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Zwei Spielarten der Renaissance

Die Renaissance hatte ihren Ursprung in Italien. In Florenz besannen sich Künstler wie Donatello oder Brunelleschi auf die Ideale der Antike. Die Ausstellung in Rom versucht anhand von Lucas Cranach zu zeigen, dass Italien zwar das erste Land der Renaissance war, nicht aber das einzige.

Von Henning Klüver | 03.11.2010
    Mit der Cranach-Ausstellung in Rom ist etwas ganz Außerordentliches gelungen. Hier begegnen sich zwei Spielarten der Renaissance. Auf der einen Seite sind die warmen und sinnlichen Meisterwerke der Sammlung der Galleria Borghese mit Arbeiten von Raffael bis Tizian zu sehen. Auf der anderen die klaren und präzisen, gleichsam protestantischen Werke eines Lucas Cranach, die eine andere Renaissance widerspiegeln. Zur Eröffnung war sogar der deutsche für Kultur und Medien zuständige Staatsminister Bernd Neumann an den Tiber gereist.
    "Dies ist ja eher eine europäische Ausstellung. Wenn sie die Leihgaben ansehen, werden sie feststellen, dass sie aus allen Teilen Europas kommen: Frankreich, Großbritannien, Schweiz, Österreich. Und hier drückt sich natürlich auch ein Stück europäischer Kultur aus. Gerade in Zeiten, wo man eher von Orientierungslosigkeit in einzelnen Ländern geprägt ist, ist es gut, wenn wir uns auf diese gemeinsamen Werte besinnen und diese in einer solchen Ausstellung zum Ausdruck bringen."

    Cranach malte zarte, fast zerbrechliche Frauengestalten und ernste, vor Selbstbewusstsein strotzende Männer. Bilder, die sich ebenfalls von dem Klassizismus seines großen Zeitgenossen Albrecht Dürer unterschieden und von der niederländischen Tradition beeinflusst waren. Anders als Dürer war Cranach in seinem Leben auch nie nach Italien gereist. Dennoch gab es Verbindungen. Lucas Cranach arbeitete in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts als Hofmaler beim sächsischen Kurfürsten in Wittenberg, der europäisch dachte. Und da war die Kunst an den großen italienischen Höfen der Gonzaga, der Este oder der Medici Vorbild auch für einen Lucas Cranach. Das ist jedenfalls die These des Holländers Bernard Aikema, der die Ausstellung in der Galleria Borghese eingerichtet hat.

    "Was wir jetzt konkludieren mit dieser Ausstellung, was wir belegen mit Konfrontation, dass Cranach sich mit der italienischen Hofkunsttradition auseinandergesetzt hat. Und das sieht man in der Porträt-Kunst, das sieht man in den neuen mythologischen Themen."

    Der Kurator belegt das anhand einer Komposition des von Cranach häufig variierten Motivs einer Familie von Faunen, von antiken Halbgöttern.
    "Man hat sie immer als wirklich existenziell deutsch gesehen. Nun habe ich gefunden, dass die Komposition direkt zurückgeht auf ein Bild von Perugino, das dann weiter von Bacchiacca in Florenz übernommen worden ist. Solche Sachen bringen wir und ich denke, das ändert unser Bild von Cranach beträchtlich."

    Der deutsche Künstler übersetzte das Italienische in seine eigene Kunstsprache, wie sie das Bildnis der Melancholie aus Kopenhagen oder das der Venus aus dem Frankfurter Städel widerspiegeln. Eine ganz eigene Handschrift findet sich vor allem in den religiösen Arbeiten im Umkreis von Martin Luther, mit dem Cranach eng befreundet war und den er zusammen mit seiner Ehefrau Katherina porträtierte. Dennoch war der Maler, der etwa vergleichbar mit dem Italiener Tizian eine große Werkstatt führte, ein viel zu geschickter Unternehmer, als dass er sich religiös und ideologisch binden ließ.

    "In der gleichen Zeit hat Cranach auch gearbeitet für den Erzfeind von Luther und von dem Kurfürsten von Sachsen und das ist der Kardinal Albrecht von Brandenburg, der die Kirche von Halle von ihm dekorieren ließ mit mehr als 130 Altarbildern, die alle so römisch-katholisch wie möglich sind mit Heiligen - also ganz traditionell. Und da haben wir es eben zu tun mit dem größten Auftrag überhaupt in einem religiösen Gebäude der ganzen Renaissance. Also alles ist sehr relativ."

    Der Maler, so Bernard Aikema, war nicht festzulegen und setzte sich dennoch von dem Konzept einer Kunst ab, wie sie sich südlich der Alpen in den Proportionen eines Alberti oder in dem Schönheitsideal eines Raffaels ausdrückte. Cranachs heute fast modern anmutende Auffassung im italienischen Umfeld zu sehen, macht diese Ausstellung so faszinierend.