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Zusammengegoogelte Hausarbeiten

Früher waren es nur die Physiker, Mathematiker und Informatiker, die das Internet auch als Werkzeug für die wissenschaftliche Arbeit eingesetzt haben. Heute jedoch gibt es zu jeder noch so exotische Fachrichtung Informationen im Netz. Für Studierende ist der Browser mindestens so wichtig wie der Karteikasten in der Unibibliothek. Ist er aber auch so leistungsfähig?

Von Jasper Barenberg | 10.08.2005
    Katharina brütet in der Kieler Uni gerade über ihrer Magisterarbeit in nordischer Philologie. Systematische Recherche hält die 25-Jährige zwar für ein mühsames, aber letztlich doch für ein unverzichtbares Geschäft. Und sie beginnt wie eh und je in der Unibibliothek.

    " Na ja, ich habe halt mein Thema. Und versuche dann über die Literaturrecherche über die UB mit Schlagwörtern zu arbeiten und zu gucken, was dabei herauskommt. Und dann sammele ich erst mal diese Bücher. Und dort gibt es ja auch wieder Bibliographien. Und dann geht es halt über diese Bibliographien weiter."

    Vielen aber erspart inzwischen das Internet den Gang in die Bibliothek.

    " Jetzt schreibe ich gerade meine Diplomarbeit und nutze das Internet viel - allein um Literatur zu finden oder gute Fachartikel auf speziellen Seiten von Institutionen."

    Nicht nur der Sozialpädagoge Gero nutzt die Möglichkeiten ausgiebig, online zu recherchieren. Auch die Ökotrophologin Sandra empfindet das Internet als große Erleichterung - jedenfalls im Prinzip.

    " Es gibt ja Datenbanken. Und dann tippe ich da halt Stichworte ein. Dann finde ich da wissenschaftliche Studien. Über die Uni sind auch ein paar Zeitschriften freigeschaltet, an die ich umsonst rankomme. Und dann gibt es theoretisch noch viele andere Aufsätze, wo ich dran komme, wenn ich Geld dafür bezahlen würde."

    Unter den Lehrenden aber sind viele nicht ganz so uneingeschränkt begeistert von den schönen neuen Möglichkeiten. Harm von Seggern etwa, Dozent am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte.

    " Selbst mit den Suchmaschinen - Google usw. Das ist alles schön und gut. Aber: die Welt ist deutlich größer als das Internet. Da muss man manchmal aufpassen, dass Studenten nicht in so eine Falle rennen, dass sie dann sagen: das hat es im Internet nicht gegeben, also hat es das in der Realität nicht gegeben. Dieses Missverständnis auszurotten, da muss man aufpassen."

    Dass sich Studierende oft allzu sehr, manchmal ausschließlich auf das Internet verlassen, hält auch der Germanist Christoph Jürgensen für problematisch. Er sieht die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit in Gefahr:

    " Das liegt einfach daran, dass man im Internet sehr, sehr schnell etwas findet, was in der Bibliothek länger dauert - und dann häufig nicht mehr sucht. Und dann zunächst jedenfalls nicht das findet, jedenfalls nicht zwangsläufig, was gut ist."

    Die Unzulänglichkeiten des Internets und der begrenzte Nutzen für wissenschaftliche Arbeiten sind vielen Studierenden allerdings durchaus bewusst.

    " Es ist immer wichtig, dass man konkrete und vernünftige Quellenangaben hat. Dass heißt, wenn ich jetzt was habe, dass von einem Menschen, der Ahnung hat, zusammengestellt ist, aber da steht keine vernünftige Quelle, dann kann ich damit nichts anfangen. Dann mag das alles richtig sein, es kann für mich persönliche wichtig sein, aber ich kann es nicht in eine Seminararbeit reinstecken."

    " Ich musst mal ein Referat über Friedrich Nietzsche halten. Und da war das rein zu seiner Biographie schon ganz hilfreich. Da habe ich Wikipedia benutzt, was ja ein bisschen bekannter ist. Das war jetzt nicht die verlässliche Quelle und eignet sich auch schwer zum Zitieren in mehr als einem Referat, gibt aber einen ersten Überblick."

    Befremdlicher aber finden Lehrende, dass über Möglichkeiten dieser Art wirklich sinnvolle online- Angebote an Nachschlagewerken, Bibliographien oder Jahresschriften vernachlässigt werden. Als größtes Übel aber betrachten sie das Plagiat. Germanist Christoph Jürgensen hat damit mehr als genug Erfahrungen gesammelt.

    " Die eine Variante ist die einfachste, das ist hausarbeiten.de. Da gibt es schon Leute, die das schlicht ausdrucken. Das ist natürlich relativ ungeschickt - das ist einfach eine sechs dann. Es gibt die Möglichkeit, Sachen einfach abzuschreiben oder sehr leicht zu variieren und die Quelle nicht anzugeben. Das kommt natürlich alles vor."

    Es gibt viele Studierende, die es sich zu einfach machen, sagt der Historiker Harm von Seggern. Das Internet erweitert die Möglichkeiten der Recherche, verleitet aber auch zur Nachlässigkeit. Und ist deshalb in seinen Augen auch nur ein Grund dafür, dass die Qualität der wissenschaftlichen Arbeiten insgesamt nachgelassen habe.

    " Die hat abgenommen, würde ich sagen. Aber die hat nicht wegen des Internets abgenommen, sondern die hat wegen allgemeiner Veränderungen abgenommen - Umgang mit der Sprache, Genauigkeit usw. Präzision als Kategorie wissenschaftlichen Arbeitens wird manchmal schwer, zu vermitteln."