15 kreischende Kinder versuchen "den Bären zu fangen": Ein altes sorbisches Spiel, ein kleiner Junge mit flauschiger Kunstpelz-Bärenmütze wird gejagt. Dann spielt ein kleines Mädchen einen Wolf, dem es als nächstes an den Kragen geht. Kindergärtnerin Alice Bänsch hat sich vor den tobenden Wolfsjägern amüsiert in eine Ecke geflüchtet:
"Die lernen dabei die Sprache, das Reden wird über das Spiel gefördert, das macht natürlich Spaß."
Immersion heißt diese Methode des Spracherwerbs im Vorschulalter, entwickelt in Kanada, wo Englisch und Französisch gesprochen wird. Von Lateinisch "immersio": "Eintauchen", in ein Sprachbad nämlich, in dem die Kinder ganz beiläufig, ohne klassischen Unterricht, die fremde Sprache aufsaugen. So, wie Kinder auch ihre Muttersprache lernen. Die Bretonen in Frankreich haben die Immersion dann übernommen, die Katalanen in Spanien - und die Sorben in der Lausitz.
"Es ist für unseren Kulturkreis wichtig, weil es ja zu unserer Kultur gehört. Es wird ja vieles noch in den Dörfern gefeiert, wie zum Beispiel Hahnrupfen, das Erntefest oder die Fastnacht jetzt im Frühjahr. Da ist es natürlich auch wichtig, dass man die Sprache noch beibehält, weil durch die Sprache ja auch die Kultur mit erhalten bleibt. Das ist ja die Wurzel, die Sprache."
Sorbisches Brauchtum gehört zur regionalen Identität
Die sorbischen Bräuche gehören hier in der Lausitz zur regionalen Identität: Der Spreewald wäre ohne die Trachten und Feiern der Sorben nicht denkbar. Viele nichtsorbische Lausitzer schicken ihre Kinder auch deswegen in die "Villa Kunterbunt", weil die Kita das Brauchtum intensiv pflegt. Für die Kleinen bringe die Zweisprachigkeit große Vorteile, erklärt Erzieherin Alice Bänsch:
"Es ist ja so, dass durch das Wendisch-Sorbische, wenn die Kinder so schon im Kindergartenalter gefördert werden, auch im Gehirn Synapsen entwickelt werden, die später auch mit anderen Inhalten belegt werden können. Die sind dann halt einfach da, die sind schon mal gefördert und sie können dann zum Beispiel auch andere Sprachen leichter lernen."
Oder auch Mathematik: Hirnforscher haben nachgewiesen, dass Immersion im kindlichen Gehirn neuronale Verschaltungen aktiviert, die später auch in anderen Fächern positiv wirken. Dass das frühe Lernen einer zweiten Sprache die kognitiven Fähigkeiten von Kindern steigert, belegen auch Studien aus Kanada, wo die Immersion seit einem Vierteljahrhundert wissenschaftlich begleitet wird.
Darum sind freie Plätze begehrt und die Warteliste ist lang, meint Kita-Leiterin Manuela Drinkmann. Sie ist selbst Sorbin, hat aber zu Hause die Sprache nicht mehr gelernt, weil die heutige Großeltern-Generation Angst haben musste, sie zu sprechen. Auch die Erzieherinnen müssen das Sorbische erst mühsam in Kursen selber lernen, bevor sie es an die Kinder weiter geben. Besser bezahlt werden sie deswegen aber nicht. Engagement für die sorbische Sache sei gefragt, sagt Drinkmann:
"Dann ist es natürlich einfacher, das weiterzubringen und an die Kinder zu geben, wenn man dafür brennt. Das ist es ja eigentlich, was wir hier brauchen, solche Erzieher, die aus Enthusiasmus im Prinzip das nicht als Arbeit sehen, sondern als Bereicherung für unsere Region, für unsere Kinder, und sie selber sehen auch für sich als Bereicherung, den Aufwand hier zu betreiben."
"Witaj" heißt auf Sorbisch "Willkommen"
Die Proben für die "Vogelhochzeit" laufen auf Hochtouren: Ende Januar sollen die Dreijährigen bei der Sorbischen Fastnacht der Kita auf der Bühne glänzen, in Tracht natürlich. Der Refrain klappt schon prima.
Nach der Witaj-Kita können die Kinder in eine ebenfalls zweisprachige Grundschule gehen und anschließend auf das Niedersorbische Gymnasium gleich hier um die Ecke. Dort macht demnächst der erste Jahrgang Abitur, der das System komplett durchlaufen hat. Auch das Gymnasium ist offen für nichtsorbische Schüler. Schließlich heißt "Witaj" auf Sorbisch "Willkommen".