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Zwei Tage nach dem Tod eines Mannes
Trauer, Hass und Verunsicherung in Köthen

Der Tod eines 22-jährigen Mannes am Wochenende in Köthen sorgt für Unruhe. Rechtsextreme haben gestern einen sogenannten Trauermarsch abgehalten. Mehrere Hundertschaften Polizei sind vor Ort, damit es zu nicht zu Ausschreitungen wie zuvor in Chemnitz kommt.

Von Christoph Richter |
    Blumen und Kerzen am Marktplatz in Köthen.
    Blumen und Kerzen am Marktplatz in Köthen (dpa-Bildfunk / Sebastian Willnow)
    Eigentlich ist Köthen ein Mekka für Gesundheits-Fans, weil hier das einzig erhaltene Wohnhaus von Samuel Hahnemann steht. Er gilt als der Gründer der Homöopathie. Doch dieser Tage sieht man an jeder Ecke Polizei, die mit mehreren Hundertschaften in der Stadt präsent ist. Ab und zu patrouilliert auch eine Reiterstaffel durch die 26.000 Einwohner große Stadt. Der Tod eines 22-jährigen Deutschen in Köthen hat die Menschen verunsichert.
    "Ist ein sehr guter Freund von mir gewesen, wir haben ab und zu was zusammen getrunken. Er war sehr korrekt…..Tut mir leid, es geht nicht."
    Erzählt eine junge Frau, Anfang 20. Sie wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Ihren Namen will sie nicht nennen. Nicht weit entfernt - in der Tür einer Apotheke am Köthener Marktplatz - steht Inhaberin Barbara Pfeiffer, Anfang 60. Kunden sind an diesem Tag kaum in den Laden gekommen, erzählt sie.
    "Ist einfach beängstigend, man hat einfach Beklemmungen. Die Angst ist irgendwo da."
    Barbara Pfeiffer befürchtet Bilder von Ausschreitungen wie in Chemnitz. Das dürfe nicht passieren, Köthen sei nicht Chemnitz, sagt sie noch.
    "Man merkt die Spannung, die hier ist. Und es ist so traurig, dass Köthen durch so eine Sache Berühmtheit erlangt."
    Gebete, Proteste, Warnungen
    In der spätgotischen Jakobskirche – wo auch die Gruft der anhaltischen Fürsten liegt - finden seit Sonntag Friedensgebete statt. Sie sollen den Menschen Halt geben. Denn momentan befindet sich Köthen, das auf halber Strecke zwischen Magdeburg und Halle liegt, im Ausnahmezustand.
    Die Menschen sind wegen des Todes eines 22jährigen Mannes tief verunsichert. Am Montag lässt sich auch CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff in der Kirche blicken. Dort zündet er eine Kerze an. Für den Verstorbenen, aber auch für den Frieden in der Stadt.
    "Man kann politisch streiten. Aber es geht um die Streitkultur. Und es gibt auch Grenzen, die nicht zu überschreiten sind. Denn wir haben einen Wertekanon zu verteidigen, der nicht zur Diskussion und nicht zur Disposition steht."
    Die Köthener suchen nach Antworten, sie fühlen sich zuweilen alleingelassen, in die rechte Ecke gestellt. Journalisten begegnet man mit Skepsis, mancher wird regelrecht wütend.
    "Lass mich in Ruhe mit dem Scheiß."
    Fernsehteams können zuweilen nur mit Bodyguards auftreten, um sich vor Bedrohungen zu schützen. Die Ressentiments gegenüber Fremden, sie werden mitunter unverhohlen offen formuliert.
    "Ich wünsche mir, dass die, die rausmüssen, ins Flugzeug gesetzt werden. Oder man soll mir Sprit-Geld geben, dann fahr ich sie raus", ärgert sich Rentner Klaus-Dieter Klein. Zu DDR-Zeiten war er Baggerfahrer, später hat er in Österreich gearbeitet. 700 Kilometer ist er zur Arbeit gependelt, erzählt er.
    "Es ist Wahnsinn. Wie viele müssen noch sterben, bis die Politiker endlich begreifen, dass das so nicht weitergehen kann."
    Bisher keine Schwierigkeiten mit Asylbewerbern
    Bernd Hauschild, der Köthener SPD-Oberbürgermeister kennt die Stimmung vor Ort. Seit 2016 ist er im Amt. Seine Stadt will er nicht in die rechte Ecke rücken lassen. Mit der Integration laufe es gut, sagt er. Derzeit leben in Köthen 143 Asylbewerber und 39 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, so Hauschild weiter.
    "Ich sehe nicht, dass das problematisch ist. Es ist eben in Köthen bei uns so, dass die Asylbewerber dezentral untergebracht sind und in unterschiedlichen Quartieren. Durch diese Art der Unterbringung ist eine Integration besser möglich."
    An dem Spielplatz am Karlsplatz, wo der 22-Jährige während einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit zwei afghanischen Asylbewerbern nach einem akuten Herzversagen tot zusammenbrach, stehen hunderte Kerzen. Die AfD hat einen Kranz niedergelegt. Nein, den Tod wolle man für Parteiinteressen nicht instrumentalisieren, sagt der aus Wolfen stammende Daniel Roi. Er ist AfD-Abgeordneter im Magdeburger Landtag. Auf die Frage, warum man beim Trauermarsch aber gemeinsam mit Thügida, mit Rechtsextremen – in der üblichen Szenekleidung - durch die Stadt läuft, bekommt man allerdings nur ein Achselzucken. Und die lapidare Antwort, dagegen könne man nichts tun.
    "Ich kann nicht erkennen, wer was ist. Es ist generell so, dass jeder kommen kann, der sich an die Auflagen hält. Ich kann niemanden hinter die Stirn schauen. Eine ganz normale Geschichte."
    Konflikt mit der AfD
    Ministerpräsident Reiner Haseloff fordert jetzt eine Erklärung der Bundes-AfD.
    Noch immer ist unklar, wie es genau dazu kommen konnte, dass der Streit zwischen den Asylbewerbern und dem 22-jährigen Köthener so eskalierte, dass er am Ende Herzversagen erlitt. Von der Staatsanwaltschaft Dessau heißt es, dass man frühestens in einer Woche mit ersten Ergebnissen rechnen könne.
    In Köthen sehnt man sich Ruhe. Doch ob das so schnell eintrifft, ist ungewiss. Denn auch am kommenden Wochenende ist nach Ansicht von Experten mit weiteren Aufmärschen von Rechtsextremen zu rechnen.