Manche Folgen des Kohlendioxidausstoßes der Menschheit sind vorhersagbar: etwa, dass die Ozeane saurer werden oder der Treibhauseffekt den Meeresspiegel ansteigen lässt, erklärt Sarah Moffitt von der University of California in Davis:
"Klar ist auch, dass durch die Klimaerwärmung der Sauerstoffgehalt in der Tiefsee sinkt, denn dadurch verändern sich die Meeresströmungen und warmes Wasser nimmt weniger Sauerstoff auf als kaltes. Um die Folgen für Lebewesen und Ökosysteme abzuschätzen, haben wir zwei abrupte, starke Erwärmungsphasen in der Zeit um 13.000 Jahre vor heute untersucht. Diese Phasen am Ende der jüngsten Eiszeit sind für uns so etwas wie ein Laboratorium."
Schnelle Erwärmungen stören Ökosysteme tiefgreifend
5.400 Fossilien steckten in dem Bohrkern aus dem Santa-Barbara-Becken vor Kalifornien. Durch ihre Analyse sahen die Forscher, was in diesem Becken passierte. Die Auswertung chemischer Signale in den Sedimenten erlaubte Rückschlüsse auf größere Zusammenhänge. So spiegelt der Bohrkern für diese Region das Geschehen am Ende der jüngsten Eiszeit wider. Damals wechselten Warm- und Kaltphasen einander abrupt ab: Innerhalb Jahrzehnte konnte es wärmer werden - und mit der Erwärmung veränderte sich auch der Sauerstoffgehalt im Meerwasser:
"Schnelle Erwärmungen schlagen auf die Tiefsee durch und stören die Ökosysteme tief greifend: Die an das Leben in sauerstoffreichem Wasser angepassten Tiere verschwinden innerhalb weniger Jahrzehnte. Es gibt keine Seeigel oder Schnecken mehr, weder Muscheln noch Seesterne."
Durch die Abnahme des Sauerstoffgehalts seien diese Tiefseetiere schlicht erstickt, beschreibt die Forscherin. Stattdessen wuchsen Bakterienmatten und einzellige Lebewesen namens Foraminiferen:
"Die Foraminiferen, die wir finden, gedeihen in dieser extremen Umgebung sehr gut und treten plötzlich in großen Zahlen auf. Dann erscheinen andere Spezialisten, die wenig Sauerstoff brauchen: Einige Würmer etwa oder eine Schneckenart, die Bakterienmatten abgrast und Muscheln, die mit schwefeloxidierenden Bakterien in Symbiose leben."
Die Tiefsee reagiert empfindlich auf Veränderungen in der Atmosphäre. Die vielfältige, an sauerstoffreiches Wasser angepasste Tierwelt verschwand schnell. Und obwohl der Umschwung zu den kalten Perioden innerhalb weniger Jahre abgelaufen sein soll, zog sich - zur Überraschung der Forscher – die Erholung der Ökosysteme über mehr als 1.000 Jahre hin:
"Die Rückkehr von einem sehr gestörten System hin zu einem ungestörten läuft anscheinend in Stufen ab. Dabei bilden beispielsweise die Muscheln, die mit Bakterien in Symbiose leben, eine Zwischenstation."
Außerdem muss überhaupt erst wieder sauerstoffreiches Oberflächenwasser in die Tiefsee gelangen. Das hängt unter anderem von den Meeresströmungen ab. Solche ozeanografischen Faktoren könnten die Erholung verzögern. Das betont Daniele Bianchi von der University of Washington in Seattle. Er beurteilt den Aufsatz seiner Kollegen:
"Das Spannende an dieser Arbeit ist, dass sie ein uns gut bekanntes Geschehen - das Schmelzen der Gletscher und des Meereises am Ende der Eiszeit - mit dem verbindet, was in den Ökosystemen passiert. Bislang ist so noch nie untersucht worden, wie sich Klimawandel und Veränderungen in den Meeresströmungen auf die Tiere am Meeresboden auswirken. Man hatte Mikroorganismen und Plankton im Blick. Nun zeigt sich, dass das gesamte Meer betroffen ist."
Und Sarah Moffitt erzählt, dass sich schon heute durch den Klimawandel zunehmend sauerstoffarme Zonen in den Meeren ausbreiteten. Und sie warnt: Ihren Forschungen zufolge blieben die Auswirkungen dieser Veränderungen auf die Ökosysteme für immer erhalten – jedenfalls mit Blick auf die Lebensspanne eines Menschen. Der Menschheit bliebe dann nicht anderes, als mit diesen sauerstoffarmen Ozeanen zurecht zu kommen.