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Zwei Jahre Monsanto-Übernahme
Bayer im Angesicht der Glyphosat-Klagen

Vor zwei Jahren hat der Leverkusener Agrarchemiekonzern Bayer für über 60 Milliarden Dollar seinen US-amerikanischen Konkurrenten Monsanto gekauft. Seitdem beschäftigen Bayer tausende Klagen wegen des mutmaßlich krebserregenden Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat – eine schwere Hypothek für den Konzern.

Von Gerhard Schröder |
Logo des Bayer-Konzerns
Bayer hat vor zwei Jahren den Konkurrenten Monsanto übernommen (Michael Sohn/AP/dpa)
Der Industriepark Höchst bei Frankfurt, hier forscht der Bayer-Konzern nach neuen Pflanzenschutzmitteln.
"Hier ist eine Anlage, in der wir halb automatisiert Versuche betreiben können. Das heißt, hier bewegen sich die Pflanzen auf den Bändern vollautomatisch, die Töpfe sind sehr groß, das heißt, hier können wir relativ feldnah Versuche simulieren."
Marco Busch ist der Leiter des Forschungszentrums. Er blickt auf die schwarzen Töpfe, die auf dem Laufband vor ihm vorbeiwandern. Darin sind Gräser zu sehen, an denen neue Wirkstoffe ausprobiert werden:
"Das ist jetzt hier ein Versuch, da geht es darum zu testen, wie verhält sich eine neue Verbindung in feldnahen Bedingungen, heißt, wie gut ist die Kontrolle verschiedener Ungräser und wie gut kann der Weizen diese vertragen."

Busch greift nach einem Topf, blickt auf die Pflanze, es geht ihr erkennbar nicht gut, die Blätter hängen schlapp herunter. Für Marco Busch ein gutes Zeichen, aber ganz zufrieden ist er noch nicht:
Marco Busch, Leiter des Forschungszentrums für Unkrautkontrolle, in einem der Test-Gewächshäuser
Marco Busch, Leiter des Forschungszentrums für Unkrautkontrolle, in einem der Test-Gewächshäuser (Deutschlandfunk / Gerhard Schröder)
"Ist ja immer noch grün, also noch keine volle Kontrolle."
Busch geht weiter, in das nächste Gewächshaus. Auch hier, soweit man blicken kann: Gräser, die mit unterschiedlichen Wirkstoffen behandelt wurden. Busch zeigt erfreut auf eine Pflanze in der zweiten Reihe. Es ist Flughafer, ein Unkraut, das den Landwirten viel Ärger macht, weil es dem Weizen Licht und Nährstoffe nimmt. Die Pflanze hier ist in einem jämmerlichem Zustand. Busch ist begeistert.
"Was wir ganz wunderbar sehen können, wie die Blätter der Ungräser weiß sind. Man sieht es wunderbar, die Pflanzen sind kleiner, die Pflanzen sind dünner, und vor allem die Blätter sind schneeweiß. Ganz klare Wirkung."
Dann aber wandert sein Blick in die dritte Reihe, und die anfängliche Begeisterung ist verschwunden:
"Wir sehen in diesem Fall aber auch beim Mais eine Schädigung. Hier wissen wir, wir haben eine Wirkung, aber auch die Nutzpflanze ist auch beschädigt. Das ist das, was wir nicht wollen."
Heißt im Klartext: Der Wirkstoff hat die Testphase nicht bestanden. Er wird aussortiert.
Ein Kunde greift in einem Laden in San Rafael, Kalifornien, zu einem Behälter mit dem glyphosathaltigen Mittel Round up, das von Monsanto hergestellt wird.
Klagen wegen Glyphosat - Steuert Bayer auf einen Vergleich zu?
Erneut wird in den USA ein Prozess wegen des Unkrautvernichters Glyphosat verschoben. Das könnte ein Beleg dafür sein, dass der Agrarchemiekonzern Bayer auf einen außergerichtlichen Vergleich zusteuert.
