderen Industrien. Wenn die Steinkohlepreise steigen, dann ist es auch ein incentive, in neue Steinkohlekapazitäten zu investieren. Und das ist das, was passieren wird und was schon jetzt passiert, rund um die Welt. Ich glaube nicht dass wir in eine große Steinkohlekrise kommen. "

    Weltweit ist die Steinkohleförderung im vergangen Jahr um beachtliche zehn Prozent gestiegen. Sie liegt aktuell bei 4,6 Milliarden Tonnen. Den größten Anteil daran hat China, dessen Energiebedarf durch das enorme Wachstum des Landes beständig steigt. In kleinerem Maßstab haben auch Förderländer wie die USA und Australien dazu beigetragen, die weltweite Förderung von Steinkohle zu erhöhen.

    Gehandelt werden allerdings nur etwa 15 Prozent der weltweit geförderten Menge. Und in diesem Geschäft haben nur wenige das Sagen. Denn bereits seit geraumer Zeit vollzieht sich auf dem Rohstoffmarkt ein enormer Konzentrationsprozess. Eine Handvoll internationaler Rohstoffgiganten bestimmen, wo es lang geht. Günter Dach, Gesamtverband des Deutschen Steinkohlenbergbaus:

    "Das ist tatsächlich das Neue. Bei der Kohle war es so, dass früher traditionell Verbraucher wie die Stromerzeuger oder auch Handels-häuser im Besitz der ausländischen Exportgruben waren. Das hat sich grundlegend gewandelt. Heute sind es Rohstoffkonzerne. Früher galt die Devise, die Rohstoffe billig halten für die Verbraucher. Heute wollen die Rohstoffkonzerne damit Geld verdienen. "

    Deutsche Konzerne sind viel zu klein, um auf dieser Bühne mitmischen zu können. Und die RAG, die Ende der 90er Jahre damit begonnen hatte, ausländische Zechen zu erwerben, hat diese Beteiligungen inzwischen wieder versilbert. Das sorgt für Verwunderung. Sarah Knight:

    "Deswegen scheint mir diese Krise über die Rohstoffe ein bisschen zwiespältig. Wenn ausgerechnet die RAG kommt und sagt: Es gibt eine Rohstoffkrise, aber sie haben gerade ihre Zechen verkauft, die für Europa relativ nützlich hätten gewesen sein können. "

    Trotzdem bildet der ehemalige Bundeswirtschaftsminister und jetzige RAG-Chef, Werner Müller, die Speerspitze einer jahrelange nicht mehr geführten Debatte um deutsche Rohstoffpolitik. Dabei versucht Müller einen Spagat.
    Es ist zum einen seine erklärte Absicht, die RAG börsenfähig zu machen. Das aber kann nur gelingen, wenn er sich der Altlasten entledigt und den hoch defizitären deutschen Steinkohlenbergbau komplett dem Steuerzahler überantwortet. Versorgungssicherheit mit dem Primärenergieträger Kohle habe eben seinen Preis, lautet die Argumentation.

    Ebenfalls mit dem Argument, die Rohstoffversorgung in der Stahlindustrie langfristig sicherzustellen zu wollen, macht sich die RAG für den Aufschluss einer neuen Kohlenzeche stark. Bis zum September des vergangen Jahres, als der Vorschlag erstmals unterbreitet wurde, hätte das in Deutschland kaum jemand für möglich gehalten. Sarah Knight:

    "Es ist schon schön. Man hätte gedacht, dass Schweine fliegen würden, bevor hier eine neue Zeche geöffnet werden würde. "

    Werner Müller gehört nicht zu denen, die täglich die Mikrofone und Kameras suchen. Umso mehr lässt aufhorchen, was der RAG-Chef unter anderem am
    17. April auf einer Belegschaftsversammlung des Bergwerk Wests in Kamp Lintfort im Beisein des Bundeskanzlers zu den Neuerschließungsplänen sagte:

