Doha, die Hauptstadt des Golfemirats Katar - einer von vielen Staatsbesuchen. Emir Hamad Bin Chalifa hat gerade die deutsche Delegation am Flughafen verabschiedet. Er schreitet über den roten Teppich zu seiner Limousine - und: hin zum Mikrofon des Reporters. Die Gelegenheit, mit einer Frage vorzupreschen: Wird Katar die angekündigte Demokratisierung bald umsetzen? Wird es bald Wahlen und ein Parlament geben?
"Im Augenblick streben wir ein vollgültiges Parlament an. In etwa anderthalb Jahren wird es so weit sein. Wir machen weiter, einen Schritt nach dem anderen. Das Parlament soll unser nächster Schritt sein."
Eine konstitutionelle Monarchie also? Gewaltenteilung? Mit allem, was dazugehört?
"Ja, ja. Es würde mir überhaupt nicht gefallen, so mächtig zu sein - so einfach ist das. Wir sollten das praktizieren, was andere Länder auch praktizieren, zum Wohle der Bevölkerung."
Hamad Bin Chalifa al Thani war stets für eine Überraschung gut. Vor allem Statements wie dieses waren es, die den Herrscher von Katar für seine Kollegen, die anderen Emire und Könige am Golf, zu einer Art Enfant terrible gemacht haben. Besonders die Familie al Saud in Riad reizte er durch seine Tabubrüche bis zur Weißglut. Doch dass er seinen Thron tatsächlich einmal räumen und ganz einfach in Rente gehen würde, damit hätte kaum jemand gerechnet.
Genau das aber hat er vor einem Vierteljahr getan. Seitdem hat Katar einen neuen Emir. Von ihm kennt man bislang aber eigentlich nur den Namen: Tamim Bin Hamad al Thani. Und man weiß: dass er jetzt einer der mächtigsten Entscheidungsträger der arabischen Welt ist.
Selbst nach der traditionellen Hunderttagefrist seit des neuen Emirs Machtantritt gibt es noch nicht viel neue Erkenntnisse über ihn, Beobachter und Analysten der Golfregion sind einigermaßen ratlos. Oliver Borszik, am Hamburger GIGA-Institut für Nahost-Studien mit der Erforschung des Emirats Katar betraut, zählt das Wenige auf, das bisher bekannt geworden ist:
"Er wurde wie sein Vater an der britischen Militärakademie in Sandhurst ausgebildet, begann dann seine Laufbahn in der Armee des Emirats, wurde dann auch stellvertretender Kommandeur der Streitkräfte. Er hat auch, bevor er Emir wurde, in verschiedenen Politikfeldern sich betätigt, zum Beispiel im Bereich Ernährungssicherheit, Sport, Umwelt oder Finanzen hat beispielsweise die Fußball-WM 2022 nach Katar geholt ..."
Doch am Ende bleibt selbst Katar-Experte Oliver Borszik nur einzuräumen:
"Über Scheich Tamim ist bislang nicht besonders viel bekannt."
"Im Augenblick streben wir ein vollgültiges Parlament an. In etwa anderthalb Jahren wird es so weit sein. Wir machen weiter, einen Schritt nach dem anderen. Das Parlament soll unser nächster Schritt sein."
Eine konstitutionelle Monarchie also? Gewaltenteilung? Mit allem, was dazugehört?
"Ja, ja. Es würde mir überhaupt nicht gefallen, so mächtig zu sein - so einfach ist das. Wir sollten das praktizieren, was andere Länder auch praktizieren, zum Wohle der Bevölkerung."
Hamad Bin Chalifa al Thani war stets für eine Überraschung gut. Vor allem Statements wie dieses waren es, die den Herrscher von Katar für seine Kollegen, die anderen Emire und Könige am Golf, zu einer Art Enfant terrible gemacht haben. Besonders die Familie al Saud in Riad reizte er durch seine Tabubrüche bis zur Weißglut. Doch dass er seinen Thron tatsächlich einmal räumen und ganz einfach in Rente gehen würde, damit hätte kaum jemand gerechnet.
Genau das aber hat er vor einem Vierteljahr getan. Seitdem hat Katar einen neuen Emir. Von ihm kennt man bislang aber eigentlich nur den Namen: Tamim Bin Hamad al Thani. Und man weiß: dass er jetzt einer der mächtigsten Entscheidungsträger der arabischen Welt ist.