Über 100.000 Wirkstoffe testet Bayer
Über 100.000 Wirkstoffe testen Mark Busch und seine Leute im Frankfurter Industriepark jedes Jahr. Alles hoch automatisiert und digital gesteuert. Zehn bis 15 Jahre dauert es, um ein neues Pflanzenschutzmittel bis zur Marktreife zu entwickeln, sagt Busch. Kostenpunkt: etwa 300 Millionen Euro. Tatsächlich ist das aber weder Bayer noch einem seiner Konkurrenten in den vergangenen 30 Jahren gelungen. Seit drei Jahrzehnten ist weltweit kein neues Herbizid auf dem Markt gekommen. Die Folge: Viele Unkräuter sind inzwischen resistent gegen die Mittel, die die Landwirte einsetzen. Das gilt auch für Bayers wichtigsten Unkrautkiller: Glyphosat.
"Wir brauchen neue Wirkmechanismen, neue Wirkstoffe, um resistente Populationen kontrollieren zu können, um eben keine weitere Ausbreitung der Resistenz zu haben."

Glyphosat ist Bayers wichtigster Unkrautvernichter. Fragt sich nur: Wie lange noch. Resistente Unkräuter sind dabei nicht das einzige Problem. Das Mittel steht im Verdacht, krebserregend zu sein. In den USA muss sich Bayer milliardenschwerer Schadensersatzklagen erwehren, Europa denkt über Verbote nach. Das alles hat Bayer in eine tiefe Krise gestürzt.
Die Bayer Hauptversammlung im World Conference Center in Bonn, im April des vergangenen Jahres. Vor der Halle demonstrieren Umweltschützer und Ökoaktivisten gegen den Agrarchemiekonzern Bayer und sein wichtigstes Produkt, das Pflanzenschutzmittel Glyphosat.

Während draußen lautstark demonstriert wird, proben in der Halle die Aktionäre den Aufstand gegen die Konzernleitung und verweigern Vorstandschef Werner Baumann die Entlastung. Ein in Deutschland einmaliger Vorgang, sagt Uwe Treckmann. Er arbeitet als Analyst bei der Commerzbank:
Klima-Aktivisten der "Fridays for Future"-Bewegung gehen zur Hauptversammlung von Bayer mit einem Schild "Stopp Glyphosat". 
Die Bayer-Hauptversammlung wurde von Protesten begleitet (dpa/Oliver Berg)
"Das hat es so in der deutschen Wirtschaftsgeschichte noch nicht gegeben. Und insofern ist der Konzern unter Druck, den Aktionären eine Lösung zu präsentieren, wo dann so ein bisschen das Aufatmen angesagt ist, wo man einfach sagt, das ist jetzt der Befreiungsschlag."
Doch von einem Befreiungsschlag ist noch wenig zu spüren. Seit der Übernahme des Glyphosat-Produzenten Monsanto vor zwei Jahren hat die Bayer-Aktie dramatisch an Wert verloren.
"Man kann das ungefähr so quantifizieren: Der Bayer Kurs ist seit der Ankündigung im Mai 2016 um fast 40 Prozent gefallen. Und in der Zwischenzeit ist der DAX um ungefähr 20 Prozent gestiegen. Wir kommen also auf weit über 50 Prozent Mindererlös."
Rechnete Bayer-Aktionär Christian Strenger Anfang März vor. Seitdem hat die Bayer-Aktie weiter an Wert verloren. Strenger, der ehemalige Fondsmanager, macht Konzernchef Werner Baumann für die Kursverluste verantwortlich. Die Bayer-Führung habe die Risiken der Monsanto-Übernahme völlig unterschätzt. Dabei waren bei US-Gerichten schon beim Beginn der Übernahmegespräche erste Glyphosat-Klagen eingegangen. Trotzdem kaufte Bayer den US-Konkurrenten für über 60 Milliarden US-Dollar:
"Kein vernünftiger Vorstand und Aufsichtsrat hätten wahrscheinlich diese Akquisitionen getätigt, wenn sie mit einer so intensiven Klagewelle und einem zusätzlichen Kostenfaktor, von den jetzt für die Vergleichszahlungen anzusetzen und zehn Milliarden gerechnet hätte."
Monsanto und die Folgen - Bei Bayer wächst die Verunsicherung
Im Zusammenhang mit dem Wirkstoff Glyphosat gibt es immer mehr Klagen gegen die Bayer-Tochter Monsanto. Die Übernahme von Monsanto 2018 war spektakulär, auch wegen des enormen Kaufpreises.
