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Zusammenarbeit von DFB und Transparency International
"Das ist alles sehr unverbindlich"

Deutschland will die Fußball-EM 2024 ausrichten. Damit bei der Bewerbung - im Gegensatz zur WM 2006 - alles mit rechten Dingen zugeht, hat der DFB eine Zusammenarbeit mit Transparency International angekündigt. Wie umfassend die Begleitung der Organisation beim Bewerbungsprozess sein wird, ist allerdings noch unklar.

Jessica Sturmberg im Gespräch mit Bastian Rudde |
    DFB-Präsident Reinhard Grindel.
    Deutschland will die EM 2024 ausrichten. DFB-Chef Grindel kündigte Transparenz und Offenheit beim Bewerbungsverfahren an. (dpa-Bildfunk / Arne Dedert)
    Bastian Rudde: Die Europameisterschaft 2024 ausrichten - das ist das nächste große Ziel, das der DFB sich auf die Fahne geschrieben hat. Wieder ein Sommermärchen wie 2006 soll es werden. Dagegen nicht wiederholen sollen sich dubiose Zahlungen an mutmaßlich korrupte Funktionäre. So jedenfalls sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel letztes Jahr im September:
    "Wir brauchen Transparenz, wir brauchen Offenheit und Klarheit. Das ist alles beim WM-OK 2006 so nicht praktiziert worden. Und die Konsequenz kann für uns nur heißen - gerade auch mit Blick auf unsere Bewerbung um die Euro 2024 - vieles, ganz viel anders und vor allem sehr viel besser zu machen. Und ich bin ganz erfreut, dass ja zum Beispiel auch Transparency International Bewerbungsprozess begleitet."
    Die Anti-Korruptionsexperten von Transparency International Deutschland also als Begleiter und - wenn nötig - als Korrektiv im deutschen Bewerbungsprozess um die EM 2024. Wir wollten wissen, wie genau läuft eigentlich diese Zusammenarbeit? Meine Kollegin Jessica Sturmberg hat sich da länger mit befasst. Jessica Sturmberg, ist Ihnen klar, wie diese Zusammenarbeit genau aussehen soll?
    Jessica Sturmberg: Mein Eindruck ist, das ist eine komplexe Materie, und so ganz geklärt ist das offensichtlich auch noch gar nicht, wie diese Zusammenarbeit genau funktionieren soll und vor allem, was sie eigentlich alles umfassen soll. Der DFB und die Arbeitsgruppe Sport von Transparency International, die wird geleitet von Sylvia Schenk, haben sich getroffen und miteinander gesprochen, und sich dann darauf verständigt, dass Transparency jetzt erst einmal das Auswahlverfahren der Spielorte hier in Deutschland für eine mögliche EM 2024 begleiten wird. Und dann soll Schritt für Schritt weiter geschaut werden.
    Transparency hat einen Verhaltenskodex erstellt
    Rudde: Was ist genau unter "Begleitung" zu verstehen - sitzen jetzt immer Transparency-International-Leute in der DFB-Zentrale?
    Sturmberg: Das habe ich Sylvia Schenk gefragt auch vor dem Hintergrund, dass Transparency eventuell nicht nur bei dem Stadionauswahlverfahren, sondern auch beim eigentlichen Bewerbungsverfahren bei der UEFA eingebunden sein wird - also prüft Transparency beispielsweise Unterlagen und schaut sich Kontoauszüge an? Und sie hat uns das so erklärt:
    "Also Kontoauszüge haben jetzt erst mal mit der Auswahl der Spielorte ja gar nichts zu tun, außer da gehen jetzt gerade Zahlungen vom Spielort xy ein, mit denen der DFB bestochen wird. Aber so läuft das ja dann normalerweise nicht, dass man das in irgendwelchen Kontoauszügen beim DFB sehen würde. Im Moment geht es um die Spielortauswahl und dann werden wir die weiteren Schritte noch in Gesprächen festlegen. Wir sind eine ehrenamtliche Organisation, wir können jetzt nicht ständig neben jedem DFB-Mitarbeiter und den Mitarbeiterinnen sitzen und denen über die Schulter gucken. Wir haben aber bestimmte Regelungen aufgestellt. Es werden bestimmte Mechanismen, auch Kontrollmechanismen, auch interne Kontrollmechanismen eingebaut. Da ist der DFB auch inzwischen auch völlig anders aufgestellt, als es noch vor 15 Jahren der Fall war.",
    glaubt Silvia Schenk. Kritiker bezweifeln das. Man muss sich das eher so vorstellen: Transparency hat einen Code of Conduct, einen Verhaltenskodex erarbeitet. Das ist im Grunde der gleiche Verhaltenskodex, wie er auch schon für die Olympiabewerbungen München und Hamburg erstellt wurde, auf den DFB zugeschnitten und nennt sich "Grundsätze einer transparenten Bewerbung um die Euro 2024".
    Sylvia Schenk von der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International
    Sylvia Schenk von der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International (imago sportfotodienst)
    Rudde: Die Stadt Dortmund mit dem größten Stadion in Deutschland hat gerade ihre Entscheidung verschoben, ob sie Spielort sein will. Städte wie Kaiserslautern beklagen ein unkalkulierbares finanzielles Risiko und intransparente Kriterien des DFB. Ist das ein Zeichen, dass die Zusammenarbeit mit Transparency International schon mal nicht gefruchtet hat?