Selbst nach der traditionellen Hunderttagefrist seit des neuen Emirs Machtantritt gibt es noch nicht viel neue Erkenntnisse über ihn, Beobachter und Analysten der Golfregion sind einigermaßen ratlos. Oliver Borszik, am Hamburger GIGA-Institut für Nahost-Studien mit der Erforschung des Emirats Katar betraut, zählt das Wenige auf, das bisher bekannt geworden ist:
"Er wurde wie sein Vater an der britischen Militärakademie in Sandhurst ausgebildet, begann dann seine Laufbahn in der Armee des Emirats, wurde dann auch stellvertretender Kommandeur der Streitkräfte. Er hat auch, bevor er Emir wurde, in verschiedenen Politikfeldern sich betätigt, zum Beispiel im Bereich Ernährungssicherheit, Sport, Umwelt oder Finanzen hat beispielsweise die Fußball-WM 2022 nach Katar geholt ..."
Doch am Ende bleibt selbst Katar-Experte Oliver Borszik nur einzuräumen:
"Über Scheich Tamim ist bislang nicht besonders viel bekannt."
Kaum größer als ein Fußballplatz, aber außenpolitische Großmacht
Auch das Land selbst offenbart sich nicht auf den ersten Blick. Fest steht nur: Im Lauf der vergangenen zwanzig Jahre hat es sich von einem verschlafenen Scheichtum zu einem Global Player entwickelt. Um einen Eindruck von Katars kometenhaftem Aufstieg zu bekommen, braucht man an der Küstenstraße Dohas, der "Corniche", nur eine Dhau, ein traditionelles Boot, zu mieten und einige Dutzend Meter aufs Meer hinaus zu fahren. Von dort aus präsentiert sich eine Skyline, die an Hongkong erinnert. Ein gläsern schimmerndes Hochhaus neben dem anderen ...
"Wenn Sie Katar von Nord nach Süd durchqueren wollen, brauchen Sie nicht mal eine volle Stunde, von Ost nach West dauert das eine Dreiviertelstunde. Dann haben Sie ganz Katar gesehen. Das Land ist also winzig."
Omar ist freier Journalist, stammt aus dem Sudan. Als Ausländer gehört er zur Mehrheit der Bevölkerung, die sich aus Arabern aller Nationen, vor allem aber auch Indern, Pakistanis oder Filipinos zusammensetzt. Golf-Araber mit katarischer Nationalität bilden nur eine kleine Minderheit.
"In der Außenpolitik sind die Katarer, verglichen mit ihrem kleinen Ländchen, höchst aktiv. Ein halbe Million Menschen, ein Land, kaum größer als ein Fußballplatz ... Aber außenpolitisch gesehen ist Katar eine Großmacht, viel größer als beispielsweise der Libanon."
Das Jahr 1995 gilt dafür als Schlüsseldatum. Damals putschte Hamad Bin Khalifa, der Vorgänger Tamims, seinen weithin als verknöchert wirkenden Vater unblutig aus dem Amt - sehr zum Verdruss des mächtigen Nachbarn Saudi-Arabien. Dort sah man Katar als einen bloßen Wurmfortsatz des eigenen Landes und in dem alten Emir einen willfährigen Erfüllungsgehilfen. Die Al-Saud-Dynastie in Riad machte Anstalten, den Putschisten wieder abzusetzen. Hamad Bin Khalifa benötigte also eine Art von Lebensversicherung; etwas, das ihn von dem großen Nachbarn Saudi Arabien unabhängig werden ließ. Und die tauchte in Gestalt des Fernsehkanals Al Dschasira auf. Der Emir entschloss sich, den ersten kritischen und unabhängig berichtenden Nachrichtensender der arabischen Welt zu fördern und zu finanzieren.
Al Dschasira ließ Katar quasi unangreifbar werden - denn es machte sich die internationalen Standards der Meinungsfreiheit zu eigen: Katars Weg zu einer Regionalmacht wäre ohne den Sender Al Dschasira nicht vorstellbar gewesen. Die dort tätigen Journalisten haben sich nicht mehr als Hofberichterstatter zahlender Diktatoren verstanden; sie wichen Kontroversen nicht mehr aus, sondern bildeten sie ab; das Medienmonopol staatlicher Sender war durchbrochen; bei Diskussionen prallten Regimegegner und -befürworter aufeinander. Langjährige arabische Denkverbote sind nun außer Kraft gesetzt, Tabus wie: keine Kritik an einem Machthaber, weder im Innern noch in einem Nachbarland.
"Wenn Sie Katar von Nord nach Süd durchqueren wollen, brauchen Sie nicht mal eine volle Stunde, von Ost nach West dauert das eine Dreiviertelstunde. Dann haben Sie ganz Katar gesehen. Das Land ist also winzig."
