In der Pause kann man dann auf der Toilette Donald Rumsfeld hören oder an Pinwänden seine Helden und Antihelden verewigen, bevor man sich für das nächste Stück entscheidet. Da immer zwei Aufführungen zeitgleich stattfinden, kann man an einem Abend nur zwei der vier Inszenierungen sehen.
Bei "Die Perser" von Aischylos spielen drei Schauspielerinnen den Chor und bis auf Xerxes alle anderen Figuren. Das Stück spannt seinen Bogen weit: von jubelnder, selbstbewußter Hoffnung zur existentiellen Verzweiflung. Nacheinander schmieren sich die Schauspielerinnen (großartig: Sigrun Fischer, Stephanie Schönfeld, Nicoline Schubert) Lehm ins Gesicht und tragen, jede für sich, den begeisterten Chorbericht über den Feldzug des riesigen persischen Heeres gegen die Griechen vor. Doch in Siegesgewissheit mischen sich Zweifel und Ängste. Seit Monaten hat man nichts von Xerxes und seiner Streitmacht gehört. Nun wird über die Gründe des Krieges nachgedacht (Eroberung eines Einflußgebietes und Sicherung von Bodenschätzen!), und "Fire, water, burn" von der "Blood hound gang" dröhnt, der Song, mit dem die amerikanischen Panzersoldaten in den Irak-Krieg zogen. Als die vernichtende Niederlage bekannt ist, wird nach eigener Schuld gefragt. Hunderttausende sind gefallen, eine Weltmacht ist zerstört und Königin Atossa, Mutter des Xerxes, quält sich: was hat meine Erziehung beigetragen zur Kriegsbereitschaft und Niederlage des Sohnes? Dabei rieselt unentwegt der Sand aus niedrigem Stoffhimmer auf eine Szene, die Wüste, Metapher und Sandkasten ist und große Weltbilder wie private Assoziationen ermöglicht. Eine stille und eindrückliche Inszenierung.
Stück und deutschsprachige Erstaufführung der Groteske "Europa – Asien" schreien dagegen grob. Die Brüder Wladimir und Oleg Presnjakow zeigen Helden des Alltags, die sich mit Betrügereien und Gaunereien durch zu schlagen suchen. Als fiktive Hochzeitsgesellschaft halten sie an einer Landstraße Reisende an, um sie mit Wodka um deren Geld zu erleichtern. Bei diesem überdrehten und schwachen Stück, das mit Absicht alle Klischees bedient, die so über Rußland in gesellschaftlich aufgelöster Zeit zu haben sind, sind nicht Realismus und Komik, sondern Surrealismus und überdrehte Groteske gefragt. Mit beidem haben Regisseur Alejandro Quintana und sein lautstarkes Ensemble ihre Schwierigkeiten. Wenn da gesoffen und gestritten wird, wenn man mit der Polizei oder der Mafia in Konflikt gerät, bis schließlich eine Gruppe fotografierender Ausländer auf die Bühne marschiert, dann ist das nur Klamauk ohne tiefere Erkenntnis. Zu sehen sind Abziehbilder gängiger Rußlandklischees.
Bei Ilan Hatsors "Vermummte" dagegen ist man sofort gefangen. Rudolf Koloc hat die Geschichte von den drei Brüdern, die sich in einem besetzten palästinensischen Dorf durch zu schlagen suchen, als ein intensives, ganz auf die Dialoge und seine drei konzentrierten Schauspieler setzendes Kammerspiel inszeniert. Gelegentlich ein Song von Johnny Cash ("Solitary man") oder Jimmy Hendrix, sonst nur pures, direktes Spiel. Das geht unter die Haut. Man sieht Menschen, die seelische Verwüstungen in kriegerischer Zeit erleiden. Der älteste Bruder arbeitet bei den Israelis, während der mittlere Mitglied im örtlichen Intifada-Komitee ist und nach einem Kollaborateur sucht. Er vermutet diesen in seinem Bruder und bekommt auf schreckliche Weise recht. Zwischen beiden steht hilflos der Jüngste. Hier geht es nicht um Recht oder Unrecht, sondern ums Leben, das schwer zu bewältigen ist. Held sein geht nicht, und nicht jeder überlebt.
Auf der Habenseite dieser Cottbusser Theaternacht stehen damit zwei Tragödien mit klaren Fragen und offenen Antworten. Aber auch der Versuch, mit zwei grotesken Stücken sich Bilder von wilder Zeit zu machen, zeitigte im thematischen Rahmen dieses Abends durchaus Wirkung.