48.600 Betroffene klagen gegen Bayer
Mittlerweile haben 48.600 Betroffene Klage gegen Bayer eingereicht. Sie machen das glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel Round Up für ihre Krebserkrankungen verantwortlich. So wie das Rentnerehepaar Alva und Alberta Pilliod aus Kalifornien:
"Wir hätten uns gewünscht, dass Monsanto uns vor den Gefahren gewarnt hätte, etwa durch einen Hinweis: Vorsicht, kann Krebs erregen. Sie haben uns keine Chance gegeben, selbst zu entscheiden, denn durch die Werbung hatten wir den Eindruck, dass das Mittel sehr sicher sei."
Bis eine Krebserkrankung des Lymphgewebes diagnostiziert wurde. Die Pilliods klagten und bekamen Recht. Ein Gericht im kalifornischen Oakland sprach ihnen zwei Milliarden Dollar Schadensersatz zu. Ein Strafmaß, das in zweiter Instanz deutlich reduziert wurde. An der grundsätzlichen Einschätzung aber hielt das Gericht fest: Glyphosat ist für die Krebserkrankung des Ehepaars verantwortlich. Auch die anderen beiden Verfahren, die bislang entschieden wurden, liefen schlecht für Bayer. Auch da entschieden die Richter: Bayer muss zahlen.

Die Bilanzpressekonferenz von Bayer Ende Februar in Leverkusen. Vorstandschef Werner Bauman steht lässig vor den Fotografen und lächelt siegesgewiss in die Kameras. Von Krise keine Spur:
Die Verpackung eines Unkrautvernichtungsmittel, das den Wirkstoff Glyphosat enthält.
Die Verpackung eines Unkrautvernichtungsmittel, das den Wirkstoff Glyphosat enthält: Gegen Bayer wird deswegen geklagt (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
"Wenn ich heute auf unser letztes Geschäftsjahr zurückblicke, dann steht dieses Geschäftsjahr für uns alle unter der Überschrift: Wir haben geliefert."
Tatsächlich liefen die Geschäfte von Bayer im abgelaufenen Geschäftsjahr ziemlich gut. Der Konzerngewinn stieg um 28 Prozent auf 11,5 Milliarden Euro. Für 2020 rechnet der Vorstand mit einem Plus von über zwölf Milliarden. Noch, muss man wohl sagen. Denn die Corona-Krise geht auch an dem Leverkusener Weltkonzern nicht spurlos vorüber.
"Unsere Organisation und insbesondere unsere Produktionsbetriebe in den von der Corona-Epidemie derzeit am stärksten betroffenen Ländern arbeiten weitgehend normal. Sollte sich die Lage weiter verschärfen, haben wir für alle Unternehmensstandorte Notfallpläne aufgestellt, um den sicheren und geordneten Betrieb unserer Niederlassungen so lange wie möglich aufrechtzuerhalten."
Das teilte der Konzern Anfang dieser Woche mit. Wie stark die Corona-Krise den Bayer-Konzern schwächen wird, ist unklar. Ganz sicher aber macht sie eine Einigung im Streit um Glyphosat und die milliardenschweren Schadensersatzklagen nicht einfacher:
"Wie Sie wissen, gibt es in Kalifornien drei Jury-Urteile, die in erster Instanz zugunsten der Kläger entschieden wurden. Keines dieser Urteile ist rechtskräftig. Und in allen drei Fällen befinden wir uns zurzeit im Berufungsverfahren. Wir werden die drei Berufungsverfahren, wie bereits erwähnt, notfalls durch alle Instanzen betreiben."
Glyphosat laut WHO wahrscheinlich krebserregend
Baumann gibt sich bei der Bilanzpressekonferenz Ende Februar überzeugt: Glyphosat ist, bei sachgemäßer Anwendung, sicher, also nicht krebserregend.
Zu diesem Ergebnis kommt auch die amerikanische Umweltbehörde. Und auch die Zulassungsbehörden in Europa sehen bislang keinen Anlass, die Genehmigung für das Unkrautvernichtungsmittel zu widerrufen. Die Internationale Krebsforschungsagentur IARC dagegen, eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation, kommt nach der Auswertung zahlreicher Studien zu einem ganz anderen Ergebnis. Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend, urteilt die WHO-Tochter.