Omar ist freier Journalist, stammt aus dem Sudan. Als Ausländer gehört er zur Mehrheit der Bevölkerung, die sich aus Arabern aller Nationen, vor allem aber auch Indern, Pakistanis oder Filipinos zusammensetzt. Golf-Araber mit katarischer Nationalität bilden nur eine kleine Minderheit.
"In der Außenpolitik sind die Katarer, verglichen mit ihrem kleinen Ländchen, höchst aktiv. Ein halbe Million Menschen, ein Land, kaum größer als ein Fußballplatz ... Aber außenpolitisch gesehen ist Katar eine Großmacht, viel größer als beispielsweise der Libanon."
Das Jahr 1995 gilt dafür als Schlüsseldatum. Damals putschte Hamad Bin Khalifa, der Vorgänger Tamims, seinen weithin als verknöchert wirkenden Vater unblutig aus dem Amt - sehr zum Verdruss des mächtigen Nachbarn Saudi-Arabien. Dort sah man Katar als einen bloßen Wurmfortsatz des eigenen Landes und in dem alten Emir einen willfährigen Erfüllungsgehilfen. Die Al-Saud-Dynastie in Riad machte Anstalten, den Putschisten wieder abzusetzen. Hamad Bin Khalifa benötigte also eine Art von Lebensversicherung; etwas, das ihn von dem großen Nachbarn Saudi Arabien unabhängig werden ließ. Und die tauchte in Gestalt des Fernsehkanals Al Dschasira auf. Der Emir entschloss sich, den ersten kritischen und unabhängig berichtenden Nachrichtensender der arabischen Welt zu fördern und zu finanzieren.
Al Dschasira ließ Katar quasi unangreifbar werden - denn es machte sich die internationalen Standards der Meinungsfreiheit zu eigen: Katars Weg zu einer Regionalmacht wäre ohne den Sender Al Dschasira nicht vorstellbar gewesen. Die dort tätigen Journalisten haben sich nicht mehr als Hofberichterstatter zahlender Diktatoren verstanden; sie wichen Kontroversen nicht mehr aus, sondern bildeten sie ab; das Medienmonopol staatlicher Sender war durchbrochen; bei Diskussionen prallten Regimegegner und -befürworter aufeinander. Langjährige arabische Denkverbote sind nun außer Kraft gesetzt, Tabus wie: keine Kritik an einem Machthaber, weder im Innern noch in einem Nachbarland.
Al Dschasira als Auslöser der "Arabellion"
Lange bevor der tunesische Präsident Ben Ali stürzte, noch vor dem Beginn des so genannten "Arabischen Frühlings", erlitten offizielle Vertreter seines Regimes bei Diskussionssendungen mit der Opposition auf Al Dschasira krachende Niederlagen.
Viele Beobachter sind sich inzwischen einig: Katars Sendelizenz für Al Dschasira, 1998, kann als erster Schritt zur "Arabellion" gesehen werden, die dreizehn Jahre später losbrechen sollte.
Als 2011 in Tunis junge Leute gegen das Regime des säkularen Langzeitdiktators Ben Ali auf die Straße gingen, gehörte Katar zu den ersten Unterstützern des Wechsels. Es förderte auch mit viel Geld die Revolution in Ägypten. Und katarische Kampfjets flogen Seite an Seite mit französischen und britischen Flugzeugen Einsätze über der libyschen Stadt Bengasi.
Doch inzwischen hat sich das Katar-Bild bei den arabischen Revolutionären geändert; insbesondere in Tunesien, dem Pionierland der "Arabellion". Denn Katar, so die tunesische Menschenrechtlerin Radhia Nasraoui, versuche die Freiheitsbewegung umzudrehen - zu einer islamischen Bewegung:
"Viele Tunesier können nur zur Kenntnis nehmen, was für enorme Geldquellen den Salafisten in ihrem Land zur Verfügung stehen. Vielen Quellen zufolge stammen diese Gelder vor allem aus Katar und anderen Golfstaaten. Es ist unglaublich, welche Unsummen Staaten wie Katar in die Hand nehmen, um jede positive Entwicklung in Tunesien zu verhindern. Und die Katarer haben ja auch allen Grund dazu. Denn sie wollen auf keinen Fall, dass die jungen Leute auch bei ihnen zu Hause den Aufstand beginnen."