    "Ich habe gerade noch in der FAZ gelesen, dass jetzt beispielsweise die Kokspreise deutlich gesunken sind. Man kann Koks jetzt wieder für 250 Dollar kaufen. Ja, dafür können wir ihn hier sogar im Prinzip subventionsfrei herstellen. Und deswegen rechnen wir durch, ob wir nicht doch noch einmal vollkommen staatsfrei in Hamm ein Bergwerk auf der grünen Wiese bauen mit Kokereien. Ich denke, dass wir das irgendwann nun entscheiden. "

    Wenige Tage später leitete die Deutsche Steinkohle AG das Genehmigungsverfahren ein. Ein Bergwerk mit dem Namen "Donar" soll nördlich von Hamm entstehen. 2.500 Kumpel sollen hier in acht bis zehn Jahren einfahren können. Per anno will die DSK dann runde drei Millionen Tonnen Kokskohle ans Tages-licht fördern. Subventionsfrei, wie es aus Herne, dem Sitz der DSK heißt. Jürgen Eickhoff, Vorstandsmitglied, rechnet vor:

    "Wir wissen, wie die Gewinnung zu betreiben ist, mit welcher Technik. Somit können wir abschätzen, mit welchen Kosten wir diese Gewinnung betreiben können, so dass wir sagen: Wir können unter 2oo Euro pro Tonne Koks zur Verfügung stellen, und das eben, solange
    die Lagerstätte reicht. Rundgerechnet bei 1oo Millionen Tonnen sind das in etwa 30 Jahre. "

    Allerdings will die RAG nicht selbst die neue Zeche finanzieren. Das sollen private Investoren übernehmen, die allerdings noch nicht in Sicht sind. Nicht nur deshalb sorgen die Neuerschließungspläne aus dem Hause RAG für Irritationen. Allerdings nicht bei der SPD in Nordrhein-Westfalen. Peer Steinbrück, der Ministerpräsident, - sonst ein kühler Rationalist - liegt in dieser Frage ganz auf Kurs seiner Partei, die schon immer als Pate der Montanindustrie im Revier in Erscheinung getreten war. Vor Kumpels in Kamp Lintfort stellte sich Steinbrück demonstrativ hinter die Ausbaupläne Werner Müllers:

    "Wir haben ein massives Interesse an dem Ausbau dieser Kokerei-Kapazitäten, und zwar mit beiden Kapazitäten würde dies bedeuten, dass die nordrhein-westfälische Stahlindustrie nicht mehr abhängig ist von Kokskohlen-Importen aus anderen Ländern. Wir werden völlig unbhängig. Und darüber hinaus ebenfalls das zu betreiben, was Werner Müller zu erkennen gegeben hat, nämlich Kokskohlenfelder auf- zuschließen, die es vor allem im östlichen Bereich des Ruhrgebietes gibt, hat jedwede Unterstützung der Landesregierung. "

    Steinbrück verweist gerne und oft auf die Chance für die heimische Stahlindustrie, mit den Förderplänen bei Hamm von Kokskohle-Importen unabhängig werden zu können. Doch die Stahlproduzenten zeigen bis dato noch nicht einmal gebremste Euphorie für die Zeche Donar. Dieter Ameling von der Wirtschaftsvereinigung Stahl bringt auf den Punkt, wie die Branche über das Unabhängigkeits-Argument von RAG, DSK und SPD denkt:

    "Ob die Kohle nun aus Deutschland kommt oder aus Australien, spielt für uns zunächst mal, wenn der Preis gleich ist, keine Rolle. "

    Die Stahlbranche zeigt sich gänzlich unbeeindruckt von den Argumenten der RAG. Gute Kokskohle steht auf dem Weltmarkt ausreichend zur Verfügung. Und das Argument der RAG-Tochter DSK, man könne auf dem Donarfeld unter Weltmarkt-Preisniveau Koks heben, halten die Stahl-Industriellen schlichtweg für falsch. Wenn in Australien Kokskohle im Tagebau gewonnen wird, dann kann deutsche Kohle, die aus 1000 Meter Tiefe technisch aufwendig gehoben werden muss, nicht billiger werden - trotz des Preisvorteils der heimischen Kohle beim Transport von der Grube zum Stahlproduzenten. Die Stossrichtung der RAG geht deshalb auch in eine andere Richtung, glaubt die englische Kohle-Fachjournalistin Sarah Knight.

