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Zwei Jahre bayerisches Volksbegehren
Einiges wurde für Artenvielfalt erreicht, vieles versäumt

Anfang 2019 stimmten die bayerischen Bürger für das Volksbegehren „Artenvielfalt“ - unter dem Motto "Rettet die Bienen". Zwei Jahre nach diesem Erfolg wurde zwar einiges erreicht – so gibt es mehr Biobauern im Freistaat. Doch hakt es auch bei vielen Vorhaben, wie zum Beispiel beim Schutz der Wälder.

Von Susanne Lettenbauer |
Ein Mähdrescher bei der Maisernte aus der Vogelperspektive fotografiert
Im Volksbegehren steht ein Anteil von 30 Prozent Ökolandbau bis 2030, der bei gleichbleibendem Wachstum erreicht werden könnte - 13 Prozent sind es aktuell (dpa / picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack)
Den 14. Februar 2019 könne man durchaus als Zäsur in der bayerischen Umwelt- und Artenschutzpolitik bezeichnen, sagt Agnes Becker. Zwei Jahre nach dem Jubel über das erfolgreiche Volksbegehren "Rettet die Bienen" zieht die Initiatorin dennoch ein zwiespältiges Resümee. Vieles wurde erreicht, vieles versäumt, vieles verwässert.
Das Volksbegehren "Artenvielfalt" sorgte in Bayern für viel Aufsehen. Unter dem Aufruf "Rettet die Bienen" wurde es in ganz Deutschland bekannt und beobachtet. Initiert von einem breiten Bündnis von Naturschutz- und Bürgerinitiativen unterschrieben über 1,7 Millionen wahlberechtigte Bürger und Bürgerinnen im Freistaat für mehr Artenschutz, fast ein Fünftel der Gesamtbevölkerung.

Die Regierung in München berief mehrere runde Tische ein sowie vier Fachgruppen zu Wald, Gewässr, Klima und Landwirtschaft - Diskussionsgruppen vom Bauernverband bis zum Landesbund für Vogelschutz, BUND Naturschutz und Umweltpolitikern.

Am Ende stand ein 80-seitiger Bericht, eine Änderung des bayerischen Naturschutzgesetzes und die Verabschiedung eines Begleitgesetzes. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sah den Freistaat als Vorreiter für ganz Deutschland.
Bei den positiven Ergebnissen sticht vor allem ein Punkt hervor. Es gibt mehr Biobauern, so Becker:

"Erst diese Woche hat der Dachverband der ökologischen Anbauverbände ein Plus beim Bioerzeugeranteil in der Fläche von fünf Prozent im Vergleich zu 2019 für 2020 bekannt gegeben. Aktuell arbeiten gut zehn Prozent der bayerischen Betriebe nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus auf fast 13 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche."
Grosser Klappertopf (Rhinanthus angustifolius) mit gelben Blüten in der Nahaufnahme.
Forscher: Auch häufige Pflanzenarten vom Schwund bedroht
Über 70 Prozent von mehr als 2.000 untersuchten Pflanzenarten befinden sich deutschlandweit im Rückgang – so eine Studie. Dabei spiele wahrscheinlich die Intensivierung der Agrarwirtschaft eine Rolle, sagte der Koordinator des Projekts, David Eichenberg, im Dlf.

Absatz der Bioprodukte stieg, der Staat hinkt hinterher

13 Prozent - im Volksbegehren steht ein Anteil von 30 Prozent Ökolandbau bis 2030, der bei gleichbleibendem Wachstum erreicht werden könnte. Das liege vor allem an der deutlich gestiegenen Nachfrage aus der Bevölkerung, so die ÖDP-Politikerin Becker.

Der Absatz der Bioprodukte stieg - laut neuester Zahlen - um 20 Prozent, was zum Teil auch der Corona-Pandemie geschuldet ist. Mehr Menschen im Homeoffice versorgen sich selbst und achten dabei - im privaten Umfeld - verstärkt auf Qualität - und auf Regionalität. Anders sieht es bei staatlichen Einrichtungen wie Universitäten, Kantinen, Schulen, Kitas oder Seniorenheimen aus.

"In der öffentlichen Nachfrage hinkt deutlich der Staat und hinken auch die Kommunen gewaltig hinterher. Dort liegt der Bioanteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich."

