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Zusatzstoffe in Lebensmittel
Süßstoffe sind nicht für jeden geeignet

Süßstoffe gelten als gesunde und kalorienfreie Alternative zu Zucker. Wer zum Zuckerersatz greift, um Kalorien zu sparen und abzunehmen, sollte aber genau aufpassen. Denn unter Umständen erhöht sich sogar der Bedarf nach süßem Essen.

Von Susanne Kuhlmann |
    Stevia in Tablettenform neben Haushaltszucker.
    19 Süßungsmittel sind zurzeit in der EU zugelassen (picture alliance /dpa /Jens Kalaene)
    "Süßstoffe können hilfreich sein für diejenigen, die gerne Kalorien einsparen möchten oder keinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel haben wollen - für Diabetiker geeignet – und trotzdem einen süßen Geschmack haben wollen."
    Ein Tropfen oder Kügelchen genügt, um eine Tasse Kaffee oder Tee zu süßen – elf zugelassene Süßstoffe von Acesulfam bis Thaumatin süßen 30 bis über 30.000 Mal mehr als Zucker. Anja Krumbe ist Sprecherin des Süßstoff-Verbandes. Ältester künstlicher Süßstoff ist das Saccharin mit der E-Nummer 954. Es hat 300 bis 500 Mal mehr Süßkraft als Zucker und kam schon 1887 auf den Markt.
    "Saccharin, zufällig entdeckt von Herrn Fahlberg, auf den Markt gebracht worden von ihm, hat direkt zu Aufruhr geführt in der Zuckerindustrie, wurde zeitweise verboten, im Ersten Weltkrieg wieder erlaubt, dann wieder verboten, erlaubt, verboten, erlaubt."
    Und ist bis heute einer der am meisten genutzten Süßstoffe in Deutschland. Saccharin und die anderen Süßstoffe ersetzen Zucker in Getränken, Milchprodukten, Konfitüren, Senf, Kaugummi und vielem mehr. Und das nahezu ohne Kalorien und ohne Karies hervorzurufen. Das gilt auch für Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit oder Xylit. Auch sie sind deutlich kalorienärmer als Zucker, und man kann auch damit backen, weil sie eine Masse haben und nicht – wie Süßstoffe - tröpfchenweise dosiert werden. Was allen Süßungsmitteln allerdings fehlt, sagt Anja Krumbe, ist der Zuckergeschmack.
    Richtige Kombination kann Geschmack abrunden
    "Zucker schmeckt nicht einfach nur süß, sondern Zucker schmeckt nach Zucker. Das macht es so schwierig, da ran zu kommen. Da sind auch natürliche Süßstoffe nicht immer ganz vorne dabei, wenn es um Zuckergeschmack geht. Dadurch fängt man an zu kombinieren, um einen Nebengeschmack rauszukriegen. Bei Saccharin und Cyclamat ist es so – das weiß man erst seit kurzem – dass die gegenseitig den Bittergeschmack wegnehmen und dadurch den runden Geschmack mehr hinkriegen als ein Süßstoff alleine."
    Die richtige Kombination bringt also Fehlnoten wie bittere oder lakritzartige Geschmackskomponenten einzelner Süßstoffe zum Verschwinden. Weiterer Vorteil: Süßstoffmischungen ergeben eine höhere Süßkraft als die addierten Anteile der einzelnen Substanzen.
    "Die Frage ist, kann man mit Produkten, die nur mit Süßstoffen oder Süßungsmitteln gesüßt werden, wirklich Kalorien sparen?"
    Britta Klein vom Bundeszentrum für Ernährung ist skeptisch. Im Rahmen von Programmen zum Abnehmen können Süßstoffe zwar ein wichtiges Hilfsmittel sein, heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Ein Allheilmittel für Menschen, die sich an viel Süße gewöhnt haben und schlanker werden wollen, sind sie aber nicht. Möglicherweise befördern sie sogar die Lust auf Süßes, warnen Ernährungsmediziner. Britta Klein mit einem Beispiel:
    "Die trinken einen Liter süßstoffgesüßte Cola am Tag, sagen, damit habe ich keine Kalorien zu mir genommen, haben aber einen erhöhten Bedarf nach süßem Essen. Deswegen ist es schwierig für viele Leute, mit Süßstoffen Kalorien zu sparen. Nicht für alle, aber für viele Leute."
    Süßstoffe auch in Fisch- und Fleischkonserven, Feinkostsalate und Fertigsoßen
    Wer seinen persönlichen Süßstoffkonsum ermitteln will, muss nicht nur süß schmeckende Getränke und Lebensmittel im Blick haben, sondern zum Beispiel auch Fisch- und Fleischkonserven, Feinkostsalate und Fertigsoßen. Eine Gefahr für die Gesundheit stellen Süßstoffe nicht dar, wenn sie in Maßen konsumiert werden, so das Bundesinstitut für Risikobewertung. Dass manche Süßstoffe krebserregend wirkten, wie gelegentlich behauptet wird, sei wissenschaftlich nicht belegt. Auch das vielgescholtene Aspartam muss nur von Menschen gemieden werden, die unter einer seltenen Stoffwechselerkrankung leiden. Es besteht aus Eiweißbausteinen, die vom Darm verarbeitet werden. Andere Süßstoffe wirken sich überhaupt nicht auf den Stoffwechsel aus.
    "Es gab immer wieder sogenannte Reviews der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde, die die Bedenken letztlich nicht bestätigen konnten. Trotzdem warnen wir Menschen vor zu hohem Süßstoffkonsum – da gibt es akzeptable tägliche Aufnahmemengen. Und wir warnen generell davor, kleine Kinder mit Süßstoff zu versorgen."
    Langsam vom Süßen wegkommen
    Zum einen unterscheiden sich die Stoffwechselaktivitäten erheblich von denen Erwachsener. Zum anderen wird die Vorliebe für Süßes oder zu viel Süßes im Kleinkindalter angelegt.
    "Besser wäre, man würde an das Süß rangehen", meint Britta Klein vom Bundeszentrum für Ernährung. Die Bundesregierung hat schon vor einigen Jahren eine Expertenkommission eingesetzt, die versucht, die Lebensmittelproduktion salz- und zuckerärmer zu machen. Die Hersteller zeigen sich noch zurückhaltend.
    Doch zu Hause kann jeder probieren, auf einen weniger süßen Alltag umzusteigen, schlägt Britta Klein vor.
    "Ich trinke weiter Limo. Aber ich nehme mir jeden Tag vor, ich schütte immer einen kleinen Schluck Mineralwasser dazu. Und am nächsten Tag noch einen Schluck und noch einen Schluck. Dann gewöhnt man sich das Süß ein wenig ab."