Nermin Buyrut unterrichtet an der Gesamtschule Gelsenkirchen Ückendorf seit Kurzem in einer sogenannten internationalen Förderklasse. Zwei Stück gibt es an der Schule. Dort sitzen vor allem Bulgaren und Rumänen, die erst seit wenigen Wochen in Deutschland leben. Ihre Eltern sind gekommen, weil sie sich durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit einen guten Job und ein besseres Leben als in ihrer Heimat erhoffen. Ihre Kinder müssen sofort zur Schule, doch sie können kein deutsch.
Nermin Buyrut ist eigentlich Kunstlehrerin, sie unterrichtet trotzdem in der Förderklasse, zusätzlich zu ihren normalen Unterrichtsstunden - für sie eine Ehrensache.
"Ich dachte mir, die haben es doch schon schwer genug hier. Völlig neue Umgebung, keine Freunde. Dann sollen sie in so ein riesen System kommen?"
Schulen fordern mehr Geld
Schulen, an die jetzt viele bulgarische und rumänische Kinder kommen, können beim Ministerium Gelder beantragen, um zusätzliche Lehrer für die Förderklassen einzustellen. Zwei Stellen konnten an der Gesamtschule so geschaffen werden. Doch das reiche nicht, sagt der stellvertretende Schulleiter der Gesamtschule Gelsenkirchen Ückendorf, Achim Elvert. Deshalb ist er auf die Hilfe der anderen Lehrer angewiesen.
"Im Moment ist es so, dass die Schüler ausschließlich in der internationalen Förderklasse unterrichtet werden - im Vormittagsbereich. Für eine Ganztagsabdeckung fehlen uns die Lehrkräfte in diesem Moment. Ziel ist natürlich, dass die Schüler irgendwann in den Regelbetrieb übergeführt werden."
15 Schüler sollten in einer Förderklasse sitzen, sagt Elvert. Aktuell sind es an seiner Schule aber über 20, und er rechnet damit, dass es in den nächsten Wochen noch mehr werden. Gelsenkirchen ist kein Einzelfall. Schulen in anderen Ruhrgebietsstädten, aber auch in Berlin, Frankfurt und München stellt die Arbeitnehmerfreizügigkeit vor Herausforderungen. Dabei ist es nicht nur für die Schüler schwer, sich zurechtzufinden. Auch die Lehrer in den internationalen Förderklassen müssen sich umstellen, sagt Achim Elvert von der Gelsenkirchener Gesamtschule.
"Die eine Herausforderung ist, dass unsere Lehrer natürlich nicht die jeweilige Heimatsprache der Kinder können. Also es ist nicht so, wie man es vielleicht aus dem Englischunterricht kennt: Eigentlich können alle deutsch und man lernt dann eine neue Fremdsprache, sondern tatsächlich gibt es am Anfang keine gemeinsame Sprache."
Kommunikation mit Händen und Füßen
Mit Händen und Füßen läuft die Kommunikation anfangs in den Förderklassen. Bis die Schüler dem normalen Unterricht folgen können, wird es wohl noch dauern. Das liegt auch daran, dass auf dem Schulhof der Gesamtschule Gelsenkirchen Ückendorf kaum jemand ohne Probleme deutsch spricht. 95 Prozent der Schüler haben einen Migrationshintergrund. Die Schule liegt in einem sozial schwachen Stadtteil.
Der stellvertretende Schulleiter Achim Elvert fände es deswegen sinnvoll, wenn die zusätzlichen Migranten auf das ganze Stadtgebiet aufgeteilt würden. Dadurch hätten manche zwar einen längeren Schulweg, ihnen würde die Integration aber erheblich erleichtert. So einfach geht es aber nicht, sagt die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann von den Grünen.
"Bei der Frage, welche Kinder besuchen welche Schulen, spielen ja verschiedene Faktoren hinein: Es spielt natürlich der Schulweg eine Rolle, es spielt auch der Elternwunsch eine Rolle, es spielt das soziale Umfeld der Kinder eine Rolle. Also, wenn wir dann Kinder über das ganze Stadtgebiet durch die Gegend schicken, dann hat das so gravierende Nachteile. Und so viele Kinder, dass sie überall verteilt werden müssen, sind es auch nicht."
Zweifel an den Integrationschancen
Die Agentur für Arbeit schätzt, dass bis zu 180.000 Bulgaren und Rumänen durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Deutschland kommen werden, darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche. Wenn diese auf nur wenige Schulen verteilt werden, kann die Integration nicht funktionieren, glaubt Fritz Bender, Lehrer an der Gelsenkirchener Gesamtschule:
"Wenn sie dann auf Schülerinnen und Schüler treffen, die selbst Schwierigkeiten haben mit dem Deutschen, also für die deutsch nicht die erste Sprache ist, dann ist es umso schwieriger, diese Kinder zu fördern. Ich frage mich nach der Perspektive: Und da bin ich pessimistisch."