Schutz der Wälder

Ähnlich wie im Bereich Landwirtschaft hakt es auch beim Schutz der Wälder, den Ministerpräsident Markus Söder auf Druck des Volksbegehrens mit seiner Bauminitiative als persönliches Ziel ausgab. Man begrüße von Seiten der Volksbegehren-Initiatoren, dass der Vertragsnaturschutz im Privatwald massiv ausgeweitet wurde. 58.000 Hektar Staatswald gelten mittlerweile als nutzungsfreie Naturwälder, darunter wertvolle Buchenwälder an der Donau. Aber auch wirtschaftlich unrentable Gebiete in der Alpenregion, erklärt Claus Obermeier, mit der Gregor Louisoder Umweltstiftung vor zwei Jahren ebenfalls Teil des Trägerkreises Volksbegehren. Aber:

"Sehr schmerzhaft in diesem Zusammenhang, das möchte ich betonen, ist, dass in den politisch wie auch parteipolitisch sehr umkämpften Debatten im Steigerwald und im Spessart diese Ausweisungen nicht oder nur in sehr kleinem Stil erfolgt sind."
Sehr viel kritischer und ernüchtert sieht Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen die Ergebnisse nach zwei Jahren. Beispiel Streuobstwiesen: Die im Zuge des Volksbegehrens neu geschaffene Verordnung zur Definition von Streuobstwiesen habe den Schutzstatus etlicher Flächen aufgehoben. Dazu läuft eine Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof.

Völlig indiskutabel sei außerdem, dass in der Oberpfalz ernsthaft - trotz Volksbegehrens - über den Verkauf von 72 Hektar Staatsforst diskutiert werde. Ein Bürgerentscheid dazu ging gestern allerdings zugunsten des Walderhalts aus:

"Während man beim Volksbegehren gesagt hat, mehr für den Tier- und Pflanzenarten zu tun, verkaufen die bayerischen Staatsforsten Staatswald für Gewerbegebiete. Ein ganz klarer Widerspruch zu den Zielen des Volksbegehrens."

Bislang fehlt genauer Fahrplan gegen den Einsatz von Pestiziden

Der Kampf gegen das Artensterben sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, unterstrich Ministerpräsident Markus Söder vor zwei Jahren nach dem Volksbegehren. Natur- und Artenschutz müssten eine ganz neue Dimension erreichen. Warum fehle dann noch immer ein genauer Fahrplan gegen den Einsatz von Pestiziden auf Bayerns Feldern? Söder wollte die Menge der verwendeten Pestizide halbieren. Warum fehle außerdem noch immer die unter anderem für den Gewässerschutz notwendige Neukartierung der bayerischen Biotope, kritisiert der bayerische Grüne weiter.

"Diese Kartierungen müssten dringend aktualisiert werden. Das heißt, wo sind denn diese schützenswerten Wiesen, wo wir dringend vorankommen müssen."
Feldhase auf einer Ackerfläche vor einem blühenden, gelben Rapsfeld in der Uckermark, Brandenburg
Worum geht es bei der europäischen Biodiversitätsstrategie?
Artenvielfalt besser schützen und Lebensmittel umweltfreundlicher herstellen: Dafür will die EU-Kommission mit ihrer Biodiversitätsstrategie sorgen. Ein Überblick.

Exportschlager Volksbegehren

Trotz aller Kritik sieht der Landesbund für Vogelschutz auch positive Punkte: Das bayerische Volksbegehren sei als Exportschlager in allen anderen Bundesländern und auch im Bund angekommen, sagt LBV-Chef Norbert Schäffer. Die Eckpunkte des derzeit auf Bundesebene diskutierten Insektenschutzgesetzes trügen die Handschrift des Volksbegehrens, betont Schäffer selbstbewusst.

Man erwarte jetzt, dass aus der Erfahrung mit dem Volksbegehren heraus, Bayern eine Vorreiterrolle in Berlin spiele und das geplante Bundesgesetz die Erfolge der runden Tische von München nicht wieder zunichtemache.
"Klimaschädliche Projekte müssen langfristig gestrichen werden"
Dem EU-Parlament sei es gelungen, eine Quote für Ausgaben an Biodiversität durchzusetzen, sagte der grüne EU-Parlamentier Rasmus Andresen im Dlf. Das verstärke den Druck auf die Agrarförderung. Man habe zudem erreicht, dass klimaschädliche Projekte langfristig aus dem EU-Haushalt gestrichen würden.