Die Region am Horn von Afrika war einst grün, jetzt ist sie nach der schlimmsten Dürre in 60 Jahren vertrocknet und staubig
Pestizid-Einsatz in Kenia - In Europa verboten, in Afrika erlaubt
Auf Kenias Äckern werden Pestizide eingesetzt, die in anderen Ländern nicht verwendet werden dürfen. Landwirte beachten die Schutzmaßnahmen häufig nicht, weil ihnen die Risiken nicht bekannt sind. Konzerne wie Bayer weisen die Vorwürfe von sich.

"Glyphosat ist als krebserregend eingestuft worden, und ich teile diese Einschätzung. Und insofern ist es gefährlich, weil Krebs eine gefährliche Krankheit ist."
Sagt der Berliner Toxikologe Peter Clausing. Er hat viele Jahre für den deutschen Chemiekonzern Böhringer gearbeitet, hat dann aber die Seiten gewechselt. Heute engagiert er sich beim Aktionsnetzwerk Glyphosat:
"Die Einschätzung basiert ja auf einer Analyse einer Vielzahl von Studien. Und die Studien belegen aus meiner Sicht wissenschaftlich fundiert, dass ein Krebseffekt nachweisbar ist. In den fünf Mäusestudien, die behördlichen Regelungen sagen, wenn in mindestens zwei unabhängigen Studien Krebs nachgewiesen wurde, ist eine solche Einstufung wahrscheinlich krebserregend beim Menschen vorzunehmen."
Bayer setzt auf eine Mediation
Bayer kann sich also keineswegs sicher sein, die Gerichtsverfahren zu gewinnen. Deshalb möchte Vorstandschef Baumann die Schadensersatzklagen möglichst schnell ad acta legen, durch einen außergerichtlichen Vergleich. Tatsächlich hat der als Mediator eingesetzte US-amerikanische Staranwalt Kenneth Feinberg in den vergangenen Monaten immer wieder mal Meldungen lanciert, man stehe kurz vor einer Einigung. Bayer zeigt sich davon unbeeindruckt, schließlich geht es um viel Geld:
"Deswegen werden wir so lange verhandeln, bis wir ein für uns zufriedenstellendes Ergebnis im Rahmen dieser Mediation erreicht haben werden."
Aber auch Bayer-Chef Baumann dürfte klar sein: Eine Einigung mit den Klägern wird teuer.
"Ich glaube nicht, dass es existenzgefährdend ist."
Sagt der Analyst Thomas Schießle und nennt zehn Milliarden Dollar als Orientierungsmarke.
"Wenn die Summen vernünftig bleiben, vernünftig in dem Sinne, dass es ein niedriger zweistelliger, sehr niedriger zweistelliger Milliardenbetrag werden könnte, dann ist das stemmbar."
Das Eingangsschild zum Firmensitz von Monsanto in St. Louis.
Die Monsanto-Übernahme kostet Bayer viel Geld (afp/Michel)
Aber auch eine Anstrengung, die Spuren hinterlassen wird.
"Heißt natürlich auf der anderen Seite, dass dann auch gespart werden muss, was Forschung und Entwicklung, Organisation und so weiter nach sich zieht. Das ist natürlich mittelfristig eine Hypothek für das Unternehmen, denn das, was ich jetzt spare, kann ich später nicht als Innovationen in die Waagschale beziehungsweise in die Produktion geben."
Schon die Übernahme von Monsanto war ein Kraftakt für Bayer. Um den Kaufpreis zu zahlen, musste sich der Konzern hoch verschulden. Jetzt lasten Verbindlichkeiten von knapp 30 Milliarden Euro auf dem Unternehmen. Profitable Konzerntöchter mussten verkauft werden, ein Sparkurs wurde ausgerufen, 12.000 Stellen sollen gestrichen werden, davon 4500 in Deutschland.
Jetzt noch milliardenschwere Schadensersatzzahlungen zu schultern, wird nicht ganz einfach. Ende Februar deutete der Bayer-Konzern bereits an, dass er gezwungen sein könnte, weitere Kredite aufzunehmen oder einzelne Geschäftsbereiche zu verkaufen. Durch die Corona-Krise und die drohende Rezession der Weltwirtschaft wird die Aufgabe aber nicht einfacher.
Bienen fliegen in einen Bienenstock.