    Sturmberg: Sie findet an dieser Stelle wohl noch gar nicht statt. Die Zusammenarbeit läuft erst noch an. Und so wie es der DFB und Transparency International beschrieben haben, geht es vor allem darum, dass Transparency Einblicke in die Auswertung erhält, um nachvollziehen zu können, nach welchen Kriterien die zehn Spielorte ausgewählt wurden. Und dass da nicht gemauschelt wird, also eine Stadt gegenüber einer anderen den Vorzug erhält, ohne dass klar wird, warum diese und nicht jede ausgewählt wurde. Dass Städte womöglich Bedenken haben, und erst wissen wollen, was kostet sie das eigentlich und wer übernimmt welche Kosten, das war bisher noch gar kein Thema. Wenn man das aufgreifen will, müssten sich beide Seiten allerdings schon jetzt beeilen, bis 10. Juli müssen die Städte, die dabei sein wollen, ihr Interesse formal bekundet haben. Am 18. September will der DFB entscheiden.
    Der Fokus liegt auf dem nationalen Bewerbungsverfahren
    Rudde: Sie haben es schon angesprochen, nach der Auswahl der zehn Städte ist der nächste Schritt, dass der DFB seine Unterlagen bei der UEFA einreicht und dort dann auf Stimmen hofft, um sich dann letztendlich gegen den einzigen Mitbewerber, den türkischen Verband, durchzusetzen. Dieses Buhlen um Stimmen hat sich im Sommermärchen 2006 als offensichtlich neuralgischer Punkt erwiesen. Wie ist Transparency International dort eingebunden?
    Sturmberg: Im Moment noch gar nicht. Die Bewerbung muss am 27. April 2018 abgegeben werden. Und momentan ist offensichtlich noch nicht ganz klar, inwieweit Transparency auch da noch weiter im Boot ist. Vom DFB heißt es dazu: Der Fokus der Zusammenarbeit liege aktuell auf dem nationalen Bewerbungsverfahren. Eine weitere Fortsetzung sei geplant. Da hört man schon raus, das ist sehr unverbindlich, es gibt darüber auch keinen Vertrag. Transparency bekommt auch kein Geld für diese Zusammenarbeit, auch keine einzelnen Personen, das ist eine ehrenamtliche Begleitung dieses Verfahrens.
    Rudde: Aber: Wäre nicht die Überwachung des Bewerbungsprozesses bei der UEFA der springende Punkt?
    Sturmberg: Das ist natürlich der springende Punkt. Es gibt zwei Wettbewerber, Deutschland und die Türkei. Und die Frage ist, wird am Ende tatsächlich derjenige ausgewählt, der die objektiv besten Voraussetzungen mitbringt oder muss man, um die EM zu bekommen, Stimmen kaufen? Oder anders gesagt: Wie heftig wird im Hintergrund bei der UEFA um diese EM 2024 gerungen? Sylvia Schenk schätzt das so ein:
    "Ich sehe allerdings im Moment auch nicht eine Wettbewerbssituation im internationalen Raum, wo man sagen muss, da muss dringend bestochen werden."
    Wir haben hier im Programm schon darüber berichtet, dass das mitnichten eine ausgemachte Sache für den DFB ist und sehr wohl da gerungen wird. An der Stelle gehen die Einschätzungen auseinander. Jetzt kann man sagen, damit unterstellen wir der UEFA, dass sie das Verfahren nicht so durchführt, dass Bestechung ausgeschlossen wird. Ich würde es eher so sagen: Ich würde das nicht grundsätzlich ausschließen. Man muss der UEFA zugestehen: Sie lässt ihr Auswahlverfahren auch begleiten - durch die Sports and Rights Alliance - ein Zusammenschluss aller wichtigen NGOs wie Amnesty International, Terre des hommes, Transparency International (hier allerdings nicht die deutsche Sektion) oder der Internationalen Gewerkschaftsorganisation. Aber die sind durchaus etwas vorsichtiger und sagen: Die UEFA hat ihre Kriterien im Auswahlprozess aufgegriffen und das ist auch gut, aber am Ende ist die Frage, steht das nur auf dem Papier oder wird es auch umgesetzt?
    Kein Gütesiegel von Transparency International
    Rudde: Ihre Einschätzung: Ist die Zusammenarbeit mit Transparency International wirklich der große Wurf, von dem der DFB spricht? Oder lässt sich Transparency International gar vor den Karren spannen und riskiert Reputationsverlust?
    Sturmberg: Bisher ist es noch gar kein Wurf. Dafür, dass Grindel das schon vor einem Dreivierteljahr angekündigt hat, ist das noch alles sehr unverbindlich. Und wenig konkret. Es gibt den Verhaltenskodex, aber die entscheidende Frage ist, wie wird dieser gelebt, dafür wird Transparency nicht die Hand ins Feuer legen. Weil auch die Frage ist, wie das wirklich kontrolliert werden soll. Transparency International übernimmt hier keine Verantwortung und macht da keinen Stempel oder Gütesiegel drauf. Sylvia Schenk schätzt das selbst so ein:
    "Garantie kann Ihnen nie jemand geben. Wir sagen das von vorneherein, was wir machen und was wir nicht machen können, weil es niemand machen kann. Insofern haben wir da keine Befürchtung, dass wir ein Feigenblatt sind. Ein Feigenblatt wären wir aus meiner Sicht, wenn wir da gar nicht richtig hinschauen, wenn wir sagen, och ja, schreibt irgendwo Compliance drüber und dann interessiert es uns gar nicht, was Ihr eigentlich dort macht."
    Ja klar, man kann sagen, besser wir begleiten das so als gar nicht und geben unseren Input da rein. Aber ich sehe die Gefahr durchaus gegeben, dass Transparency als Aushängeschild genutzt werden könnte und hinter den Kulissen dann doch Dinge passieren, wo zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine Lücke ist.