Dirk-Oliver Heckmann: Über den neuen Atombomben-Test in Nordkorea haben wir ja bereits ausführlich berichtet. Pjöngjang behauptet ja erneut, eine Wasserstoff-Bombe getestet zu haben. Das hat es Anfang vergangenen Jahres allerdings schon mal. Experten bezweifelten damals aber diese Behauptung, denn die Erschütterungen, die bei diesem Test damals gemessen worden waren, die waren dafür offenbar nicht ausreichend. Nun aber sind deutlich stärkere Erschütterungen gemessen worden, und darüber können wir jetzt sprechen mit Hartmut Koschyk. Er ist Vorsitzender der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe, gehört der CSU an. Schönen guten Tag, Herr Koschyk.
Hartmut Koschyk: Guten Morgen, Herr Heckmann!
Heckmann: Herr Koschyk, wie groß ist denn die Wahrscheinlichkeit aus Ihrer Sicht, dass Pjöngjang jetzt über die Wasserstoffbombe verfügt?
Koschyk: In Expertenkreisen war immer klar, dass Nordkorea nicht nur an der Verbesserung seiner Raketentechnologie, sondern auch an der Verbesserung seiner Nukleartechnologie arbeitet. Man kann jetzt mit letzter Gewissheit sicher nicht sagen, dass es ein erfolgreicher Test einer sogenannten Wasserstoffbombe gewesen ist, aber dass es eine sehr starke Sprengkraft mit entsprechenden seismographischen Messungen gewesen ist, das hat man ja sogar bis nach Deutschland zu einer Messstation gemerkt, und von daher muss man einfach davon ausgehen, dass es Nordkorea gelingt, nicht nur schrittweise seine Raketentechnologie zu verbessern, sondern auch seine Nukleartechnologie. Und das ist ja alles eine Linie, die sich seit geraumer Zeit abzeichnet, und jetzt muss man darauf politisch reagieren.
Heckmann: Politisch reagieren. Wie gefährlich ist die Situation denn aus Ihrer Sicht?
Koschyk: Ich glaube, die Situation ist deshalb gefährlich, weil zurzeit das Moment konzentrierter, geschlossener, kreativer Diplomatie der internationalen Gemeinschaft fehlt. Und die größte Gefahr, die ich im Moment sehe, dass diese internationale Gemeinschaft, die ja noch bei den letzten Provokationen Nordkoreas geschlossen im UN-Sicherheitsrat reagiert hat, mit Zustimmung Russlands und Chinas, dass die, wenn wir nicht aufpassen, droht, auseinanderzubrechen. Da ist natürlich diese widersprüchliche Gemengelage von Stimmen und Meinungen in den USA, wo man wirklich nicht weiß, wer hat dort den Plan, wie man aus dieser Krise rauskommt.
Keine Alternative zu Gesprächen mit Nordkorea
Da ist aber auch das Dilemma, in dem sich China befindet, das ja auf der einen Seite jetzt von diesem neuerlichen Nukleartest genauso brüskiert ist wie der Rest der internationalen Gemeinschaft. Man muss sich das vorstellen: China hat sehr viel Mühe verwandt, für dieses Brics-Treffen, und genau an dem Tag, an dem Xi Jinping dort seine Eröffnungsrede hält, platzt Nordkorea mit diesem Nukleartest hinein. Das ist ein gezielter Rundumschlag, mit dem Nordkorea allen zeigen will: Wenn ihr jetzt nicht bald mit uns sprecht, vor allem ihr, die USA, mit uns auf Augenhöhe, und meint, uns ständig durch Sanktionen und Druck von unserem Weg abbringen zu können, dann werdet ihr schon sehen.
Heckmann: Und sollte man darauf eingehen? Sollte man diese Gespräche auf Augenhöhe endlich dann doch mal mit Nordkorea führen?
Koschyk: Ja, was ist denn die Alternative? Ich meine, wir haben immer das Bild, dass Kim Jong-Un der Irre von Pjöngjang ist. Es gibt Analysten, die sagen, er ist noch diplomatisch gewiefter wie sein Vater. Die Bundeskanzlerin hat ja letzte Woche, wie ich finde, sehr bemerkenswert an die Iran-Verhandlungen erinnert. Da war man auch in einer Situation, wo man bei dem damaligen iranischen Präsidenten von wirklich einer Entschlossenheit ausgegangen ist, die Nukleartechnologie so weiterzuentwickeln und sie dann vielleicht sogar gegen Israel einzusetzen, und das hat die internationale Gemeinschaft auf den Plan gerufen.