Glyphosatbelastung von Honig - Imker fühlen sich im Stich gelassen
Glyphosat im Bier, Glyphosat im Brot: Das umstrittene Herbizid wurde schon in vielen Lebensmitteln gefunden, wo es nicht hineingehört – auch im Honig. Vier Tonnen eines Imkerbetriebs mussten vor kurzem erst vernichtet werden. Seitdem steht das Landwirtschaftsministerium in der Kritik.
Nutzen der Monsanto-Übernahme wird bezweifelt
War die Strategie, mit Monsanto zum größten Agrarchemiekonzern der Welt aufzusteigen, trotzdem richtig? Uwe Treckmann von der Commerzbank hat Zweifel. Er sieht den Konzern so geschwächt, dass er auf mittlere Sicht ein Übernahmekandidat werden könnte:
"Die Marktkapitalisierung ist halt so gesunken, dass genau diese Gefahr droht. Warum natürlich derzeit keiner zugreift, das ist einfach wegen dieser so genannten Poison Pill, weil alle sagen, solange da diese Rechtsfälle anhängig sind bei Monsanto. Warum soll ich mir das jetzt aufs Boot holen?"
Liam Condon, der Chef der Agrarchemie-Sparte, ist bei Bayer der Mann, der die schwierige Aufgabe hat, die Monsanto-Übernahme erfolgreich zu gestalten. Und er sieht dafür gute Voraussetzungen. Denn mit Monsanto steige Bayer nicht nur zum größten, sondern auch zum innovativsten Agrarchemiekonzern der Welt auf:
"Wir sind mit Abstand, was Innovationen angeht, mit Abstand führend. Das sieht man allein, wenn man die Anzahl von neuen Produkten in der Pipeline mit anderen Wettbewerbern vergleicht. Wir haben viel, viel mehr. Wir geben mehr als das Doppelte aus als der nächst größte Wettbewerber für Forschung und Entwicklung. Es gibt kein Unternehmen auf dem Gebiet, wie Bayer, das so viel investiert."
Monsanto hat sich intensiv mit der Digitalisierung der Landwirtschaft beschäftigt, erforscht Techniken, mit der Felder und Pflanzenbestand genau vermessen und eingescannt werden können. Dann müssten die Felder nicht mehr großflächig mit Pflanzenschutzmitteln besprüht werden, sagt Liam Condon. Ziel sei vielmehr, jede einzelne Pflanze mit kleinen Drohnen individuell zu behandeln:
"Mit der Digitalisierung und Sensortechnologie, es ist sicherlich möglich, dass wir viel gezielter vorgehen können und nur da spritzen, wo tatsächlich Unkraut ist. Man braucht dann weniger Chemie auf offenem Feld. Dadurch werden die Kosten für den Landwirt sicherlich geringer werden, und man wird de facto viel nachhaltiger arbeiten können."
Das Problem ist nur: Noch ist das alles Zukunftsmusik. Bis Bayer damit Geld verdienen kann, werden noch einige Jahre vergehen. Für Umsatz und Gewinn müssen vorerst die altbekannten, aber zunehmend umstrittenen Mittel wie Glyphosat sorgen.
Glyphosat bedroht Imker
Bioimker Sebastian Seusing fährt mit dem Elektrostapler durchs Lager, packt große weiße Eimer auf Paletten und bringt sie in den Schuppen, dort wo der Honig steht, den er in den nächsten Tagen an Berliner Bioläden liefern will.
"Das sind so die Reste, die wir haben. Wir haben leider nur noch drei Sorten, die wir vermarkten können im Moment, von ursprünglich zehn, die wir normalerweise vermarkten können. Dadurch, dass wir einige Sorten in die Müllverbrennungsanlage fahren mussten in diesem Januar aufgrund von Glyphosat-Verunreinigungen."
Vier Tonnen Honig musste Seusing entsorgen, weil er mit Glyphosat verseucht war. Die Konzentration überschritt den zulässigen Grenzwert um das 152-fache. Schuld ist ein Bauer, der ein 70 Hektar großes Feld, auf dem Löwenzahn und Luzerne wuchsen, intensiv mit Glyphosat bespritzte, weil er dort Mais säen wollte.
Bioimker Sebastian Seusing
Bioimker Sebastian Seusing (Deutschlandfunk / Gerhard Schröder)
"Insgesamt liegt der reine Schaden, na ja, bei circa 70.000 Euro."