    "Dabei baut man auch auf die Idee, dass es eine Rohstoffkrise gibt. Nur man sieht ja, dass die Initiative für eine neue Zeche in Deutschland nicht aus dem Stahlbereich kommt. Die Stahlfirmen haben schon Zugang zur Kokskohle. Die größte ist Thyssen-Krupp. Die importieren vielleicht drei Millionen Tonnen Kokskohle im Jahr, und sie haben sich nicht unbedingt beschwert über die Situation der Kokskohle. Also, eine große Krise - glaube ich - gibt es nicht. "

    "O-Ton SPD-Wahlfilm (auf Musikteppich): "Uns muss niemand mit gelehrtem Geschwätz über Globalisierung kommen. Wir wissen schon seit Jahrzehnten, was der Weltmarkt für Kohle und Stahl bedeutet....... "

    Das Hochglanzfilmchen der SPD bleibt beim Thema Kohle bewusst unscharf, doch die Botschaft ist dennoch klar: Kohle aus Deutschland hat einen Wert
    per se - unabhängig vom Preis. Politisch sollte der Primärenergieträger - so die SPD und die RAG - aus nationalem Interesse immer im "Energiemix-Cocktail" prominent vertreten sein. Jürgen Eickhoff von der DSK:

    "Wir sind ja heute schon von der Importkohle abhängig, aber wir sollten dafür sorgen, dass ein gewisser Anteil - in der Größenordnung zehn, vielleicht sogar zwölf Prozent - an Stromversorgung durch heimische Energieträger, die aus Steinkohle kommt, sichern können. "

    In einem Zechensaal des Bergwerks Ensdorf blickt die wartende Mittagsschicht auf das Konterfei von Marius Müller-Westernhagen. Mit dem Slogan: Kohle glänzt nicht, aber sie wärmt, wirbt der Lied-Sänger für den Erhalt der deutschen Steinkohle. Doch die meisten gehen achtlos an Westernhagen vorüber. Denn sie wissen, die nächste Zeche die geschlossen wird, ist eine Zeche an der Saar, das Bergwerk Warndt/Luisenthal. Mitte des Jahres ist es soweit, dann wird die Förderung eingestellt. Ausschließlich Kokskohle wurde am Standort Warndt/ Luisenthal gefördert. Deshalb stehen die saarländischen Bergleute der Idee, eine neue Zeche an der Ruhr aufzufahren, nicht nur positiv gegenüber:

    "Ein absolut schizophrenes Denken, auf der einen Seite an der Ruhr eine neue Kokskohlengrube aufzufahren und hier eine Kokskohlengrube mit besten Lagerstätten und bestem Material zu schließen. Da soll einer mal mitkommen. "

    "Ich finde das eigentlich gut, das mal irgendjemand auf die Idee kommt, Kohle wieder in den Vordergrund zu rücken. Dass man mal sieht, es geht weiter mit der Kohle. Kohle ist wichtig - und nicht immer nur zurück, zurück, zurück. "

    " Totaler Schwachsinn. "

    " In meinen Augen ist das eine Frechheit. "

    " Ich denke mir, der politische Wille an der Ruhr ist eher geneigt, den Bergbau am Leben zu erhalten als der politische Wille an der Saar. Das ist der Grund. "

    Weil das Saarland pleite ist, übernimmt der Bund jenen Anteil, den das Saarland als Bergbaustandort für den Erhalt der deutschen Steinkohle leisten müsste. Die Weigerung der CDU-geführten saarländischen Landesregierung, sich für die Kohle stark zu machen, hat aber auch etwas mit politischen Überzeugungen zu tun.