Katar - ein Land, das weltweit Salafisten und Extremisten finanziert? - Diese Tendenz lasse sich durchaus beobachten, bestätigt Oliver Borszik vom GIGA-Institut für Nahoststudien:
"Das Geld fließt in erster Linie durch die Regierung Katars, das heißt, dass der Emir veranlassen kann, dass Gelder in diese Länder fließen. Es sind aber auch einflussreiche Personen, einflussreiche geistliche Personen, die in Katar leben, sehr wohlhabende Einzelpersonen, die dann durchaus autonom entscheiden können. Sie können das autonom tun, aber können sich auch mit der Monarchie absprechen, wie diese Gelder fließen. Das ist uns aber nicht bekannt, wir können das nicht nachvollziehen, wie genau diese Prozesse laufen, denn dieses System der Unterstützung ist ein System, das von außen nicht durchschaubar ist. Man lässt sich da einfach nicht in die Karten schauen, es ist auch nicht möglich, dazu verlässliche Informationen zu bekommen."
Viele Beobachter sind sich inzwischen einig: Katars Sendelizenz für Al Dschasira, 1998, kann als erster Schritt zur "Arabellion" gesehen werden, die dreizehn Jahre später losbrechen sollte.
Als 2011 in Tunis junge Leute gegen das Regime des säkularen Langzeitdiktators Ben Ali auf die Straße gingen, gehörte Katar zu den ersten Unterstützern des Wechsels. Es förderte auch mit viel Geld die Revolution in Ägypten. Und katarische Kampfjets flogen Seite an Seite mit französischen und britischen Flugzeugen Einsätze über der libyschen Stadt Bengasi.
Doch inzwischen hat sich das Katar-Bild bei den arabischen Revolutionären geändert; insbesondere in Tunesien, dem Pionierland der "Arabellion". Denn Katar, so die tunesische Menschenrechtlerin Radhia Nasraoui, versuche die Freiheitsbewegung umzudrehen - zu einer islamischen Bewegung:
"Viele Tunesier können nur zur Kenntnis nehmen, was für enorme Geldquellen den Salafisten in ihrem Land zur Verfügung stehen. Vielen Quellen zufolge stammen diese Gelder vor allem aus Katar und anderen Golfstaaten. Es ist unglaublich, welche Unsummen Staaten wie Katar in die Hand nehmen, um jede positive Entwicklung in Tunesien zu verhindern. Und die Katarer haben ja auch allen Grund dazu. Denn sie wollen auf keinen Fall, dass die jungen Leute auch bei ihnen zu Hause den Aufstand beginnen."
Katar - ein Land, das weltweit Salafisten und Extremisten finanziert? - Diese Tendenz lasse sich durchaus beobachten, bestätigt Oliver Borszik vom GIGA-Institut für Nahoststudien:
"Das Geld fließt in erster Linie durch die Regierung Katars, das heißt, dass der Emir veranlassen kann, dass Gelder in diese Länder fließen. Es sind aber auch einflussreiche Personen, einflussreiche geistliche Personen, die in Katar leben, sehr wohlhabende Einzelpersonen, die dann durchaus autonom entscheiden können. Sie können das autonom tun, aber können sich auch mit der Monarchie absprechen, wie diese Gelder fließen. Das ist uns aber nicht bekannt, wir können das nicht nachvollziehen, wie genau diese Prozesse laufen, denn dieses System der Unterstützung ist ein System, das von außen nicht durchschaubar ist. Man lässt sich da einfach nicht in die Karten schauen, es ist auch nicht möglich, dazu verlässliche Informationen zu bekommen."
Islamischer Absolutismus unter dem Deckmantel der Demokratie
Die Probe aufs Exempel - Schauplatz: Der Basar von Doha. Der Journalist Omar zeigt auf einen Laden. Verblendete Schaufensterscheiben, im Innern eine Art Schalter. Es könnte sich um eine Bank, um ein Wechselbüro oder um einen internationalen Geldtransfer-Dienstleister handeln:
"Dieser Geschäftsmann hier sammelt Geld für die islamische Wohlfahrt. Sie müssen ihm nur sagen, was genau Sie unterstützen wollen, Sie zahlen ein und bekommen eine Quittung. Aber es geht nur um große Sachen; zum Beispiel den Krieg gegen die Russen in Tschetschenien. Sie unterstützen die Sache der Muslime, in jedem muslimischen Land."
Die Strategie liegt auf der Hand. Zunächst: Mithelfen, säkulare Diktatoren oder Autokraten zu stürzen. Dann: Einen erzkonservativen islamisch begründeten Absolutismus aufbauen, Elemente der Demokratie benutzen, um die Demokratie langfristig auszuhebeln.
