Bereits vor zehn Jahren erklärte der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch, wir lebten im postdemokratischen Zeitalter. 2016 veröffentlichte der belgische Intellektuelle David van Reybrouck das vielbeachtete Buch "Gegen Wahlen", in dem er sich für eine Abschaffung der demokratischen Wahlen aussprach und stattdessen ein Losverfahren vorschlug.
"Nach der US-Wahl habe ich mich zum ersten Mal bei dem Gedanken erwischt, ob ein Losverfahren nicht angemessener gewesen wäre", sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert scherzhaft im DLF. Insgesamt halte er aber weiter an der Demokratie fest. Es sei schon immer so gewesen, "wenn wir mit etwas Außergewöhnlichen herausgefordert werden, dass wir glauben, wir seien die erste Generation, die damit zu tun habe." Das stimme aber nicht. Bevor es zum "Niedergang der parlamentarischen Demokratie" komme, gebe es noch die Instanz des Bundesverfassungsgerichts, das sich diesem Vorgang sicherlich mit allen Mitteln in den Wege stelle.
"Mir würde diese Partei nicht fehlen, wenn sie im nächsten Bundestag nicht vertreten wäre"
Dennoch beobachte er eine zunehmende Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger. Aufgabe des Parlaments sei es, die unterschiedlichen Stimmungen, Meinungen und Strömungen in der Gesellschaft im Deutschen Bundestag widerzuspiegeln. Das sei in der vergangenen Legislaturperiode nicht der Fall gewesen, sagte Lammert. "Wenn bestimmte Auffassungen in der Gesellschaft entweder nicht mehr vorhanden oder nicht mehr erkennbar sind, dann entsteht das Bedürfnis, diese in eigenen Organisationen zu vertreten." Das führe dann zu Bewegungen wie der AfD. Ob die AfD im September in den Bundestag einziehe, sei noch offen. Sei das nicht der Fall, werde sie ihm aber auch nicht fehlen, sagte Lammert im DLF.
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