    " Die Situation des Steinkohlenbergbaus an der Ruhr ist eine andere Situation als die Situation des Steinkohlenbergbaus an der Saar. Es gibt bei uns noch zwei Bergwerke mit ganz spezifischen Bedingungen mit Blick auf die Lagerstätten und die Kosten, und die saarländische Landesregierung ist vor diesem Hintergrund der Auffassung, dass nicht nur Lagerstätten bedingt das Auslaufen des Steinkohlebergbaus an der Saar unvermeidlich ist. "

    Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller formulierte diese Position bereits vor vier Jahren. Und er bleibt dabei. Trotz markiger Worte blieb die Ankündigung des saarländischen Ministerpräsidenten bislang wirkungslos. Christoph Hartmann, FDP-Landesvorsitzender:

    "Im Moment ist erkennbar, dass es dafür keinen politischen Willen gibt. "

    Das finden auch die zahlreichen Bergbaugegner, die ihre Hoffnung auf ein schnelles Ende des Bergbaus inzwischen begraben haben. Immerhin versucht die Regierung, zwischen den Interessen des Unternehmens und den Interessen der vom Bergbau Betroffenen zu vermitteln. An Informationsveranstaltungen mangelt es nicht. Nur zufrieden verlässt diese Veranstaltungen in der Regel niemand. Der DSK, der Deutschen Steinkohle AG, wird vielfach willkürliches Handeln vorgeworfen. Gerhard Ziegler, Sprecher der Interessengemeinschaft zur Abwendung von Bergschäden:

    "Die DSK macht was sie darf. Wenn sie etwas nicht darf, macht sie, was sie will, und wenn sie etwas macht, was sie will, dann darf sie das auch. Das ist mein Dreisatz. "

    Die Bergschäden, die an Häusern und Versorgungseinrichtungen durch den Kohleabbau entstehen, gehen in die Millionen. Aber Die Deutsche Steinkohle AG arbeitet auf sicheren Rechtsgrundlagen und glaubt sich noch immer im Dialog mit den Betroffenen. Bernd Tönnies, Vorstandsvorsitzender der DSK:

    "Wir unterstellen, dass es nach wie vor auch zukünftig möglich sein wird, dass man den Dialog aufrecht erhält und dass man sowohl Bergbau betreiben kann als auch den Belangen der Bergbaubetroffenen entgegen kommen kann. "

    Doch das Geschäft mit der Kohle wird zunehmend unbeherrschbarer. Der Bergbau verursacht nicht nur Schäden an Häusern, sondern auch Erschütterungen, die von den Menschen als Erdbeben wahrgenommen werden. Erst in der vergangen Woche registrierte die Erdbebenwarte Freiburg einen Wert von 3,4 auf der Richterskala:

    "Als es das letzte mal so gerappelt hat, da bin ich schon erschrocken. Dachte: Mensch, das kann doch nicht so weitergehen. "

    "Wir wohnen auf einer tektonischen Störzone, und wir werden also Totalschaden bekommen, wenn abgebaut wird. Das ist einfach zum Weinen. So muss man das halt sagen. "

    FDP und Grüne an der Saar fordern die sofortige Einstellung des Bergbaus unter bewohntem Gebiet. Und auch die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden sind inzwischen überwiegend auf Gegenkurs. Darunter auch CDU-Bürgermeister Nikolaus Jung aus Lebach. Angesichts von siebeneinhalb-tausend Arbeitsplätzen im saarländischen Bergbau mahnt er jedoch zu mehr Ehrlichkeit in der Diskussion um den Bergbau:

    "Die Politik wird die Gruben nicht schließen, die Gerichte schließen die Gruben ohnehin nicht. Insofern wird es in der heutigen Zeit, in Zeiten einer hohen Arbeitslosigkeit wird sich niemand dies auf die Fahnen schreiben. Das kann ein ernsthafter Politiker vor seinem Gewissen nicht verantworten. "

    "O-Ton SPD-Wahlspot (auf Musikteppich): "Wir in NRW haben gemeinsam die großen Krisen gemeistert und hunderttausende von Menschen aus schwierigen Industriezweigen in zukunftsträchtige Arbeit gebracht. Das ging gut. Das geht nicht immer ohne Schwierigkeiten, und mancher von uns hat schwere Rückschläge erleben müssen. Aber wir Sozialdemokraten haben gegen den Widerstand der Konservativen den Wandel im Land menschlich organisiert und nicht radikal." "

