75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs steht Deutschland immer noch in der Schuld, Reparationen an Griechenland zu zahlen. Das meinen jedenfalls mehrere Oppositionsparteien und auch der griechische Präsident Papoulias. Während der deutschen Besatzung in Griechenland kamen etwa 300.000 Griechen ums Leben. Deutschland habe an viele Länder genügend Reparationen und Entschädigungen gezahlt; nur an Griechenland nicht, meint die größte griechische Oppositionspartei, die Linkspartei Syriza. Eine Kommission des griechischen Parlaments ermittelt derzeit, wie hoch die griechischen Forderungen an Deutschland sein sollen.
Manolis Glezos war 18 Jahre alt, als die deutsche Wehrmacht seine Heimatstadt Athen besetzte. Die Nazis hissten die Hakenkreuzflagge oben auf der Akropolis. Glezos kletterte mit einem Freund auf den Mast und riss die Fahne herunter. Die deutschen Besatzer sperrten ihn in Haft, folterten ihn, aber er konnte flüchten. Manolis Glezos hat die deutsche Besatzung überlebt – er ist heute 91 Jahre alt. Für die griechische Linkspartei Syriza sitzt er im Europaparlament und fordert, dass Deutschland endlich Wiedergutmachung an Griechenland leisten soll:
"Wir denken, Griechenland muss genauso behandelt werden wie andere Länder. Andere Länder wurden zufriedengestellt, was Reparationen betrifft, nur Griechenland nicht."
1960 wurden 115 Millionen Mark gezahlt
Im Jahr 1960 hatte Deutschland genau 115 Millionen Mark an Entschädigung an Griechenland gezahlt. Damit hat Deutschland aber bei Weitem nicht seine Schuld beglichen, sagt Manolis Glezos. Die deutsche Wehrmacht hatte während der Besatzung von 1941 bis 1944 nicht nur viele griechische Dörfer zerstört, sondern sich auch aus der griechischen Staatskasse bedient; dieser "Besatzungskredit" sei ebenfalls noch nicht zurückgezahlt, rechnet Manolis Glezos vor und beziffert die deutschen Schulden an Griechenland auf über 160 Milliarden Euro – das entspricht immerhin der Hälfte der griechischen Staatsschulden.
Der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias will zwar keinen Betrag nennen, aber auch er meint, dass Deutschland noch in der Schuld steht. Als vor einem halben Jahr Bundespräsident Joachim Gauck Griechenland besuchte, erklärte Präsident Papoulias:
"Ich habe gegenüber dem Herrn Präsidenten Gauck die Frage der Reparationen und der Zwangsanleihe angesprochen. Griechenland hat diese Forderungen niemals aufgegeben. Wichtig ist, dass diese Frage mit Verhandlungen gelöst wird, und zwar so schnell wie möglich."
Gauck entschuldigte sich im Namen Deutschlands
Gauck ging bei seinem Griechenlandbesuch im März auf die Geldforderungen nicht ein. Wohl aber nahm Gauck die Kritik an, Deutschland habe sich bislang nicht für die während der Besatzung begangenen Verbrechen entschuldigt. Gauck holte dies nach, als er im März dieses Jahres das nordgriechische Dorf Lyngiades besuchte. Dort hatte die deutsche Wehrmacht gegen Ende des Krieges 80 wehrlose Menschen ermordet, darunter auch ein zwei Monate altes Baby. Joachim Gauck vor einem halben Jahr in Lyngiades:
"Mit Scham und Schmerz bitte ich im Namen Deutschlands die Familien der Ermordeten um Verzeihung. Ich verneige mich vor den Opfern der ungeheuren Verbrechen, die hier und an vielen anderen Orten in Griechenland zu beklagen sind."
Viele Menschen in Griechenland haben lange auf eine solche Entschuldigung gewartet, aber sie wollen mehr. Sie wollen eine finanzielle Entschädigung. Manolis Glezos, der frühere Widerstandkämpfer und jetzige Europa-Abgeordnete, hatte im März ebenfalls Bundespräsident Gauck getroffen und die Reparationen eingefordert:
"Ich habe den Bundespräsidenten gesagt: Wir wollen die Freundschaft fördern. Wir wollen keine Rache, aber Gerechtigkeit."
Die griechische Regierung hat sich bislang nicht zu möglichen Reparationsforderungen an Deutschland geäußert. Sie will den Eindruck vermeiden, Griechenland wolle seine Schulden aus der aktuellen Krise mit alten Schulden aus der Besatzungszeit verrechnen.