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Zwang im Gesundheitssystem
"Organspende muss eine freiwillige Entscheidung bleiben"

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will, dass automatisch alle potentielle Organspender sind, die nicht ausdrücklich widersprechen. Seiner Parteikollegin Karin Maag geht das zu weit. Sie sprach sich im Dlf für die aktuelle Zustimmungslösung aus - mit einem zentralen Register der Organspender.

Karin Maag im Gespräch mit Christoph Heinemann |
Die Vorsitzende der Frauengruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karin Maag, spricht am 15.02.2017 bei einem Treffen der Netzwerkerinnen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Reichstagsgebäude in Berlin.
Karin Maag, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU im Bundestag (picture alliance/dpa - Gregor Fischer)
Christoph Heinemann: In einem sind sich alle einig: Zu viele Menschen warten in Deutschland auf Spenderorgane. Heute haben Bundestagsabgeordnete unterschiedlicher Fraktionen vorgeschlagen, unter anderem die aktuelle Zustimmungslösung beizubehalten und ein bundesweites Online-Register einzurichten. Bürgerinnen und Bürger sollen regelmäßig bei der Verlängerung ihrer Ausweise außerdem nach ihrer Bereitschaft zur Organspende befragt werden. Dagegen schlägt eine Gruppe um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und dem SPD-Fachmann Karl Lauterbach eine Widerspruchslösung vor. Alle Erwachsenen würden damit automatisch zum Organspender – alle jedenfalls, die zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprechen.
Der Bundesgesundheitsminister möchte außerdem eine Impfpflicht gegen Masern durchsetzen. Eltern drohte dann ein Bußgeld, und auch Kinder würden die Folgen zu spüren bekommen.
Kurz vor der Sendung haben wir Karin Maag erreicht, die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wahlkreis Stuttgart. Ich habe mit ihr das folgende Gespräch geführt. – Guten Tag, Frau Maag!
Karin Maag: Ich grüße Sie!
Heinemann: Warum sollten Menschen nicht ganz einfach automatisch Organspender sein?
Maag: Das ist für mich eine ganz zentrale Frage. Wir sagen, Organspende muss eine bewusste und freiwillige Entscheidung bleiben. Ich will nicht, dass das Selbstbestimmungsrecht den Menschen auf ein nachträgliches Veto reduziert wird. Diese Widerspruchslösung ist für mich mit dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen und seinem Recht auf, ich sage mal, körperliche Unversehrtheit nicht vereinbar.
84 Prozent Zustimmung, 36 Prozent haben Ausweis
Heinemann: Nun sagt Jens Spahn, seit Jahren hat die Freiwilligkeit nichts gebracht. Warum diesmal?
Maag: Weil wir deutlich Verbesserungen schaffen. Wir möchten, dass sich die Menschen mehr mit dem Thema befassen. Wir haben ja die schöne Zahl von 84 Prozent der Menschen, die der Organspende positiv gegenüberstehen, aber nur 36 haben einen Organspendeausweis. Jetzt haben wir die strukturellen Probleme in den Krankenhäusern beseitigt mit einem Gesetz, das die Rahmenbedingungen der Organspende verbessert, und jetzt geht es darum, dass wir die Entscheidungsbereitschaft verbessern, das heißt den Weg ebnen von der grundsätzlich positiven Einstellung hin auch zur Dokumentation und Registrierung dieser positiven Einstellung, nämlich als Organspender. Und da machen wir es den Bürgern einfacher.
Heinemann: Aber Zustimmung bedeutet ja immer noch Papierkram. Was genau ändert sich denn, verglichen mit dem Ist-Zustand?
Maag: Wir ermöglichen es den Bürgern, dass sie neben dem Ausweis, dem Organspendeausweis und der Patientenverfügung als weiteres Medium ein Online-Register haben werden. Dort können sie sich, wenn sie zum Beispiel einen Ausweis erstmals erstellen lassen oder abholen oder ändern, bei den Ausweisstellen direkt vor Ort eintragen. Sie können sich über den PC eintragen. Wir haben neu, dass die Hausärzte ergebnisoffen informieren, alle zwei Jahre bei Bedarf. Die Hausärzte sollen auch ermutigen, dass man sich in das Online-Register einträgt. Sie weisen auch darauf hin, dass es weiterhin keine Verpflichtung gibt, sich zu erklären. Das sind einfach die Dinge, die es den Menschen möglichst einfach machen sollen, und ich sage mal bewusst: Wir zwingen die Menschen über die Jahre hinweg, sich mit dem Thema Organspende zu befassen, bis familiäre Ereignisse eintreten, die dann einfach eine Erstentscheidung vielleicht gegen Organspende in eine über die Zeit positive Einstellung hin zur Organspende bringen.
Zwang zur regelmäßigen Beschäftigung mit dem Thema
Heinemann: Jede und jeder muss aktiv werden. Wie überwindet man die Trägheit potenzieller Spenderinnen und Spender? Das ist ja genau das wichtigste Problem im Augenblick.