    Kohle ist wieder ein Thema in Nordrhein-Westfalen. "Mehr Kohle für meine Kumpels", lassen die Grünen eine "Dreikäsehoch" vor ihrer Schulklasse von den Litfasssäulen fordern. Die Botschaft ist eindeutig zweideutig: Mehr Geld für die Bildung und weg mit der Kohle-Subventionierung. Die FDP will den ganz harten Schnitt, die Union die Halbierung der Staatshilfe. Nur die SPD umwirbt die Kumpels gewohnt fürsorglich. Vertragstreue wird für den Kohlekompromiss signalisiert, und was das Donarfeld betrifft, glauben sowieso viele an ein abgekartetes Spiel zwischen den Genossen und der RAG:

    "Es fällt auf, dass der Vorschlag zum ersten Mal vier Wochen vor der Kommunalwahl im September 2004 kam, und er kommt jetzt auch wieder im Vorfeld der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Ob da ein Zusammenhang besteht, kann ich nicht wirklich beurteilen. Aber es könnte sein. Das ist nicht auszuschließen. "

    Dieter Ameling von der Wirtschaftsvereinigung Stahl drückt sich dabei noch höflich aus. Auch Gerhard Papke, der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP im Düsseldorfer Landtag, macht keinen Hehl aus seiner Meinung. Die "Mission Donar" ist für den Liberalen eine reine Wahlkampf-Aktion der Monatanindustrie für die SPD. Dabei hält er die noch rund 36.000 Beschäftigten auf den verbliebenen neun Zechen für problemaufgeschlossener als deren Arbeitgeber und Gewerkschaftsfunktionäre:

    "Ich habe Diskussionen mit Bergleuten gemacht - mit mehreren hundert Bergleuten. Da ging’s hoch her. Da wurden mir Blumen zugeworfen, an denen noch die Töpfe hingen, Gott sei dank nur im übertragenen Sinne. Ich hatte aber wirklich den Eindruck nach stundenlangen Redeschlachten, dass sie aber doch den Eindruck hatten, sie können an den Argumenten nicht vorbei. Die wollen eine Perspektive haben von der Politik. Die wollen nicht den Eindruck haben, dass die Politik sie einfach rausdrängen will aus ihren Jobs. "

    Der Ton der Wahlkämpfer beim Thema Kohle ist härter geworden. Massiv umwerben die Genossen ihre alte Klientel aus der Bergbaubranche. Die FDP
    - obwohl direkter Antipode der SPD in der Kohlepolitik - wird dabei vom Ministerpräsidenten bei seinen Wahlkampfauftritten demonstrativ nur kurz, dafür aber hart angegangen. Immer nach dem Motto: Warum sollen wir die wählen, die uns umbringen wollen. Attacken reitet Steinbrück lieber gegen die CDU:

    "Halbierung der Steinkohle-Beihilfen bis 2010 bedeutet
    klipp und klar, dass mit betriebsbedingten Kündigungen jetzt in diesem Jahr begonnen werden muss, mindestens in der Dimension von zehn- bis zwölftausend Menschen. "

    Doch Gerhard Papke, FDP, hält dagegen. Es wäre besser, den Bergarbeitern großzügige Abfindungen zu zahlen als weiterhin gigantische Summen in eine Branche zu pumpen, in der am Ende keine neuen, sondern immer weniger Arbeitsplätze zur Verfügung stehen:

    " 2012 wird der Anteil nach den Plänen von Rot-grün und den Verabredungen mit der DSK, der deutschen Steinkohle am deutschen Primärenergieverbrauch bei etwa drei Prozent liegen. Mir hat bisher noch niemand erklären können, wie man mit fünf oder drei Prozent so etwas wie nationale Energieversorgungssicherheit herstellt. "

    Die Liberalen wollen den sofortigen Ausstieg aus der Kohle-Subventionierung im Falle eines Wahlsieges am 22. Mai zur Koalitionsfrage mit der Union machen. Das ist ein Kernstück unserer programmatischen Identität, heißt es bei den Blaugelben aus Nordrhein-Westfalen. Ob es der SPD gelingen wird, mit ihrer Charme- und Verbaloffensive hinein ins Bergbaumilieu zu punkten, wird eine der spannenden Fragen der Wahlnachlese werden.