„Das Leben jenseits der goldgelben Prospekte der Macht war ziemlich bunt. Ja, ich spreche von Belarus, von diesem vermeintlich weißen Fleck auf der europäischen Landkarte. Aber Weiß ist eigentlich eine Mischung aus anderen Farben und kann je nach Kombination und Lichtverhältnis unzählige Schattierungen aufweisen“, schreibt Iryna Herasimovich 2021 in einem Digitalessay für das Literarische Colloquium Berlin. „Um das zu sehen, ist ein künstlerischer Blick nötig, der imstande ist, sich von den alltäglichen Wahrnehmungsmustern zu lösen. Viel zu selten hat man mit solchen Augen auf unser Land geschaut.“
Für "Essay & Diskurs" spricht Lara Sielmann mit der belarussischen Übersetzerin und Kuratorin Iryna Herasimovich über die belarussische Literaturoppositon zwei Jahre nach den großen Protesten in Belarus gegen die korrupte Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko sowie über neue Begegnungsräume in politisch widrigen Zeiten, die das Übersetzen und Literatur ermöglichen.
Iryna Herasimovich, geboren 1978 in Minsk, ist Übersetzerin, Kuratorin und Essayistin. Bereits dreimal hat sie die Belarussisch-Deutsche ViceVersa-Übersetzerwerkstatt geleitet. Sie hat Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren wie Lukas Bärfuss, Georg Büchner, Monika Rinck, Nora Gomringer, Mehdi Moradpour, Jonas Lüscher, Michael Köhlmeier, Franz Hohler oder Franz Kafka ins Belarussische übersetzt. Seit 2018 kuratiert sie den übersetzerischen Teil des Forums „Literature Intermarium“ im Künstlerdorf Kaptaruny.
Anmerkung der Redaktion: Wir haben den hier ursprünglich veröffentlichten Titel geändert, um zwei versehentlich unterschiedliche Titelversionen zusammenzuführen.