Maag: Zunächst mal kriegt jeder wie bisher auch mit dem Führerschein, mit dem Ausweis die entsprechenden Unterlagen. Dann soll der Hausarzt auch aktiv auf Organspende hinweisen und darauf hinwirken, dass man sich in diese Register eintragen kann – entweder das Ganze selber macht, oder sich behilflich sein lässt. Das heißt, wir führen schon die Menschen heran zu dieser Entscheidung, wohlweißlich immer vor dem Hintergrund, wir meinen, dass es keine Verpflichtung zur Organspende geben kann, und wir meinen, dass es die Gesellschaft auch nicht erwarten darf, dass jeder seine Organe zur Verfügung stellt, sondern das ist eine freiwillige Leistung. Nur wir zwingen die Menschen dazu, dass sie sich regelmäßig mit dieser Entscheidung beschäftigen, und wir sehen das ja auch dadurch, dass sich die Zahlen allein im letzten Jahr pro Organspende um 20 Prozent gesteigert haben, dass dieses ich beschäftige mich mit solchen Themen auch nützt.
Heinemann: Sollte Ihr Modell die Anzahl der Spenderinnen und Spender im erforderlichen Maß jetzt nicht erhöhen, was dann?
Maag: Wir haben in dieses Gesetz eine Verpflichtung reingeschrieben, dass alle vier Jahre dem Bundestag berichtet werden muss, wie sich die Zahlen entwickeln. Wenn es dann weiterhin so sein sollte, dass Deutschland ein Nehmerland bei den Organtransplantationen ist, das heißt, dass die Organe für unsere Patienten zu großen Teilen aus dem Ausland kommen, dann müssen wir natürlich dieses Gesetz noch mal überdenken. Aber ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir in diese Verlegenheit nicht kommen, dass es nützt, was wir machen.
Bei Bußgeldern unterscheiden zwischen Säumigen und Impfgegnern
Heinemann: Anderes Thema, Frau Maag: Die Masern-Impfung. Ihr Parteifreund Jens Spahn plant ein saftiges Bußgeld für säumige Eltern, 2.500 Euro, und den Ausschluss der Kinder von Kitas. Sollte man Eltern zwingen?
Maag: Das ist eine Frage, die heute Deutschland beschäftigt. Ich habe eine differenzierte Meinung dazu. Wir haben gerade bei den Masern-Impfungen eine Durchimpfungsrate von mittlerweile 95 Prozent. Die zweite Masern-Impfung, die den Herdenschutz sozusagen verbessern soll, die fehlt bei vielen. Jetzt habe ich es bei solchen Eltern, die ihre Kinder generell schon zur Erstimpfung schicken, es nicht mit generellen Impfgegnern zu tun. Wenn die zweite Impfung dann fehlt, ist es eine Nachlässigkeit. Da gleich mit der Keule 2.500 Euro zu kommen, ist für mich nicht ganz einfach.
Ich habe aber natürlich auch – und da hat Jens Spahn Recht – die Impfgegner. Ich habe bei mir in Stuttgart Bereiche, da erreichen die Durchimpfungsraten zwischen 60 und 70 Prozent. Das sind dann tatsächliche Impfgegner, die ich nicht erreiche.
Heinemann: Frau Maag, ich habe jetzt Ihre Position, ehrlich gesagt, nicht ganz verstanden. Sind Sie jetzt dafür oder dagegen, dass man Eltern mit Bußgeldern oder mit der Drohung, die Kinder von den Kitas auszuschließen, zwingt?
Maag: Ich will diejenigen nicht mit einem Bußgeld bestrafen, die nur nachlässig sind, die ich möglicherweise übrigens genauso wie bei der Organspende durch bessere Ansprache erreichen kann, durch Stärkung beispielsweise des öffentlichen Gesundheitsdienstes, der an Schulen kommt. Ich will aber die Gegner, die tatsächlich es auch gibt, die möchte ich schon mit diesem Bußgeld erreichen, und da muss man auch mal drüber reden, wie wir diese Differenzierung ins Gesetz besser reinbringen können.
"Ich bin Spahn dankbar, dass er die Themen plakativ aufzeigt"
Heinemann: Wenn wir den Strich drunterziehen, Impfzwang oder die Verpflichtung zur Organspende: Spielt Jens Spahn für Sie etwas zu sehr den Gesundheits-Sheriff?
Maag: Nein, er spielt nicht den Gesundheits-Sheriff, sondern er muss dafür sorgen, dass sowohl die Organspendezahlen nach oben gehen als auch die Masern-Durchimpfungsrate, und ich bin Jens Spahn dankbar, dass er die Themen sehr plakativ aufzeigt, dass er tatsächlich auch die Diskussion in Deutschland hochzieht. Allein durch die Diskussion wird vieles besser.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.