"Diese Doppelstrategie gibt es eindeutig. In Katar sollen jegliche Proteste klein gehalten werden, vermieden werden. Aber in der arabischen Welt, speziell in Tunesien, in Ägypten, in Syrien, ist Katar sehr früh auf den Zug aufgesprungen, sich hinter die Aufstände zu stellen und islamistische Kräfte zu unterstützen."
Und dabei, so Oliver Borszik, sei Katar durchaus imstande und finde nichts dabei die Grenze hin zum Extremismus überschreiten:
"Es wurde Katar immer wieder nachgesagt, bis vor Kurzem, enge Verbindungen zu Al Kaida zu haben. Katar ist auch neben Saudi-Arabien der zweite wahabitisch geprägte Staat in der Region und es ist keinesfalls auszuschließen, dass auch zur Verbreitung wahabitischer Ideen und wahabitischen Gedankenguts da Gelder nach Afghanistan fließen."
Für die deutsche Außenpolitik scheint das bislang kein großes Problem zu sein. Immerhin ist Katar einer der größten Abnehmer für deutsche Waffen. Schon 2012, aber auch in diesem Jahr, genehmigte der Bundessicherheitsrat den Verkauf dutzender leichter und schwerer Kampfpanzer in das Emirat. Darunter das Aushängeschild der deutschen Waffenschmiede Krauss Maffei Wegmann: der schwere Kampfpanzer Leopard A 7 Plus.
"Dieser Geschäftsmann hier sammelt Geld für die islamische Wohlfahrt. Sie müssen ihm nur sagen, was genau Sie unterstützen wollen, Sie zahlen ein und bekommen eine Quittung. Aber es geht nur um große Sachen; zum Beispiel den Krieg gegen die Russen in Tschetschenien. Sie unterstützen die Sache der Muslime, in jedem muslimischen Land."
Die Strategie liegt auf der Hand. Zunächst: Mithelfen, säkulare Diktatoren oder Autokraten zu stürzen. Dann: Einen erzkonservativen islamisch begründeten Absolutismus aufbauen, Elemente der Demokratie benutzen, um die Demokratie langfristig auszuhebeln.
"Diese Doppelstrategie gibt es eindeutig. In Katar sollen jegliche Proteste klein gehalten werden, vermieden werden. Aber in der arabischen Welt, speziell in Tunesien, in Ägypten, in Syrien, ist Katar sehr früh auf den Zug aufgesprungen, sich hinter die Aufstände zu stellen und islamistische Kräfte zu unterstützen."
Und dabei, so Oliver Borszik, sei Katar durchaus imstande und finde nichts dabei die Grenze hin zum Extremismus überschreiten:
"Es wurde Katar immer wieder nachgesagt, bis vor Kurzem, enge Verbindungen zu Al Kaida zu haben. Katar ist auch neben Saudi-Arabien der zweite wahabitisch geprägte Staat in der Region und es ist keinesfalls auszuschließen, dass auch zur Verbreitung wahabitischer Ideen und wahabitischen Gedankenguts da Gelder nach Afghanistan fließen."
Für die deutsche Außenpolitik scheint das bislang kein großes Problem zu sein. Immerhin ist Katar einer der größten Abnehmer für deutsche Waffen. Schon 2012, aber auch in diesem Jahr, genehmigte der Bundessicherheitsrat den Verkauf dutzender leichter und schwerer Kampfpanzer in das Emirat. Darunter das Aushängeschild der deutschen Waffenschmiede Krauss Maffei Wegmann: der schwere Kampfpanzer Leopard A 7 Plus.
Umstrittene deutsche Waffenexporte
Dieser Rüstungsdeal sorgt für erbitterte Kontroversen. Nicht nur zwischen den politischen Parteien im Bundestag, sondern sogar unter den Eigentümern der Panzerschmiede.
Burkhart von Braunbehrens etwa, der einen Teil des Kapitals der Firma Krauss Maffei Wegmann besitzt, wendet sich vehement gegen den Export:
"Das ist ein ungeheurer Widerspruch. Das ist ein Unding. Wir können nicht gleichzeitig in Afghanistan kämpfen und gegen Leute kämpfen, die wir gleichzeitig mit Waffen ausrüsten, das ist doch eigentlich naheliegend, dass so etwas sich verbietet. Und da sehe ich auch mit außerordentlich großer Sorge, dass diese Länder sich äußerst doppelsinnig verhalten, einerseits Islamismus und aggressive Potenziale unterstützen, und andererseits als Bündnispartner betrachtet werden."
