Odilia Pot hat ihre kleine Chocolaterie in Voorschoten bei Den Haag bereits liebevoll dekoriert. Die Pfeffernüsse fehlen ebenso wenig wie die Schokoladenbuchstaben, mit denen sich die Niederländer am Nikolausabend beglücken. Es gibt jede Menge Nikoläuse aus Schokolade und gleich daneben, in Reihe und Glied, natürlich auch deren Begleiter und Helfer - die Zwarte Pieten.
Doch diese Schwarzen Peter gibt es bei Odilia dieses Jahr nicht mehr nur in Vollmilch und Bitterschokolade, sondern wahlweise auch in weiß, grün oder rosa: "Wir müssen mit der Zeit gehen", meint sie achselzuckend, "es geht nicht mehr anders."
Denn die Zwarte Pieten sind als rassistisches Überbleibsel aus der Sklavenzeit in Verruf geraten: Tragen sie doch alle bunte Pluderhosen und goldene Ohrringe, haben einen schwarzen Krauskopf und dicke Lippen. Ungefähr so wie in Deutschland der Sarotti-Mohr.
Rüge von der UN-Menschenrechtskommission
Sogar der Menschenrechtsaussschuss der UNO hat sich inzwischen mit dem Zwarte Piet befasst – und die Niederländer gerügt und aufgefordert, sein Aussehen schleunigst zu verändern.
Ihr Nikolausfest bräuchten sie sich zwar nicht nehmen zu lassen, so UN-Menschenrechtsexpertin Verene Sheperd, aber der Zwarte Piet in seiner jetzigen Form habe zu verschwinden.
Eine heftige Debatte
Die weitaus meisten Niederländer allerdings denken nicht daran. Obwohl die Diskussion schon seit Jahren die Gemüter erhitzt. Traditionsbewusste Bürger rufen zu Boykotten auf, schreiben bitterböse Leserbriefe, es kam sogar zu Morddrohungen. Auch die intellektuelle Elite des Landes diskutiert heftig mit. Der Zwarte Piet habe nichts mit der Sklavenzeit zu tun, versuchte Direktor Wim Pijbes vom Amsterdamer Reichsmuseum klarzustellen. In seiner Kollektion gebe es mehrere Darstellungen von ihm, die früheste aus dem Jahre 1520 - ein prächtiges Porträt von einem stolzen Schwarzen Ritter, der zur Hofhaltung von Karl V. gehört habe. Also lange, lange vor der Sklavenzeit, so Pijbes.
Der Nikolaus in der globalisierten Welt
Kulturhistoriker führen die Heftigkeit der Diskussion auf die Einzigartigkeit des niederländischen Nikolausfestes zurück. Das wollten sich die Niederländer in einer zunehmend globalisierten Welt, in der sie um ihre Identität fürchten müssen, nicht nehmen lassen. Seit Menschengedenken kommt der Sinterklaas, wie er hier heißt, mit dem Schiff rheinabwärts aus Spanien, begleitet von einer Schar Zwarte Pieten. Die Ankunft des Nikolaus-Schiffes ist ein nationales Happening und wird live im Fernsehen übertragen.
Doch inzwischen hat das Bollwerk der Nikolaustradionalisten Risse bekommen: In Gouda, wo das Schiff im letzten Jahr als Erstes anlegte, wurden auch gelbe Käse- und karamellfarbene Waffelpieten ins Rennen geschickt.
Das "Sinterklaasjournaal" - die Nikolaus-Tagesschau, höchste Instanz in Sachen Nikolausfest - bildete Zwarte Pieten aus, indem es sie so lange durch den Schornstein rutschen ließ, bis sie für den Job schwarz genug waren - um auf diese Weise deutlich zu machen, dass der Zwarte Piet nicht von Natur aus schwarz ist, sondern schwarz gemacht wird.
Diese sogenannten Ruß-Pieten, das jedenfalls ist die Erwartung, werden den zwarte Pieten in den nächsten Jahren zunehmend Konkurrenz machen. Immerhin sechs Prozent aller niederländischen Städte wollen sie dieses Jahr zusammen mit grünen, blauen oder roten Pieten einsetzen. Für die Schulen hat eine Antirassismus-Stiftung Unterrichtsmaterial entwickelt, damit Neun- bis Zwölfjährige die Traditionen ihres Sinterklaas-Festes hinterfragen können.
Kommerz vor Tradition
Auch die Geschäftswelt zieht inzwischen nach: So setzt das Luxus-Warenhaus Bijenkorf dieses Jahr erstmals Goldene Pieten ein. Und die größte Supermarktkette des Landes Albert Heijn hat ein Zwarte-Piet-Kostüm im Sortiment, auf dessen Verpackung ein Ruß-Piet prangt – erstmals und ganz neu, versichert ein Mitarbeiter.
Die Kundschaft ist – so wie die niederländische Gesellschaft – geteilter Meinung:
"Eigentlich schade. Ich hab' sie am liebsten schwarz."
"Ich bin selbst schwarz, das hat doch mit Rassismus nichts zu tun! Es geht um ein Kinderfest, das sollte so bleiben, wie es war!"
"Ich finde das prima. Wenn wir auf diese Weise Rücksicht nehmen können auf Mitbürger, die sich verletzt fühlen – warum nicht? Den Kindern, da bin ich mir ziemlich sicher, denen ist es egal."