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Zweifacher Prozessauftakt um Korruption und Steuerhinterziehung

Bayern-Korrespondent Michael Watzke berichtet vom Beginn zweier Gerichtsverfahren in München: Der frühere VW-Chef Bernd Pischetsrieder soll dem Finanzamt 235.000 Euro Steuern vorenthalten haben. Ex-BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky wird vorgeworfen, 44 Millionen Euro Schmiergeld von Formel-1-Chef Ecclestone kassiert zu haben.

Michael Watzke im Gespräch mit Andreas Kolbe |
    Andreas Kolbe: 44 Millionen Dollar Schmiergeld, so viel soll der ehemalige Bayern-LB-Vorsitzende Gerhard Gribkowsky eingestrichen haben, Schmiergeld aus der Formel 1. Seit Anfang des Jahres sitzt er deswegen in Untersuchungshaft. Heute hat vor dem Landgericht München der Strafprozess gegen Gribkowsky begonnen, wegen Bestechlichkeit und Untreue. Mit dabei war unser Bayern-Korrespondent Michael Watzke. Herr Watzke, was genau wird dem ehemaligen Bayern-LB-Vorstand vorgeworfen?

    Michael Watzke: Die Anklageschrift nennt Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung. Dabei dürfte der Vorwurf der Bestechlichkeit an Gerhard Gribkowsky wohl am schwersten wiegen. Man wirft Gerhard Gribkowsky vor, der damals Risikovorstand der Bayern-LB war, dass er bei einem Geschäft - da ging es um Formel-1-Rechte - seine Machtposition ausgenutzt hat. Er konnte entscheiden, wer die Formel-1-Rechte von der Bayern-LB abkauft. Und da gab es einen Interessenten, nämlich die Firma CVC, hinter der der Formel-1-Chef Bernard Ecclestone stand, und Ecclestone wollte diese Formel-1-Rechte unbedingt haben. Und die Staatsanwaltschaft glaubt, dass Gerhard Gribkowsky sich diesen Zuschlag, den die Bayern-LB dann an Ecclestone gab, hat versilbern lassen - wobei bei dieser Summe von Bestechungsgeld, da kann man eigentlich nicht mehr von versilbern, da muss man schon von vergolden sprechen: Er hat 50 Millionen Dollar gefordert und soll dann 44 Millionen Dollar von Bernard Ecclestone über Konten auf den Virgin Islands und auf Mauritius bekommen haben. Interessant ist, dass diese Summe - so haben es jedenfalls die Anwälte von Gerhard Gribkowsky dargestellt - in der Formel 1 gar nichts Besonderes sei. Rainer Brüssow, der Anwalt von Gerhard Gribkowsky, hat diese Summe sogar bezeichnet als:

    "Für Otto Normalverbraucher handelt es sich um eine unvorstellbar große Summe. Aber in diesem Rennzirkus scheint das wirklich in Ordnung zu liegen. Das ist dort im Grunde genommen Peanuts."

    Watzke: Peanuts, den Begriff hat man schon mal gehört in einem anderen Zusammenhang. Aber ob die Verteidigung da so gut fährt, so zu tun, als sei in der Formel 1 alles erlaubt, das ist mal dahingestellt.

    Kolbe: Gribkowsky sitzt ja nun seit einem dreiviertel Jahr in Untersuchungshaft, hat dort zu den Vorwürfen geschwiegen. Hat er sich heute vor Gericht geäußert?

    Watzke: Nein. Er hat nur gesagt, dass er nichts sagen möchte, und er hat seinen Beruf angegeben. Ursprünglich stand da "ehemaliger Bankvorstand", aber da das nicht geht als ehemalig, hat er sich als "Unternehmensberater" bezeichnet. Auch das ist natürlich ein kleiner Lacher gewesen im Gerichtssaal. Er ist sehr selbstbewusst aufgetreten, Gerhard Gribkowsky. Er stand mit Händen in den Taschen vor dem Gericht. Der Richter hat ihn sehr lange dort im Blitzlichtgewitter stehen lassen, fast zwei Minuten. Das haben manche schon als Affront gewertet. Gerhard Gribkowsky wirkt sehr, sehr selbstbewusst, mit zwei Metern ja ein Turm von einem Mann, der dort auf der Anklagebank sitzt. Er wird sich auch im weiteren Prozessverlauf nicht äußern, das tun seine Anwälte, und die tun das mit sehr, sehr viel Verve. Sie haben heute dem Gericht eine "heilige Hetzjagd" vorgeworfen. Rainer Brüssow, der Anwalt, hat sogar Marx zitiert mit dem Satz - jetzt muss ich selber schnell nachschauen; ich bin bei Marx leider auch nicht so vollständig: "Ein Gespenst geht um in Europa." So haben Marx und Engels ihr kommunistisches Manifest begonnen. Und der Anwalt hat das bezogen auf die Vorverurteilungen, denen sein Mandant ausgesetzt sei.

    Kolbe: Ohne, dass wir jetzt weitere Marx-Zitate einstreuen, wie schnell ist denn mit einem Urteil in dem Verfahren zu rechnen?

    Watzke: Oh, das wird noch länger dauern. Das Gericht hat Termine in dieser Hauptverhandlung bis Mitte Januar angesetzt. Das sind fast 20 Termine und dann wird man sehen. Bis dahin wird noch Bernie Ecclestone selber aussagen, wahrscheinlich an zwei Tagen - der ist als Zeuge geladen -, und wahrscheinlich auch noch hohe, hochrangige Manager aus der Autobranche, denn die spielt dabei eine Rolle. Es werden also noch einige Ex-Vorstände von großen deutschen Autofirmen auch vor Gericht hier in München erscheinen.

    Kolbe: Ex-Vorstände von großen Autofirmen ist das Stichwort. Nicht nur Gribkowsky musste heute als prominenter Wirtschaftsmanager in München vor Gericht erscheinen; auch der frühere VW-Chef Bernd Pischetsrieder hat nahezu zeitgleich einen Strafprozess am Hals wegen Steuerhinterziehung. Worum geht es hier genau?

    Watzke: Da geht es um einen Begriff, da würde im Vergleich zu den Summen, um die es bei Gribkowsky geht, tatsächlich der Begriff Peanuts zutreffen. Es geht um 235.000 Euro, die Pischetsrieder an Steuern hinterzogen haben soll. Pischetsrieder soll Schuldzinsen von Krediten für ein Anwesen, das er besitzt im oberbayerischen Breitbrunn, auf andere Immobilien in Chemnitz, in München umgeschichtet haben, und dazu soll er in den Einkommenssteuererklärungen der Jahre 2001 bis 2003 falsche und unvollständige Angaben gemacht haben. Damit hat er Steuern gespart, sagt die Staatsanwaltschaft, und das summiert sich auf 235.000 Euro. Pischetsrieder hat heute die Vorwürfe zurückgewiesen und hat gesagt, ich hatte nach der Beratung mit meinem Steuerberater nicht die geringsten Bedenken.

    Watzke: Untreue und Steuerhinterziehung. Zum Auftakt der Strafprozesse gegen Gerhard Gribkowsky und Bernd Pischetsrieder war das live aus München Michael Watzke. Besten Dank.