Der Umfang des Geschäfts lässt aufhorchen: Was kann das kleine Katar mit der Riesenmenge an Panzern und gepanzerten Fahrzeugen anfangen? Das Emirat möchte ebenfalls 200 Leopard-Panzer kaufen. Genehmigt hat der Bundessicherheitsrat zwischen sechzig und siebzig.
Die Befürworter dieses Panzerdeals, so scheint es, sind in den Reihen der CDU/CSU zu finden und haben offenbar das Ohr von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Katar, so argumentieren sie, werde von äußeren Mächten in dramatischer Weise bedroht. CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff:
"Schauen Sie sich alleine mal auf der Landkarte die geografische Lage Katars an. Es ist ein sehr kleines Land, wo zunächst einmal die Außengrenzen gesichert werden in einer insgesamt sehr unübersichtlichen Konstellation. Also, dass es in Katar darum geht, Außengrenzen zu sichern und dass man sofort auch sehr nahe an den sensitiven industriellen und urbanen Zentren ist, das liegt auf der Hand."
Als möglicher Angreifer käme derzeit nur ein Land infrage: der Iran. Doch ein Blick auf die Karte reicht, um festzustellen, dass die gerade georderten Panzer bei einem derartigen bewaffneten Konflikt wohl ziemlich unnütz wären. Katar ist eine Halbinsel, hier befindet sich zudem die regionale Basis der US-Streitkräfte am Persischen Golf. Der potenzielle Gegner Iran müsste bei einem Angriff seine Truppen per Schiff über das Meer anrücken lassen. Die katarische Luftwaffe sowie die hoch technisierte Schutzmacht USA dürften keinesfalls zuschauen, bis iranische Truppen bei einem geplanten Angriff an der katarischen Küste anlegen:
"Insofern ist die externe Bedrohungslage nicht unmittelbar groß, kann auch nicht unbedingt als das Hauptmotiv dieses Interesses an Rüstungslieferungen gesehen werden. Ein anderes Motiv könnte die innere Sicherheit sein."
Trotz des demonstrativen Wohlstands: Auch in Katar ist nicht alles Gold, was glänzt. Das wird schnell deutlich, sobald man die Prachtstraßen des Zentrums hinter sich lässt und in die Wohnviertel von Doha hineinfährt. Bald tauchen ärmliche Behausungen auf, gesichtslose Hütten mit Wellblechdächern. Dazwischen auf Fahrrädern und Mopeds: viele Menschen aus Indien und Pakistan. Kurz darauf dann aber wieder: breite, asphaltierte Straßen - begrünte Mittelstreifen, gepflegte Hecken und Villen mit Marmorsäulen vor der Vorderfront.
"In diesem Viertel stellen Katarer neunzig Prozent der Bewohner. Sehen Sie: alles schön dekoriert, die Häuser selber voller schöner Möbel. Ganz anders als die anderen Viertel, wo die Ausländer wohnen. Sagen Sie selbst: Gibt es irgendetwas, was diese Viertel mit den anderen gemeinsam haben? Allein solch einen kleinen Palast tagtäglich zu unterhalten, kostet Geld. Aber Strom und Wasser sind gratis. Gratis für Katarer. Sie müssen nichts bezahlen. Aber wir müssen bezahlen. Wir, die Ausländer. Das ist doch verrückt. Die Katarer können so viel Wasser verbrauchen, wie sie wollen, und zahlen nichts. Wir bekommen die Rechnungen, wir zahlen."
Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren bei den Arbeitsmigranten zu spontanen Arbeitsniederlegungen und Unruhen. Ein Unruhe-Potenzial, das sehr brisant ist, sollte sich die ausländische Mehrheitsbevölkerung des Emirats irgendwann auch zu politisieren beginnen.
"Dieser Panzerdeal, den jetzt Katar getätigt hat, diese Kampfpanzer Leopard II, dieser Deal könnte durchaus auch in Zukunft hilfreich sein für Katar, dass diese Panzer in einem koordinierten Einsatz der Golfstaaten zum Einsatz kommen. Und zwar zur Aufstandsbekämpfung. Nicht nur in Bahrain. Und die Variante des Leopard, die Katar bestellt hat, die eignet sich zur Aufstandsbekämpfung."
Burkhart von Braunbehrens etwa, der einen Teil des Kapitals der Firma Krauss Maffei Wegmann besitzt, wendet sich vehement gegen den Export:
"Das ist ein ungeheurer Widerspruch. Das ist ein Unding. Wir können nicht gleichzeitig in Afghanistan kämpfen und gegen Leute kämpfen, die wir gleichzeitig mit Waffen ausrüsten, das ist doch eigentlich naheliegend, dass so etwas sich verbietet. Und da sehe ich auch mit außerordentlich großer Sorge, dass diese Länder sich äußerst doppelsinnig verhalten, einerseits Islamismus und aggressive Potenziale unterstützen, und andererseits als Bündnispartner betrachtet werden."