Das ist die Hälfte seines Jahresumsatzes. Für den Bioimker Sebastian Seusing ein schwerer Schlag. Seit zehn Jahren betreibt er gemeinsam mit seiner Frau die Imkerei in Biesenthal, 40 Kilometer nordöstlich von Berlin. Jetzt denkt er ans Aufhören.
"Es ist halt zu viel. Wir müssen da einfach die Reißleine ziehen, weil unser Betrieb nicht noch einen weiteren Schlag verkraften würde."
Seusing fürchtet, dass sein Honig erneut mit Glyphosat verseucht werden könnte, denn die Landwirte in Brandenburg besprühen ihre Felder intensiv damit. Und auch völlig legal.
"Wir fordern ganz klar ein Glyphosatverbot, dass Glyphosat nicht mehr wieder zugelassen wird."
Umweltverbände wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sehen das ähnlich. Glyphosat entzieht Insekten die Nahrung und gefährdet so die Artenvielfalt, sagt Katrin Wenz vom BUND:
"Der Rückgang der Feldvögel beispielsweise und der Rückgang der Insekten haben natürlich nicht immer nur einen Grund. Aber die intensive Landwirtschaft mit dem hohen Einsatz von Glyphosat ist nachweislich einer der Hauptgründe. Ja, wir brauchen ganz dringend einen ambitionierten Ausstiegsplan für den Glyphosat Einsatz in der Landwirtschaft."
Ein Traktor spritzt in Thüringen auf einem Feld im Mai Pflanzenschutzmittel auf.
Bayer CropScience - "Bericht zum Artensterben auch für Bayer alarmierend"
Der jüngste Bericht über das Artensterben sei auch für den Bayer-Konzern alarmierend, sagte Klaus Kunz von Bayer CropScience im Dlf. Als Konsequenz müsse unter anderem der Pestizid- und Düngemitteleinsatz in der Landwirtschaft reduziert und stärker auf digitale und Biotechnologie-Verfahren gesetzt werden.
Kaum gesellschaftliche Akzeptanz für Glyphosat
Hermann Färber sitzt für die CDU im Bundestag, er kommt aus Baden-Württemberg, ist selbst Landwirt und befürwortet einen dosierten Einsatz von Glyphosat zur Unkrautbekämpfung. Aber auch er sieht, dass die Akzeptanz in der Gesellschaft dafür schwindet.
"Politisch stets auf der Kippe, das muss man klar sagen. Es kommt ganz einfach davon: Die Gesellschaft ist sehr beunruhigt durch diese ganzen öffentlichen Debatten, durch diese ganzen Kampagnen, die den Mitteln angeheftet worden sind. Die Gesellschaft hat so abgespeichert, als würde es Bienen töten und bei Menschen Krebs erregen. Beides ist nicht der Fall."
Die Große Koalition in Berlin hat das Ende von Glyphosat längst beschlossen. Nur noch bis Ende 2023 soll es in Deutschland eingesetzt werden. Auf europäischer Ebene könnte das Aus sogar schon ein Jahr früher kommen, dann nämlich läuft die Zulassung für Bayers wichtigsten Umsatzträger aus.
Zurück im Bayer-Forschungszentrum in Frankfurt am Main. Dort sucht die Mannschaft um Marco Busch fieberhaft nach neuen, verträglicheren Mitteln und ist inzwischen tatsächlich auch fündig geworden. Ein Wirkstoff hat die ersten beiden Testphasen erfolgreich überstanden. Ein großer Erfolg für Mark Busch und sein Team:
"Und dieser Wirkstoff ist jetzt in Lateinamerika getestet worden. Und was wir sehen konnten, dass es eben auch in der Lage ist, Gräser zu kontrollieren, die bereits Glyphosatresistenzen aufweisen. Und damit würde es dem Farmer, wenn wir es denn erfolgreich auf den Markt bringen, auch ein neues Tool mitbringen, um sein Feld unkrautfrei zu halten."
Ob der neue Wirkstoff aber jemals auf den Markt kommt, ist noch völlig unklar. Jetzt steht erst mal das Zulassungsverfahren mit weiteren umfangreichen Studien an. Das allein dauert noch einmal sechs bis acht Jahre, sagt Marco Busch. Zeit, die der Bayer-Konzern eigentlich nicht mehr hat.