"Verschiedene Prozesse in der Lebensmittelverarbeitung wirken sich nachteilig auf den Geschmack aus." So erklärt Julia Gelbert, warum die Lebensmittelindustrie überhaupt zu Geschmacksverstärkern greift. Sie ist wissenschaftliche Leiterin beim Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), dem Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft. Beim Kleinschneiden und Kochen, Vermischen, Kühlen und Verpacken von vorgefertigten Gerichten bleibt manches auf der Strecke.
"Wird zum Beispiel eine längere Haltbarkeit angestrebt, dann muss der Geschmack ein bisschen ausgeglichen werden. Dazu können Geschmacksverstärker dienen."
Im Zutatenverzeichnis auf der Verpackung müssen sie mit ihrem Klassennamen "Geschmacksverstärker" genannt sein und mit ihrer Bezeichnung - zum Beispiel Mononatriumglutamat oder der entsprechenden E-Nummer - in diesem Fall 621.
"Geschmacksverstärker dürfen sehr vielen Lebensmitteln zugesetzt werden, in einer Menge von maximal zehn Gramm pro Kilogramm. Aber die tatsächliche Dosis liegt üblicherweise deutlich darunter bei etwa ein bis fünf Gramm pro Kilogramm."
"Geschmacksverstärker machen Kochen billig"
Der bekannteste und zugleich umstrittenste Geschmacksverstärker ist das Glutamat. Es kommt unter anderem in Tiefkühlgerichten und Tütensuppen vor, in Salat- und Würzsoßen, in Kartoffelchips und asiatischem Essen und zwar als Glutaminsäure mit der E-Nummer 620 oder als einem ihrer fünf Salze, E 621 bis E 625. Glutamat wurde mit dem sogenannten China-Restaurant-Syndrom in Verbindung gebracht, körperlichen Missempfindungen nach chinesischem Essen. Davon sind einzelne Menschen betroffen, aber welcher Mechanismus die Beschwerden auslöst, ist noch unbekannt.
Ist Glutamat ein "Gefrässigmacher", der die Esslust steigert? Ist es gar ein Nervengift, das Migräneattacken auslösen oder sogar zu Alzheimer oder Parkinson führen kann, wie Kritiker fürchten? Dass Glutamat die Blut-Hirn-Schranke überwinden und in den Gehirnstoffwechsel eindringen kann, halten die meisten Forscher derzeit für unwahrscheinlich. Sollte man trotzdem lieber zurückhaltend damit umgehen?
"Es gibt nichts, was man so gut meiden kann wie Geschmacksverstärker", sagt Britta Klein vom Bundeszentrum für Ernährung, BZfE in Bonn.
"Da sind wir wieder beim leidigen Thema: Wir kochen selber. Geschmacksverstärker machen Kochen billig. In dem Moment, wo Sie mit den Geschmacksverstärkern würzen, sparen Sie Gewürze ein. Und Gewürze sind teuer." Glutaminsäure ist eine natürliche Aminosäure. Etwa 50 Gramm Glutamat bildet der Körper täglich selber.
Auch eine selbstgekochte Nudelsoße aus frischen Tomaten enthält Glutamat. Der darüber geriebene Parmesankäse ebenfalls. Ähnlich viel wie in Parmesan steckt in Roquefort; weniger in Hühnerei, Fisch, Soja oder Hefe und sogar in Muttermilch. Hefe und Soja sind übrigens im Spiel, wenn Fertiggerichte mit dem Zusatz "ohne Geschmacksverstärker" beworben werden, erklärt Britta Klein.
"Dann darf man trotzdem nochmal hingucken, weil es auch möglich ist, dass zwar keine E-Nummer drin ist, aber vielleicht eine sogenannte Würze oder ein Hefeextrakt. Die sind nicht als E-Nummern zugelassen, sondern Zutaten."
In diesem Fall gilt die Zutat Hefeextrakt nicht als Stoff, der zu technologischen Zwecken eingesetzt wird. Er muss nicht mit einer E-Nummer oder seinem Namen als Zusatzstoff gekennzeichnet werden. Julia Gelbert vom Herstellerverband BLL ergänzt: "Beim Verbraucher sind Zusatzstoffe grundsätzlich nicht besonders beliebt, und deshalb versuchen die Hersteller, Alternativen zu finden. Und da ist Hefeextrakt eine mögliche Alternative."
Nicht zu viele Glutamate aufnehmen
Britta Klein plädiert dafür, möglichst ganz auf zugesetzte Geschmacksverstärker und deren Alternativen zu verzichten:
"Halten Sie den Konsum in Grenzen. Denn erstens, ich sage es ganz salopp, ruiniert er Ihnen etwas den Geschmack. Sie suchen den Glutamatgeschmack in den anderen Lebensmitteln auch und empfinden die als nicht gut gewürzt. Und zweitens gibt es durchaus Hinweise darauf, dass man nicht zu viele Glutamate aufnehmen sollte."
Europäer aller Altersgruppen essen durchschnittlich so viel Glutamat, dass es möglicherweise die Gesundheit gefährden könnte. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA weist in einer Studie darauf hin, dass Kopfschmerzen, aber auch erhöhter Blutdruck oder gestiegener Insulinspiegel die Folge sein könnten.
Öfter mal selber kochen - das ist die Alternative zu Fertigkost mit Geschmacksverstärkern oder deren Ersatz, selbst wenn sich erst einmal gewisse Entzugserscheinungen einstellen könnten, empfiehlt Britta Klein: "Dann sollten Sie sich sehr stark damit beschäftigen, wie kann ich mit Gewürzen würzen, ohne dass ich zu stark salze. Man kann es ein bisschen mit Sojasoße versuchen, die auch Glutaminsäure enthält, aber die man selber dosieren kann. Da ist Probieren angesagt."