Der Umfang des Geschäfts lässt aufhorchen: Was kann das kleine Katar mit der Riesenmenge an Panzern und gepanzerten Fahrzeugen anfangen? Das Emirat möchte ebenfalls 200 Leopard-Panzer kaufen. Genehmigt hat der Bundessicherheitsrat zwischen sechzig und siebzig.
Die Befürworter dieses Panzerdeals, so scheint es, sind in den Reihen der CDU/CSU zu finden und haben offenbar das Ohr von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Katar, so argumentieren sie, werde von äußeren Mächten in dramatischer Weise bedroht. CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff:
"Schauen Sie sich alleine mal auf der Landkarte die geografische Lage Katars an. Es ist ein sehr kleines Land, wo zunächst einmal die Außengrenzen gesichert werden in einer insgesamt sehr unübersichtlichen Konstellation. Also, dass es in Katar darum geht, Außengrenzen zu sichern und dass man sofort auch sehr nahe an den sensitiven industriellen und urbanen Zentren ist, das liegt auf der Hand."
Als möglicher Angreifer käme derzeit nur ein Land infrage: der Iran. Doch ein Blick auf die Karte reicht, um festzustellen, dass die gerade georderten Panzer bei einem derartigen bewaffneten Konflikt wohl ziemlich unnütz wären. Katar ist eine Halbinsel, hier befindet sich zudem die regionale Basis der US-Streitkräfte am Persischen Golf. Der potenzielle Gegner Iran müsste bei einem Angriff seine Truppen per Schiff über das Meer anrücken lassen. Die katarische Luftwaffe sowie die hoch technisierte Schutzmacht USA dürften keinesfalls zuschauen, bis iranische Truppen bei einem geplanten Angriff an der katarischen Küste anlegen:
"Insofern ist die externe Bedrohungslage nicht unmittelbar groß, kann auch nicht unbedingt als das Hauptmotiv dieses Interesses an Rüstungslieferungen gesehen werden. Ein anderes Motiv könnte die innere Sicherheit sein."
Trotz des demonstrativen Wohlstands: Auch in Katar ist nicht alles Gold, was glänzt. Das wird schnell deutlich, sobald man die Prachtstraßen des Zentrums hinter sich lässt und in die Wohnviertel von Doha hineinfährt. Bald tauchen ärmliche Behausungen auf, gesichtslose Hütten mit Wellblechdächern. Dazwischen auf Fahrrädern und Mopeds: viele Menschen aus Indien und Pakistan. Kurz darauf dann aber wieder: breite, asphaltierte Straßen - begrünte Mittelstreifen, gepflegte Hecken und Villen mit Marmorsäulen vor der Vorderfront.
"In diesem Viertel stellen Katarer neunzig Prozent der Bewohner. Sehen Sie: alles schön dekoriert, die Häuser selber voller schöner Möbel. Ganz anders als die anderen Viertel, wo die Ausländer wohnen. Sagen Sie selbst: Gibt es irgendetwas, was diese Viertel mit den anderen gemeinsam haben? Allein solch einen kleinen Palast tagtäglich zu unterhalten, kostet Geld. Aber Strom und Wasser sind gratis. Gratis für Katarer. Sie müssen nichts bezahlen. Aber wir müssen bezahlen. Wir, die Ausländer. Das ist doch verrückt. Die Katarer können so viel Wasser verbrauchen, wie sie wollen, und zahlen nichts. Wir bekommen die Rechnungen, wir zahlen."
Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren bei den Arbeitsmigranten zu spontanen Arbeitsniederlegungen und Unruhen. Ein Unruhe-Potenzial, das sehr brisant ist, sollte sich die ausländische Mehrheitsbevölkerung des Emirats irgendwann auch zu politisieren beginnen.
"Dieser Panzerdeal, den jetzt Katar getätigt hat, diese Kampfpanzer Leopard II, dieser Deal könnte durchaus auch in Zukunft hilfreich sein für Katar, dass diese Panzer in einem koordinierten Einsatz der Golfstaaten zum Einsatz kommen. Und zwar zur Aufstandsbekämpfung. Nicht nur in Bahrain. Und die Variante des Leopard, die Katar bestellt hat, die eignet sich zur Aufstandsbekämpfung."