Auch mit Nordkorea war man schon mal weiter. Es hat 1994 einen Vertrag der USA unter Einbindung der internationalen Gemeinschaft mit Nordkorea gegeben, wobei Nordkorea damals sein Waffenprogramm gestoppt hat, sich verpflichtet hat, den Atomwaffen-Sperrvertrag zu verhandeln, und im Gegenzug hat man Nordkorea Erdöl gegeben und ein internationales Konsortium, an dem die Europäische Union beteiligt war, hat zwei Leichtwasser-Reaktoren für die Stromproduktion begonnen zu bauen. Das ist dann alles wieder geplatzt und deshalb glaube ich, es besteht die Chance für Verhandlungen. Und dass die Bundeskanzlerin das Iran-Abkommen jetzt im Vergleich zur Situation mit Nordkorea ins Gespräch gebracht hat, ist richtig.
Man müsse Nordkorea etwas für die Einfrierung bieten
Heckmann: Das heißt, Herr Koschyk, Sie sagen ganz klipp und klar, der Westen muss einfach akzeptieren, dass Nordkorea Atommacht ist, und Gespräche, Verhandlungen auf Augenhöhe anbieten, ohne auch nur darauf zu pochen, dass das Atomprogramm irgendwie eingefroren wird oder so?
Koschyk: Nein! Selbstverständlich kann man Nordkorea nicht einfach durchgehen lassen, dass es diese Nuklearstrategie ständig fortführt. Aber ich glaube – und das ist auch ein Stück Schuld und Versagen der Diplomatie des Westens -, man wird Nordkorea sein Programm nicht mehr abhandeln können. Und Sie haben das richtige Stichwort genannt: "Freeze". Das heißt, erst mal Nordkorea als Verhandlungspartner auf Augenhöhe akzeptieren.
Direkte Gespräche werden auch zwischen den USA und Nordkorea notwendig sein. Die müssen nicht auf dem offenen Markt ausgetragen werden, die kann man auch vermitteln. Und dann muss man in der Tat ein Verhandlungskonzept haben, um Nordkorea dazu zu bewegen, dass es sein Programm einfriert, unter internationale Kontrolle stellt. Aber dafür muss man Nordkorea etwas bieten.
Heckmann: Sie sagen gerade Versagen der internationalen Diplomatie. Wenn wir jetzt auf Donald Trump gucken und auf die USA, kann sich ein Donald Trump solche Verhandlungen jetzt plötzlich mit Nordkorea erlauben, nach dem ganzen Wortgeklingel, was vorher stattgefunden hat, mit Feuer, Zorn, Macht und so weiter und so fort?
Koschyk: Na ja. Wenn Sie die letzten Wochen angucken, hat ja Donald Trump auch gesagt, ich zitiere, es wäre ihm eine Ehre, Kim Jong-un persönlich zu treffen, um mit ihm quasi von Mann zu Mann mal zu reden, wie man die Situation entkrampft und löst.
Jeder habe Angst, sich zuerst zu bewegen, wie beim Mikado
Heckmann: Das war aber vor diesen ganzen Tests.
Koschyk: Das war in der Zwischenphase, und das habe ich für einen Fehler gehalten. Als Nordkorea jetzt mal einen Moment Ruhe gegeben hat, hat Donald Trump geglaubt, sie sind jetzt so beeindruckt, dass sie sich zurückziehen, und das war eine Fehlinterpretation. Deshalb glaube ich, die USA und China müssen sich zusammensetzen. Man merkt, dass Russland auch zunehmend seine Stimme in dem Konflikt erhebt. Es hat ja letzte Woche sehr starke Einlassungen von Putin persönlich gegeben. Und ich glaube schon, dass in dieser Situation, wo die internationale Politik gefordert ist, auch die EU sich beratend gerade im Hinblick auf die Erfahrungen der Verhandlungen mit dem Iran einbringen kann, weil an den Verhandlungen mit dem Iran war die Europäische Union beteiligt. Und bei der Umsetzung des USA-Nordkorea-Abkommens von '94 war auch die Europäische Union beteiligt.
Heckmann: Der amerikanische Verteidigungsminister, der hat jetzt Nordkorea mit einem massiven Militärschlag gedroht, sollte es zu einem Angriff der Nordkoreaner auf die USA oder die Verbündeten kommen. Letzte Frage an Sie: Wie hoch ist die Gefahr aus Ihrer Sicht, dass wir vor einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Millionen Toten stehen?
Koschyk: Die Gefahr liegt darin, dass niemand zurzeit etwas unternimmt, um diese Eskalationsspirale zu durchbrechen. Das ist wie beim Mikado: Jeder hat Angst, sich zuerst zu bewegen, eine Initiative zu starten, weil er glaubt, dass er dadurch verliert. Aber gewinnen wird derjenige, der sich als erstes mit einem überzeugenden diplomatisch-politischen Konzept zu Wort meldet.
Heckmann: Hartmut Koschyk war das, Vorsitzender der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe, zum jüngsten Atomwaffen-Test in Nordkorea. Herr Koschyk, danke Ihnen für das Gespräch.
Koschyk: Danke, Herr Heckmann. Tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.