Der neue Emir: konservativer Bewahrer traditioneller Werte
Katars fieberhafte Aufrüstung und der Machtwechsel innerhalb der Herrscherfamilie könnten also miteinander zusammenhängen. Die Bedrohung durch eine Arabellion in der eigenen Region, womöglich gar im eigenen Land - sie könnte das Motiv hinter dem überraschenden Amtsverzicht des alten Emirs Hamad sein. Seine Familie dürfte erkannt haben: In den vergangenen Jahren hat Katar in anderen Ländern möglicherweise Geister aus der Flasche gelassen, die früher oder später auch die eigene Autokratie hinwegfegen könnten. Auf den ersten Blick scheint der friedliche Amtsübergang zu signalisieren: Katar ist ein fortschrittliches Land. Amtswechsel verlaufen, anders als in anderen arabischen Monarchien harmonisch und auf beinahe skandinavisch anmutende Art und Weise: Der alte Herrscher geht in Rente und macht einem jüngeren Platz. Doch dahinter könnte sich wieder einmal die alte Strategie verbergen: Elemente der Demokratie werden als Versatzstücke eingesetzt, damit sich Autokratie umso besser stabilisieren lässt.
"Anders als sein Vater, der die Internationalisierung Katars sehr stark vorantrieb, gilt Tamim eher als konservativer Bewahrer traditioneller Werte. Sein Politikstil könnte sich dadurch von dem seines Vaters abgrenzen. Er könnte also hier die Herausforderungen, vor denen Katar jetzt innenpolitisch steht und regionalpolitisch auf der Arabischen Halbinsel - könnte diese Herausforderungen jetzt in Angriff nehmen, dass die Monarchien weiter erhalten bleiben, dass sie weiter sich entwickeln können aus der Logik einer Monarchie heraus."
Wollte Katar tatsächlich mit der Demokratie ernst machen, dann wäre der Machtwechsel die Gelegenheit dazu gewesen. Doch wer sich unter dem neuen Emir nach den alten Versprechen des Vorgängers erkundigt, nach einem Parlament, das seinen Namen verdient, und nach freien Wahlen - der wird, wie eh und je, auf die sogenannte Majlis-a- verwiesen: Dort, in einem eleganten schneeweißen Gebäude, dem gleichnamigen Parlamentssitz im Zentrum Dohas, tagt eine Runde älterer Herren. Sie reden über Kreditvergaben, Bankenaufsicht und darüber, welche Firmen sich in Doha noch ansiedeln ließen. Über etwas anderes reden dürfen sie nicht. Und was ist mit den längst versprochenen Wahlen?
"Damit ist erst mal nicht zu rechnen. Zuletzt hat der Emir auch im Juni 2013 per Dekret festgelegt, dass das Parlament, der sogenannte Majlis-a-Schura weiter bis in das Jahr 2016 hinein so bestehen kann und dass die 45 Abgeordneten nicht gewählt werden müssen."
"Anders als sein Vater, der die Internationalisierung Katars sehr stark vorantrieb, gilt Tamim eher als konservativer Bewahrer traditioneller Werte. Sein Politikstil könnte sich dadurch von dem seines Vaters abgrenzen. Er könnte also hier die Herausforderungen, vor denen Katar jetzt innenpolitisch steht und regionalpolitisch auf der Arabischen Halbinsel - könnte diese Herausforderungen jetzt in Angriff nehmen, dass die Monarchien weiter erhalten bleiben, dass sie weiter sich entwickeln können aus der Logik einer Monarchie heraus."
Wollte Katar tatsächlich mit der Demokratie ernst machen, dann wäre der Machtwechsel die Gelegenheit dazu gewesen. Doch wer sich unter dem neuen Emir nach den alten Versprechen des Vorgängers erkundigt, nach einem Parlament, das seinen Namen verdient, und nach freien Wahlen - der wird, wie eh und je, auf die sogenannte Majlis-a- verwiesen: Dort, in einem eleganten schneeweißen Gebäude, dem gleichnamigen Parlamentssitz im Zentrum Dohas, tagt eine Runde älterer Herren. Sie reden über Kreditvergaben, Bankenaufsicht und darüber, welche Firmen sich in Doha noch ansiedeln ließen. Über etwas anderes reden dürfen sie nicht. Und was ist mit den längst versprochenen Wahlen?
"Damit ist erst mal nicht zu rechnen. Zuletzt hat der Emir auch im Juni 2013 per Dekret festgelegt, dass das Parlament, der sogenannte Majlis-a-Schura weiter bis in das Jahr 2016 hinein so bestehen kann und dass die 45 Abgeordneten nicht gewählt werden müssen."